Bürgerbrief 22: September 1983

KREIS MÜLLDEPONIE

Planungen für eine zentrale Mülldeponie bei Walsdorf

Im letzten Bürgerbrief konnten wir nur kurz über die Planungen des Kreises zur Müllbeseitigung berichten. Der vorgesehene Platz liegt zwar politisch in der Gemarkung Wörsdorf, aber uns Walsdorfern können die langfristigen Planungen in unserer Nachbarschaft nicht gleichgültig sein. Befindet sich doch das Gelände im Anschluß an Walsdorfer Wälder (Loh, Bürgerwald), und sind wir doch durch das Färberbachtal direkt mit ihm verbunden. Um sich ein Urteil über diese Pläne bilden zu können, ist es notwendig, die Aussagen des VEDEWA-Gutachtens und des Landschaftsplanes der Stadt Idstein zu kennen.

Das VEDEWA-Gutachten

Da die weitere Ablagerung unseres Mülls im Dyckerhoffbruch der Stadt Wiesbaden unsicher ist, erteilte der Rheingau-Taunus-Kreis der Kommunalen Vereinigung für Wasser- und Abfallwirtschaft Stuttgart (VEDEWA) den Auftrag, mögliche Deponie-Standorte für Hausmüll und Siedlungsabfälle (Kategorie I) und nichtverwertbare Schlämme zu finden. Das Ergebnis legte sie am 17.9.1982 vor. In dem Gutachten versuchte sie, in mehreren Schritten den geeigneten Platz zu finden.

Ungeeignete Flächen

Ein Standort in ehemaligen Gruben und Steinbrüchen konnte aus den verschiedensten Gründen (Größe, Lage, Geologie) nicht gefunden werden. Daher mußte die Untersuchung auf die freie Landschaft ausgedehnt werden.

Zunächst wurden alle die Flächen ermittelt, die für eine Hausmülldeponie nicht oder nur bedingt infrage kommen. Dazu gehören:

bebaute und für Bebauung vorgesehene Flächen,
Wasserschutzgebiete und Überschwemmungsgebiete (Emsbachtal)
geologisch ungünstiger Untergrund (zur Verhinderung der Grundwasserverschmutzung muß die Deponie nach unten dicht sein. Künstliche Abdichtungen sollten nur eine zusätzliche Maßnahme sein.),
geschützte Gebiete durch Naturschutzrecht (Natur- und Landschaftsschutzgebiete; Naturpark, wozu fast der ganze Kreis gehört; Naturdenkmale),
Fremdenverkehrsgebiete,
Vorranggebiete für die Landwirtschaft,
Waldgebiete mit Klima-, Sicht-, Immissionsschutz-, Bodenschutz- und Erholungsfunktionen,
Flächen mit Bodenschätzen, regionale Grünzüge,
derzeitige und künftige Verkehrsflächen,
Flächen in der Nähe von Wohnungen (allgemein gilt heute als kritischer Bereich 800 m zwischen Deponierand und Wohngebiet bei ebener Fläche ohne Trennelement.).

Möglicherweise geeignete Flächen

Zeichnet man nun alle diese ungeeigneten Flächen in eine Karte ein, dann bleiben die Flächen übrig, die für eine weitere Untersuchung infrage kommen. Insgesamt sind es 41. Die Karte 1 zeigt sie für den Ostteil des Kreises.

Alle 41 Flächen wurden jetzt nach den schon genannten Kriterien näher untersucht. Hinzu traten als Gesichtspunkte u.a. Verkehrs- und Abwasseranschluß, Lage zum Müllschwerpunkt, Oberflächenwasser. Dabei ergab sich für 34 Gebiete die Beurteilung „voll negativ“.

In den endgültig qualifizierenden Eignungsvergleich wurden folgende Orte aufgenommen (von Westen nach Osten):

Karte 1: Mögliche Deponiestandorte

Nr. 6 a    Heidenrod-Langschied: Dickheck
Nr. 6 b    Heidenrod-Langschied: Dickheck/Ohren
Nr.12 b   Heidenrod-Huppert: Lahnerbachskopf
Nr. 14     Hohenstein-Breithardt: Wolfskaute
Nr. 16     Hohenstein-Holzhausen: Laubheck
Nr. 23     Hohenstein-Hambach: Römersberg
Nr. 39     Idstein-Wörsdorf: Knallbach

