Vereinsleben in Walsdorf, Teil 2
Gewerbeverein
„Im Laufe des Jahres 1902 hat sich hier ein Gewerbeverein gebildet“, ist in der Pfarrchronik zu lesen. Vereinsgründer war Adolf Hofmann. Anlässlich seines Todes am 5. Mai 1916 vermerkt der Pfarrer im Sterberegister: „Der Verstorbene war ein ungewöhnlich begabter Mann, Vorsitzender und Begründer des hiesigen Gewerbevereins und Vorsteher der gewerblichen Fortbildungsschule. Er hatte viel Sinn für gemeinnützige Zwecke. Unermüdlich tätig in seinem vielgestaltigen Arbeitsbetrieb und ebenso in dem Bestreben, Walsdorf den Anschluss an die Eisenbahn zu verschaffen. (Es handelte sich um die sog. Taunusquerbahn, über die seit 1912 beraten wurde, die aber nicht zur Ausführung kam.)
Ursprünglich Küfer, ward er später neben bedeutendem Landbesitz Besitzer einer Müllerei und Bäckerei und des auf der Mühle errichteten Elektrizitätswerkes.“
Es war ein Hauptziel des Vereins, sich um eine gute Ausbildung der gewerblichen Lehrlinge zu kümmern. Neben eigenen Zuschüssen zum Zeichenunterricht für Lehrlinge bemühte er sich auch um Zuwendungen aus der Ochs-Düssel-Stiftung und der Gemeindekasse. 1905 werden aus der Düsselstiftung 25 Mark „ zur Anschaffung von Lehrbüchern in der Gewerbeschule für arme Schüler“ bewilligt.
Zwei Nachrichten aus dem Jahre 1912 lassen darauf schließen, dass zwischen der Gemeindevertretung und den Verantwortlichen des Gewerbevereins nicht das beste Einvernehmen herrschte. Zu einer Vorlage, wonach der Gemeindevorstand die Vereinigung der ländlichen Fortbildungsschule mit dem Gewerbeverein wünschte, erfolgte kein Beschluss. Der Pfarrer sah die Sache wie folgt: „Im Winter 1912/13 wollte die Gemeinde der geplanten Vereinigung der ländlichen und gewerblichen Fortbildungsschule nicht zustimmen trotz dem Einverständnis der Behörde. Es scheint, als wolle sie dem hiesigen Gewerbeverein den jährlichen Beitrag entziehen.“ Dieser betrug im Jahre 1910 100 Mark.
Wie lange der Gewerbeverein bestand, ist nicht genau auszumachen.1921 ist Karl Lehmann Vorsitzender. In diesem Jahr übergibt der Verein an die Gemeindekasse 93, 31 Mark. Daraus könnte man eventuell schließen, der Verein habe sich aufgelöst. 1923 wird im Beschlussbuch der Gemeindevertretung aber noch einmal ein Handwerker- und Gewerbeverein erwähnt, der einen Antrag auf die Ausstellung von Gutscheinen (während der Inflation) stellte.
Außer den Nachrichten in den Pfarrakten, den Beschlussbüchern der Gemeindevertretung und den Gemeinderechnungen gibt es leider keine weiteren Überlieferungen über den Verein.
Frauenverein
Von diesem Verein, der vom damaligen Pfarrer Hermann Tecklenburg gegründet wurde, aber nur 5 Jahre bestand, geben zwei Eintragungen in der Pfarrchronik Kunde. Dort heißt es: „Im Winter 1912 gelang es mir, einen kleinen Frauenverein hier zu begründen, der sich allsonntäglich im Pfarrhaus, dann in einem größeren Raum eines Nachbarhauses, dann in der Schule und in den späteren Jahren wieder im Pfarrhaus versammelte. Es war mir von Anfang an eine rechte Freude, und wir haben beim Gesang geistlicher Lieder und Lesen schöner Bücher schöne Stunden in der Gemeinschaft zusammen verlebt.“
Fünf Jahre später berichtet er an gleicher Stelle über das Ende des Vereins. „Vom Frauenverein wollte der Ortspfarrer eine kleine Kanzelbekleidung in billiger Ausführung stiften oder anfertigen lassen. Allein seit er diesen Vorschlag gemacht hatte, blieben die Mitglieder allmählich weg, zumal auch die Landmannsfrauen nicht zusammen mit den Arbeiterfrauen sein wollten.