Die Schlußauswahl nach ökologischen Gesichtspunkten

In einem letzten Schritt wurden diese 7 Gebiete im Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit untersucht. Zunächst wurden dazu die Flächen unter zehn Gesichtspunkten betrachtet, für die jeweils Punkte verteilt wurden. Für den Standort im Wörsdorfer Loh am Färberbach (Walsdorfer Sprachgebrauch) bzw. Knallbach (Wörsdorfer Sprachgebrauch) wurde folgendes festgestellt (es folgen Zitate):

1. Der Abstand zur Wohnbebauung ist größer als 800 m. Im empfindlichen Bereich liegt das Gehöft Hohestraße (400 m).
2. Vom Standort in Richtung Walsdorf ist ein Tal (Knallbach) vorhanden, welches weit ist und keine großen Höhenunterschiede aufweist. Ein ausgeprägter Kaltluftabfluß wäre deshalb nicht zu befürchten. Außerdem sind Geruchsverteilungen auch in windschwachen Zeiten zu erwarten.
3. Durch die Verlegung der B 275 im Zuge der Ortsumfahrung von Idstein wird der derzeit stille Standort mit großer Wahrscheinlichkeit stärker durchlärmt werden als seither. Die Geräusche des landwirtschaftlichen Betriebes „Hohe Straße“ fallen nur unwesentlich ins Gewicht.
4. Neben den schwierigen großräumigen Verkehrsverbindungen könnte nahezu der gesamte Verkehr auf der derzeit im Bau befindlichen Umfahrung von Idstein (B 275) zum Standort fließen. Die Deponiezufahrt würde am Waldrand durch ein derzeit stilles Gebiet gebaut werden. Durch die Verlegung der B 275 wird jedoch dieses Waldstück stärker beschallt werden als seither.
5. Als Untergrund steht nahezu naturdichter Tonschiefer mit ausreichender Bodenauflage an. Nördlich liegt in ca. 800 m Entfernung zum möglichen Deponie-Standort ein Wasserschutzgebiet.
6. Das Einzugsgebiet für Oberflächenwasser ist gering (16 ha). Die Deponiefläche ist oberflächig zum Teil versumpft, was auf dichten Untergrund schließen läßt. Niederschlag ca. 750 mm/Jahr.
7. Die Deponiesohle kann im freien Gefälle entwässert werden. Die Ableitung ist nach Walsdorf im freien Gefälle mit einem ca. 2,5 km langen Kanal oder durch Pumpen nach Wörsdorf (ca. 1,7 km) möglich. (Kleine Transportentfernung bei Abfuhr des Sickerwassers).
8. Auf einem Quadratmeter können 11,5 Kubikmeter gelagert werden.
9.  Durch die im Bau befindliche Umgehung von Idstein wird der Erholungs- und Freizeitwert des Gebietes herabgesetzt. Die Durchlärmung des derzeit stillen Gebietes wird erhöht. Der derzeit vorhandene Rundwanderweg wird dadurch stark mit Lärm belegt. Nahegelegen sind ein unbewohntes Forsthaus und Fischteiche.
10. Die Standortfläche ist zu ca. 2/3 mit ökonomisch und ökologisch weniger wertvollen Nadelhölzern, zum Teil Aufforstungen, zu ca. 1/3 mit wertvollerem Mischwald (vor allem Laubwald) bewachsen.
Die hier vergebenen zehn Einzelpunktzahlen wurden dann zu einer einzigen Bewertungszahl zusammen gefaßt. Die Gutachter sahen hier eine gewisse Schwierigkeit, da die Zahlen nicht einfach zusammengerechnet werden können. Die einzelnen Gesichtspunkte werden je nach Standpunkt des Betrachters verschieden qewichtet, z.B. von einem Deponieanlieqer anders als von einem Ökologen.
Es wurden vier verschiedene Gewichtungen vorgenommen, und trotzdem ergab sich bei diesen vier verschiedenen Berechnungsmethoden immer die gleiche Reihenfolge. Von 100 möglichen Punkten (= sehr geeignet für Deponie) erhielten im Durchschnitt:

Heidenrod/Dickechied     76,7 Punkte
Hohenstein/Wolfskaute    74,4 „
Idstein/Knallbach             72,9 „
Unter ökologischem Blickwinkel kamen diese Standorte auf die ersten Plätze.
Mit großem Abstand folgen die restlichen vier Standorte:
Nr. 16 – 69,9 Punkte,
Nr. 23 – 68,8 Punkte,
Nr. 6 b – 67,9 Punkte,
Nr. 12 b – 64,1 Punkte.

Die Schlußauswahl nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten

Im Kreis fallen z. Zt. jährlich 64.280 t = 256.000 m3 Müll an. Es liefern der Rheingau 24.400 t, Taunusstein 14.200 t, Idstein 8.660 t. Unsere Stadt liegt damit an 2. Stelle bei der Müllerzeugung im Kreis.

Das Gutachten untersucht abschließend die Kosten für eine oder zwei Deponien. Sollten zwei Plätze eingerichtet werden, wäre die Kombination von Heidenrod und Idstein am wirtschaftlichsten. Berücksichtigt wurden nur die drei nach ökologischen Kriterien am höchsten bewerteten Standorte.
Für Idstein ergeben sich

– Investitionskosten für bauliche Maßnahmen : DM 1.718.100
–              “                    maschinelle Anlagen : DM    520.000
– Kapitalkosten für bauliche Maßnahmen jährl.: DM    750.193
–              “              maschinelle Anlagen    „: DM      99.892
– Personalkosten für 4 Arbeitskräfte           “ : DM    205.000
– Betriebs- und Unterhaltungskosten           “ : DM    646.500

(darin: DM 160.000 Auffüllgebühren statt Grunderwerbskosten).

Daraus ergibt sich, daß in Idstein die Deponierungskosten DM 26,47 pro Tonne betragen. Ausgegangen wird von einer Nutzungsdauer von 30 Jahren und der Ablagerung von 2.796.000 m = 1.957.200 t Müll auf 23,9 ha Land.

Die Karte 2 zeigt die mögliche Gestaltung des Müllberges, der an seinem höchsten Punkt 40 m über dem jetzigen Niveau liegen würde.

Zu den Deponierungskosten von DM 26,47 sind die Transportkosten von DM 25,52 hinzuzurechnen, so daß die Ablagerung von 1 t Müll in Idstein DM 51,99 kosten wird. Für Hohenstein wurden DM 50,99 und für Heidenrod DM 54,42 errechnet. Bei zwei Deponien, in Heidenrod und Idstein, sollen die Kosten DM 55,01 betragen.

Bei Gesamtkosten für die Abfallbeseitigung – einschließlich der Sammlung – von weit über DM 100,– pro Tonne hält das Gutachten den Unterschied von ca. DM 4,– zwischen den Standorten nicht für sehr ausschlaggebend. Die Kosten haben demnach keinen Einfluß auf die Reihenfolge der Eignung der Standorte.

Ergebnis

Das Gutachten hält alle drei Standorte für geeignet und sieht keine gravierenden Nachteile bei einem von ihnen. Heidenrod hat den Vorteil, daß der Platz ca. 45 Jahre genutzt werden kann. Zwei Deponien werden sich wegen der hohen Baukosten schwer realisieren lassen.

Die Gutachter entschieden sich für die „Fläche mit der geringsten Umweltqualität“: Heidenrod/Dickheck. Sie betonen aber, daß langfristig die Standorte Hohenstein und Idstein für die Abfallbeseitigung gesichert werden sollen.

Ausblick

Den Gutachtern war aufgetragen worden, einen Platz für unseren Müll zu finden. Er wird unabhängig davon anfallen, wie wir ihn vor der Deponierung behandeln (Verbrennung, Kompostierung, Wiederverwendung) Da verhältnismäßig viel Müll im Rheingau anfällt, der weit transportiert werden muß, raten sie dazu, sich über eine Verringerung des Mülls Gedanken zu machen.

Der Landschaftsplan

Bevor der Flächennutzungsplan der Stadt Idstein (siehe Bürgerbrief 12/1981) in Kraft treten kann, muß ein Landschaftsplan aufgestellt werden. Er formuliert die Absichten der Stadt zur weiteren Siedlungsentwicklung und Gestaltung der Landschaft. So stellt er die Grundlage für alles weitere städtebauliche Planen dar. Der Entwurf ist jetzt vom Magistrat den politischen Gremien zur Diskussion vorgelegt worden. Für die Mülldeponie formuliert er im Teil „Wörsdorf“ folgendes:

Flächen für Entsorgung

Seitens des Rheingau-Taunus-Kreises ist eine Erddeponie (*) im Wald östlich der ‚Hohen Straße‘ vorgesehen. Der Standort wurde nachrichtlich in den Landschaftsplan aufgenommen. Konkrete Planungen hierzu existieren noch nicht, mit einer Realisierung ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Bei Einrichtung der Deponie, die in jedem Falle einen Eingriff in das Landschaftsbild darstellt, empfiehlt sich aus landschaftspflegerischen Gründen im Hinblick auf die Bedeutung des Gebietes als Erholungsraum (Naturpark Rhein-Taunus) die Erhaltung eines mindestens 50 m breiten Waldstreifens als Sichtschutz zur freien Landschaft.“

* Anmerkung: Das VEDEWA-Gutachten spricht nicht von einer Erddeponie, sondern von einer Hausmülldeponie.