So ging leider der seit 1912 bestehende Verein ein, der regelmäßig alle Sonntag Abend im Pfarrhaus eine oft nicht unbeträchtliche Anzahl von Frauen zu christlicher Gemeinschaft versammelt hatte.“
Radfahrverein – Arbeitergesangverein
Bei der Schilderung des Verhältnisses zwischen dem Männergesangverein und dem Kriegerverein, der Reaktion der Walsdorfer Arbeiterschaft auf die Vergabe der Renovierungsarbeiten des Chores der Kirche im Jahr 1902 an den „ katholischen Franz Weyrich“ von Camberg bei der Neuwahl des Kirchenvorstandes und zuletzt der Auflösung des Frauenvereins wurden bereits mehrmals kritische Stimmen aus den örtlichen Chroniken zitiert, die auf beträchtliche gesellschaftliche und politische Spannungen in der Kaiserzeit unter der hiesigen Bevölkerung hinwiesen. Diese setzten sich, so scheint es, nach dem Ersten Weltkrieg noch verstärkt fort, wie aus folgenden Stellen der Kirchenchronik hervorgeht.
„Am 1. Mai 1921 feierten die Arbeiter hier ein großes Fest mit Festzug , darin etwa 100 Radfahrer mit vielen gelb und auch mit der roten Farbe der Revolution geschmückten Rädern. Die Landmannstöchter hielten sich auf Beschluss der Bauernschaft vom Festball sämtlich fern.“ (Die Bauernschaft war 1919 von Gustav Ochs gegründet worden, nachdem das Dreiklassen-Wahlrecht zur Wahl der Gemeindevertreter abgeschafft worden war.)
Diese Stelle und eine weitere im Beschlussbuch Nr. 6 der Gemeindevertretung vom August 1921 belegen, dass anfangs der 20er Jahre in Walsdorf ein Radfahrverein existierte. Damals stellte der Radfahrverein einen Antrag auf den Bau eines Sportplatzes zum Fußballspielen, der aber abgelehnt wurde. Innerhalb des Radfahrvereins hatte sich nämlich eine Fußballabteilung gebildet.
Die Vorgänge bei den Wahlen zum Kirchenvorstand im Jahre 1922 nimmt der Pfarrer noch einmal zum Anlass, auf das Verhältnis zwischen Arbeitern und Bauern einzugehen. Er schreibt: „ Die Klassengegensätze zwischen Bauernschaft und Arbeiterschaft sind sehr schroff. Sie prallen besonders in den Sitzungen der Gemeindekörperschaften der Zivilgemeinde aufeinander. Die sozialdemokratische Arbeiterschaft wird von einem Maurer geführt, der lange Zeit im Rheinland geschafft hat. Unter seiner Führung erschien die Arbeiterschaft bei den Wahlen für die kirchlichen Gemeindeorgane und verlangte Verhältniswahl oder eine Anzahl der Sitze, welche dem Stärkeverhältnis der Arbeiterschaft in der Gemeinde entspräche. Da vom Kirchenvorstand nach dem geltenden Wahlrecht diese Wünsche nicht erfüllt werden konnten, verließ die Arbeiterschaft unter Protest das Rathaus und die Bauernschaft wählte allein.“
Auch die Gründung des Arbeitergesangvereins „Maiengruß“ 1921 ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Nach der Maifeier, so wird berichtet, sei eine Reihe von Sängern aus dem Männergesangverein „Germania“ 1838 ausgetreten und habe zusammen mit anderen den neuen Verein gegründet. Dass man sich Arbeitergesangverein nannte, war natürlich Programm und war für den Pfarrer Anlass genug, eine gewisse Besorgnis auszudrücken.
„Möge diese Neugründung nur nicht dahin führen, dass Arbeiter und Landmann sich zu sehr trennen und dadurch innerlich entfremden.“
Ein Foto aus dem Jahre 1930 zeigt den Verein in einer Stärke von 43 Mitgliedern. 1933 schlossen sich die beiden Walsdorfer Gesangvereine, wie oben schon erwähnt, mit sanfter Nachhilfe des Stützpunktleiters wieder zusammen.
Unterlagen aus der Vereinsgeschichte des Radfahrvereins und des Arbeitergesangvereins sind leider nicht mehr vorhanden.