Gerhard Buck

Frondienste
Walsdorfs Befreiung von Frondiensten für denGrafen

Am Freitag, dem 18. Juli 1727, beschwerten sich Abgesandte aus Ehrenbach, Görsroth, Strinz-Margarethä und Bechtheim bei der Verwaltung Idstein, daß sie in der vergangenen Woche 5 Tage bei Hahn auf der Jagd liegen mußten. Sie konnten deswegen kein Heu machen und kein Korn schneiden. Doch nicht nur mit ihrer eigenen Feldarbeit blieben sie „gewaltig zurück“, auch die Frondefahrten, zu denen sie in dieser Zeit ebenfalls verpflichtet waren, blieben ungetan. Sie hätten Hafer nach Biebrich und (Holz-)Kohle zu einer (Eisen-) Schmelze fahren müssen. Da wegen der unterlassenen Zulieferung ein Ofen ausgegangen war, sprach nun die zuständige Rentkammer von Bestrafung.

Die Amtsverwaltung hatte ein Einsehen und half den frondepflichtigen Untertanen aus der Zwickmühle, die durch die an sich berechtigten Forderungen der verschiedenen Behörden entstanden war. Der Oberforstmeister wurde angewiesen, die Leute „so viel möglich bey dieser kostbahren Erndte Zeit aber gäntzlich und durchauß zu verschonen“. – (1) –

Diese kurze Protokollnotiz macht deutlich, zu welchen Diensten die Bauern in früheren Zeiten verpflichtet waren (Hand- und Spanndienste), wie schwer sie ihnen oft fielen und wie sie bei der Durchführung auf die Gnade der herrschaftlichen Verwaltung angewiesen waren.
Bei den Freiflecken der Grafschaft Nassau-Idstein war die Lage ganz anders. Da ihnen „eine ewige Freiheit“ versprochen worden war, waren sie zur Leistung von Arbeit für den gräflichen Hof nicht verpflichtet. Durch eine Beschreibung der Verpflichtungen der unfreien Orte wird deutlich, wieweit die Vorrechte der freien gingen.

Als das neugegründete Herzogtum Nassau daranging, das mittelalterliche Abgaben- und Dienstleistungssystem durch ein modernes Steuersystem zu ersetzen, verfaßte 1811 die Rentei Idstein für die Hofkammer in Wiesbaden einen Bericht über die Frondienste in den aus der Leibeigenschaft entlassenen orten ihres Amtes. – (2) –

Die Fronde rührte von der Leibeigenschaft her und bestand in „determinierter“ (genau festgelegter) und „indeterminierter“ (nicht genau festgelegter) Fronde.

Die determinierten Fronden bestanden zum einen in der Erntefronde für die Herrschaft. Einige Orte hatten sie 1811 schon in eine Geldzahlung umgewandelt. Zum anderen bestanden sie im „Hofdienst“. Jedes Kind eines leibeigenen Untertanen war verpflichtet, ein Jahr lang Knechts- oder Magddienste auf einem der herrschaftlichen Höfe gegen einen „mäßigen Lohn“ zu tun. Dieser Hofdienst war vor 1811 in eine Geldzahlung umgewandelt worden. Mit 17 Jahren hatte ein Sohn 1 1/2 und eine Tochter 1 fl. zu zahlen. Von diesen Abgaben waren jedoch die Kinder derjenigen befreit, „denen gesetzlich oder aus gewissen Gründen die personal Freyheit zugestanden ist“. Gleiches galt für die Söhne, die ein Handwerk erlernten.

Einen gewissen Eindruck von der Größe des Oberamts Idstein erhält man, wenn man liest, daß 1810 lediglich 55 fl. Hofdienstgelder eingenommen wurden.