Weitere Berichte in den folgenden Bürgerbriefen
Helmuth Leichtfuß
KFZ-Werkstätten in Walsdorf, 1.Teil
Lothars Autowerkstatt
Nach längerer Pause setzen wir die Reihe der Berichte über Gewerbe im gegenwärtigen Walsdorf fort. Dies geschieht vor allem auch, um für spätere Zeit zu dokumentieren, was gab es wann in Walsdorf. Denn das kleine Unternehmen, das diesmal hier vorgestellt werden soll, ist gegenwärtig wohl allen Einwohnern unseres Dorfes bekannt: Es ist die Autoreparaturwerkstatt des Mannes, der sich am Telefon nur mit „Lothar“ meldet. Weniger allgemein bekannt dürfte jedoch die Entwicklung dieses Betriebes und seines Gründers sein. Lothar Zeiss kam 1983 mit seiner Frau Marianne nach Walsdorf. Hier fanden beide auf dem Gelände und in den Gebäuden der früheren Firma Albert Hohl – Schreinerei und Wagenbau (HOWA) an der Bergstraße – eine Möglichkeit, ihr Ideal zu verwirklichen: Leben und selbständige Arbeit miteinander zu verbinden, d.h. Berufs- und Familienleben nicht so zu trennen, wie es heute überwiegend der Fall und meist unvermeidlich ist. Lothar Zeiss hatte nach seiner Schulzeit zunächst eine Lehre zum Chirurgie-Mechaniker durchlaufen. (Herstellung und Wartung von Chirurgen-Bestecken u.ä.) Es folgte eine Weiterbildung an einer Fachoberschule, die ihm dann ein Maschinenbau-Studium ermöglichte, das er in Gießen als Dipl.-Ing. abschloss. Danach arbeitete er als Konstrukteur bei der Firma Heimann. „Wann kommen denn nun die Autos ins Spiel?“, fragt sich vielleicht der Leser.
Das geschah schon während des Studiums in Gießen. Bei der Reparatur seines eigenen, wohl schon ältlichen Wagens hatte Lothar entdeckt, dass er Spaß daran und den notwendigen technischen Sinn dafür hatte. Und so ergab es sich, dass er sich mit ähnlichen Reparaturarbeiten sein Studium finanzierte. Als er dann 1983 mit seiner Frau Marianne das ehemals Hohlsche Gelände gekauft hatte, ging die Entwicklung Richtung Auto weiter. Da Lothar Zeiss die für eine Autoreparatur-Werkstatt notwendige Voraussetzung einer abgeschlossenen Lehre zum Automechaniker nicht mitbrachte, begann der Betrieb zunächst als Gebrauchtwagenhandel. Die Praxis sah aber so aus, dass eben doch viel an den gebrauchten Wagen zu reparieren war. Deshalb kam schließlich 1995 mit Hannes Rauschenberger aus der Nähe von Gießen ein Meister in den Betrieb. Gegenwärtig gehören zum Betrieb: außer dem Inhaber ein Meister, ein Lackierer und ein fertig ausgebildeter Lehrling, der demnächst in berufliche Weiterbildung einsteigen will. Jahreszeitlich betrachtet gibt es den meisten Arbeitsanfall in den Monaten September bis Januar. Durchschnittlich werden pro Tag etwa drei Autos bearbeitet. Der Betrieb hat es mittlerweile auf ca. 300 Stammkunden gebracht.
Die Werkstatt bietet die Ausführung aller üblichen Reparaturarbeiten an sowie Reifendienst, ASU (Abgas-Sonderuntersuchung) und demnächst auch TÜV. Marianne Zeiss, für das „Lehramt an beruflichen Schulen für das Ernährungsgewerbe“ ausgebildet, wollte in einem zentralen Gebäudeteil des Anwesens, der früher als Wohnhaus gedient hatte, gern einer eigenständige Tätigkeit nachgehen. So ging man daran, dort eine kleine Gaststätte einzurichten. Baubeginn dafür war 1989. Im September 1990 wurde dann das „Café Chaos“ eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt war aus dem Ehepaar Zeiss eine vierköpfige Familie geworden, denn im Juli des gleichen Jahres waren ihnen Zwillingsbuben geboren worden. Im Café wurden Getränke und Kleinigkeiten zum Essen angeboten. Vor allem Jugendliche, die im Dorf einen Jugendtreff vermissten, fühlten sich vom „Café Chaos“ angezogen, wo sie im Obergeschoß einen Billardtisch und einen Flipper-Automaten vorfanden. Allerdings gab es wegen des Benehmens der jugendlichen Gaststättenbesucher außerhalb des Hofes auf der angrenzenden Bergstraße bald Probleme mit der Nachbarschaft, die Marianne Zeiss sich bemühte zu entschärfen. Nach drei bis vier Jahren flaute jedoch ohnehin der Andrang der Jugendlichen ab, da inzwischen in Nachbarorten (Wörsdorf, Bad Camberg) Treffpunkte existierten. Der Betrieb der kleinen Gaststätte, der von Marianne Zeiss auch zeitweilig verpachtet worden war, lief noch einige Zeit für wenige Stammgäste weiter. Probleme gab es aber ab 1995 nicht mehr. Im Jahr 2000 wurde der Betrieb der Gaststätte eingestellt und der dafür genutzte Gebäudeteil zum Büro umfunktioniert, in dem Marianne Zeiss sich um alle für die Werkstatt anfallenden Büroarbeiten kümmert. In diesem heutigen Büroraum, der mit einem gemütlichen Kachelofen ausgestattet ist, kann man noch eine Großaufnahme des alten Hohlschen Betriebs aus der Vogelperspektive sehen.
Isolde Buck
Viehtriften in Walsdorf
Für die diesjährige Frühjahrswanderung des Bürgervereins hatte der aktuelle Arbeitskreis das Thema: Viehtriften in Walsdorf im 18. und 19. Jahrhundert gewählt. Mit Viehtrift werden sowohl Viehweiden als auch Wege bezeichnet, die zu den Viehweiden führen. Grundlage für die Information der Teilnehmer waren eine Urkunde aus dem Jahre 1778 über die Teilung der von den Gemeinden Walsdorf und Steinfischbach gemeinschaftlich genutzten Waldbezirke östlich der heutigen B 8, die von dem Sprecher des historischen Arbeitskreises, Werner Janzing, aufbereiteten Flurkarten der ersten Vermessung der Walsdorfer Gemarkung aus dem Jahre 1788 und ein Inventarverzeichnis sämtlicher Vermögen der Gemeinde Walsdorf aus dem Jahre 1817.
Jahrhunderte lang wurden auch hier nicht nur Schafe und Ziegen auf die Weide getrieben, wie das noch heute z. T. der Fall ist, sondern auch Schweine und Rindvieh. Im Laufe des 19. Jahrhunderts trat jedoch ein grundlegender Wandel ein. Die Bauern gingen allmählich zur ganzjährigen Stallfütterung des Rindviehs und der Schweine über. Eine wesentliche Voraussetzung für diese Änderung hatte das Kulturedikt von 1812 geschaffen, das den Bauern erlaubte, ihr Brachland und ihre Wiesen ohne Rücksicht auf bestehende Weiderechte uneingeschränkt zu nutzen. Dieses Edikt ermöglichte den Übergang von der Dreifelderwirtschaft zur Fruchtfolgewirtschaft, d. h. die Brache verschwand allmählich und der Boden wurde in der Reihenfolge Hackfrucht (Rüben, Kartoffeln, Klee), Winterfrucht (Roggen, Weizen) und Sommerfrucht (Hafer, Gerste) genutzt. Der durch die Stallhaltung anfallende natürliche Dung und der allmählich in Gebrauch kommende Mineraldünger machte die ständige Nutzung der gesamten Anbaufläche möglich.
Der Wald als Viehweide
Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden wie allgemein in Deutschland auch hier große Teile des Waldes als Viehweide genutzt. Man bezeichnete diese Distrikte im Gegensatz zum Hochwald als Niederwald. Gras, Gebüsch und vereinzelt stehende Bäume gaben den als Viehweide genutzten Waldteilen das Gepräge. Wie es in Walsdorf zu Beginn des 19. Jahrhunderts aussah, ist dem Inventarverzeichnis sämtlicher Vermögen der Gemeinde von 1817 zu entnehmen. Rund die Hälfte des gesamten Waldbesitzes der Gemeinde wird darin als Niederwald bezeichnet. Es waren die Distrikte Loh 2, Heideberg, Laubach, Krumau, Hardt 2, Litzelbach und die Heide, d. h. der weitaus größte Teil des Waldes östlich der B 8 war Niederwald. Als Hochwald werden Bürgerwald 3 + 4, Loh 1 und Hardt 1 angegeben. Wie groß der Unterschied zwischen Hoch- und Niederwald war, kann man an dem angegebenen Steuerkapital ablesen. Für die 292 Morgen Niederwald betrug es 725 Gulden, für die 284 Morgen Hochwald rund viermal soviel, nämlich 3161 Gulden.