Die indeterminierten Fronden richteten sich nach den jeweiligen herrschaftlichen Bedürfnissen und wurden von der Frondeschreiberei angeordnet. Vor 1721, als Idstein noch Residenz war, waren die Fronden, vor allem die „ungemessenen“, weit häufiger als 1811. Die Verwaltung, die gewöhnlich einer Militärperson oder einem Landmajor übertragen war, hatte viel Beschäftigung. Speziell für die Frondeleute wurde Bier gebraut und Brot gebacken.

Im 16. Jh., 1653 und 1691 wurden Vergleiche abgeschlossen, „durch welche vorhin berichtete unendliche, ebenfalls in gewissere und bestimmte Fronden“ für einebestimmte Gegenleistung verwandelt wurden. Die Orte hatten jetzt „Dienstabgaben“ in Form von Geld, Hafer, Heu und Holz zu liefern.

Nach diesen Verträgen hatte jeder im Oberamt Idstein bespannte Untertan jährlich 3 große Fahrten zu 6 Stunden oder, wenn über Nacht ausgeblieben wurde, 3 mittlere zu 4 Stunden und 3 kleine von 1 bis 3 Stunden zu verrichten. Bei Erntefronde erhielt der Leibeigene 1 Pfund Brot und 1/2 Maß in natura. Bei Fahrten im Oberamt Idstein erhielt er 3 Kreuzer, bei solchen in ein anderes 8. Hei einer Übernachtung gab es 4 Kreuzer Stallgeld. Wer kein Gespann hatte, mußte 9 Tage Handarbeit beim „Bauwesen“ oder woanders leisten und erhielt 3 Kreuzer.

Mit all diesen Arbeiten, Zahlungen und Lieferungen hatten die Frei­flecken nichts zu tun. Aber auch sie konnten zur Arbeit herangezogen werden, wobei jedoch der Amtmann zu Idstein jedesmal einen besonderen Stil für seinen Brief wählen mußte.

Als 1615 das Idstelner Schloß neu gebaut wurde, fühlten sich Walsdorf und Heftrich stärker mit Baufuhren belastet als Idstein. Zu Beginn ihres Protestschreibens stellten sie fest, daß „hiebevorn uff gnediges gesinnen und bittliches begehren unserer gnädigen Herrschafft und dero Herrn Beambten, uff zutragende nohtfehll (Not­fälle), auß unterthenigem, freyen, guten willen ohne schuldige Pflicht bisweylen eine nohtfahrt nicht abgeschlagen, sondern gut und freywillig, wie noch gern, geleistet worden“ sei. Am Ende wird noch einmal betont, daß wegen der alten Freiheiten die Freiflecken nur zu freiwilligen Leistungen auf Grund einer besonderen Bitte bereit waren. Es sollte sich immer nur um einen Sonderfall ohne Präzedenzcharakter handeln. – (3) –

Bemerkenswert ist, mit wievielen Begriffen das Bitten des Hofes und die Freiwilligkeit der Freiflecken ausgedrückt wird.

Als 1633 wieder Hilfe beim Schloßbau nötig war, ersuchte“ der Amtmann den Flecken Walsdorf, zwei Wagen für den Holztransport zu schicken. Er fügte hinzu, der gnädige Herr werde sich auf igendeine Weise für diese Hilfe erkenntlich zeigen. Mit fast dem gleichen Text erbat sich der Graf 1666 Hilfe beim Zackerfahren auf dem Gassenbacher Hof. – (4) –

Diese Briefe aus Idstein wurden sorgfältig aufgehoben, da sie eine gute Interpretation der in den Freiheitsbriefen nur allgemein formulierten Freiheitsrechte darstellten. Außerdem war man aus schlechter Erfahrung mißtrauisch. Zu leicht konnte aus einer freiwilligen Leistung ein Gewohnheitsrecht zu Lasten der Gemeinde werden.

Besonders die Gemeinde Heftrich hatte diese Bittschreiben aus Idstein sorgfältig aufbewahrt und konnte 1828 noch 11 Briefe aus dem 17. Jahrhundert vorlegen, in denen Heftrich und die anderen Frei flecken „ersucht“ werden, Holz zu transportieren oder zu liefern. Vor allem an Brennholz scheint immer ziemlicher Mangel am Hofe geherrscht zu haben.