Das Inventarverzeichnis enthält auch einen Hinweis darauf, dass man begonnen hatte, die Weideflächen im Wald zu reduzieren. „ 17 Morgen der Viehtrift Heideberg sind bereits als Wald angelegt, was sukzessive fortgesetzt werden soll“, wird vermerkt und 1823 durch folgenden Nachtrag ergänzt: „Weitere 26 Morgen des Heidebergs wurden mit Nadelholz besamt.“
Sonstige Weideflächen
Neben dem Wald standen besonders der Schaf-, Holz- und Schmidtsgraben, sog. Drieschland wie der Watzacker neben dem ehemaligen Steinbruch hinterm Friedhof und sonstige Stücke unbrauchbaren Landes an verschiedenen Stellen der Gemarkung zur Verfügung. Dazu kamen die Wiesen nach der Heuernte und das Brachland und auch die Getreidefelder nach der Ernte, wie aus dem folgenden Eintrag im Walsdorfer Gerichtsbuch auf Seite 150 hervorgeht: „ Anno 1763 den 31 August, als noch Gerste im Escherwegfeld gebunden worden und das Vieh allesamt darin zum Weiden gegangen, hat Johann Philipp Conradi im Escherwegfeld einen Acker herumgestürzt, welches dem Vieh die Weid benommen.“
Viehtriften im 18. und 19. Jahrhundert
Die Viehweiden auf gemeindeeignen Flächen wie auch die als Viehtriften benutzten Wege sind sowohl auf den Flurkarten, die bei der ersten Vermessung der Gemarkung 1788 angelegt wurden, wie auch in dem Inventarverzeichnis von 1817 verzeichnet. In dem folgenden Kartenausschnitt sind sie gepunktet markiert.
Im Gefolge des Kulturedikts von 1812, das den Grundbesitzern die uneingeschränkte Nutzung ihrer Grundstücke ohne Rücksicht auf bestehende Weiderechte ermöglichte, mussten auch die Weiderechte, die einzelne Gemeinden in den Gemarkungen anderer Gemeinden hatten und die auf altem Herkommen beruhten, überprüft und neu geregelt werden. So konnten z. B. die sog. Blumenweide in der Escher Gemarkung mit Vieh aus Walsdorf betrieben werden, so oft das Feld unbesamt war, oder in die Blumenweide auf der Wörsdorfer Heide jeden Montag und Donnerstag die Walsdorfer Schafe eingetrieben werden. Im Gegenzug hatte die Gemeinde Esch Weidgerechtigkeit in den Walsdorfer Gemarkungsteilen Stockwiese und Escher Mühle. Wörsdorf hatte Weidgerechtigkeit im Walsdorfer Feld.
Zur Vermeidung von „öfter entstandenen Irrungen und Unzuträglichkeiten und zur Beförderung der Feldökonomie“, wie es im Vergleichsprotokoll zwischen Walsdorf und Esch aus dem Jahre 1821 heißt, wurde die jeweilige Weidgerechtigkeit in der anderen Gemarkung getauscht oder finanziell abgelöst, so dass hinfort „ jede Gemeinde mit ihren Viehherden jeder Art in ihren Gemarkungsgrenzen“ zu bleiben hatte.
Viehhaltung
Über die Viehhaltung in den beiden betrachteten Jahrhunderten gibt es nur spärliche Nachrichten. Die Angaben für das Jahr 1698 geben aber einen Anhaltspunkt, mit welchen Größenordnungen zu rechnen ist.
Damals wurden in Walsdorf von 47 Bürgern 39 Pferde, 231 Stück Rindvieh, 196 Schweine, 326 Schafe und 12 Ziegen gehalten. Durchschnittlich kamen also auf jeden Bürger rund 5 Stück Rindvieh, 4 Schweine und 7 Schafe. 1846 und 1847 meldete der Schultheiß 363 bzw. 371 Stück Rindvieh an das Herzogliche Amt in Idstein. 1835 wurden 124 Schweine zur Eichelmast in den Wald getrieben. Die Zahl der Schafe betrug in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rund 350.
Im Gewerbesteuerkataster, das für die Zeit von 1834 bis 1867 im Gemeindearchiv noch vorhanden ist, wird für die ganze Zeit ein Kuhhirt unter 6 Monaten, ein Schweinehirt ebenfalls unter 6 Monaten und ein Schäfer über 6 Monaten aufgeführt. Nach der Eingliederung Nassaus in Preußen wurde die Daten in der vorherigen Form nicht mehr erhoben. Die Spalten für diese Jahre sind in dem entsprechenden Exemplar nämlich noch frei.
Helmuth Leichtfuß