Fast immer wurde die Formel gebraucht, daß dieser Dienst die Freiheit des Ortes nicht einschränken sollte: „Solches wird zu einigem Nachtheile Ihrer habenden Freyheit nicht gereichen“, „soll es auch hiernechst zu keinem Nachtheil und Consequenz gezogen werden“, „Ihrer Freyheit ohnabbrüchig.“ – (5) –

Doch trotz aller Versicherungen der gräflichen Verwaltung und der Vorsicht der Bürger gelang dennoch die Einführung neuer Abgaben und Leistungen, wie später einmal dargestellt werden soll.

Neben diesen freiwilligen Hand- und Spanndiensten für den gräflichen Hof gab es noch die Verpflichtung aller Bürger, in Walsdorf für Walsdorf Gemeindearbeiten auszuführen. Diese Gemeindefron bestand bis in die Mitte der 50er Jahre und bedarf eines eigenen Artikels.

Anmerkungen:
(1) HStAW 131 XIXa, 52
(2) ebd. 250/13 Nr. 8
(3) ebd. 133 Urk. 188
(4) ebd. 133 VIII d, 9
(5) ebd. 211/14478

Gerhard Buck

Büchsenmacher

5 Generationen Büchsenmacher

Bis zum ersten Weltkrieg machte ein Schild mit 2 gekreuzten Gewehren und zwei Pistolen, wie auf einer alten Fotografie zu sehen ist, am Hause Ecke Idsteiner Straße/Taunusstraße (neben der Filiale Diel) darauf aufmerksam, daß hier der Büchsenmacher Reinhard Bind (1875 – 1926) seine Werkstatt hatte. Er betrieb dieses Handwerk in der fünften Generation. Johann Philipp Bind (1740 – 1809) hatte es als erster erlernt und sich selbständig gemacht. Die Geschäftsbücher von Reinhard Bind und seinem Vater Philipp Theodor sind noch im Besitz von Herrn Karl Bind, der sie mir freundlicherweise zur Auswertung überließ. Sie geben einen interessanten Einblick in die Arbeit der beiden letzten Büchsenmacher.

Die Handwerksmeister machten verschiedene Arten von Jagdgewehren, Flinten und Gewehre für Schützenvereine. Sie reparierten und überholten alle Arten von Waffen, änderten sie um und schossen sie auch ein. Daneben verkauften sie Pulver, Patronen, Patronenhülsen, Futterale und sonstigen Bedarf für die Schützen. Gelegentlich haben sie für Walsdorfer Bürger auch andere Reparaturen ausgeführt, wie die nachstehenden Eintragungen ausweisen: „Ein Hobeleisen geliefert, 1 Kessel repariert, 1 Schepper gelöth, Brille repariert, Pfeifendeckel repariert.“

Die Kunden der Büchsenmacher wohnten weit verstreut im Umkreis. Limburg, Villmar, Grävenwiesbach, Reifenberg, Schloßborn, Nordenstadt, Limbach, Ketternschwalbach, Kirberg, Oberneisen umschreiben etwa das Einzugsgebiet. Insgesamt sind Auftraggeber aus 45 Orten verzeichnet.

Im Jahre 1876 – das Jahr ist willkürlich herausgegriffen – verkaufte bzw. tauschte Theodor Bind Waffen im Wert von 376 Mark und nahm für Reparaturen, Pulver und sonstiges 57 Mark ein. Das entsprach im Jahre 1876 dem Gegenwert von 5 Rindern (ä 85 Mark) oder 10 Schweinen á 1 Mark). Für diese Preise hat er Vieh im gleichen Jahr verkauft.

Daß das Geld damals knapp war, wird daran deutlich, daß bei dem Verkauf eines Gewehres regelmäßig zwei oder drei Zahlungstermine vereinbart wurden. Die Laufzeit betrug bis zu einem Jahr. Mehrfach wurde auch Ware gegen Ware getauscht. So ist verzeichnet, daß er 5 Schoppen Schnaps von einem Kunden in Dauborn, Blutwurst und Fleischmagen, ein Paar Hosenträger, geschälte Gerste oder einen Hasen in Zahlung nahm.

Helmuth Leichtfuß

Aushaltszettel für Theodor Bind Eheleute

Vorbemerkung: Die Bauern und Handwerksleute hatten bis zum zweiten Weltkrieg in der Regel keine gesetzliche oder freiwillige Altersversorgung. Wenn sie ihr Eigentum im Alter an ihre Kinder übergaben, behielten sie sich ihren sog. Aushalt. Der Aushaltszettel der Eheleute Theodor Bind aus der Zeit von ungefähr 1907 hatte folgenden Wortlaut und wird mit der freundlichen Genehmigung von Herrn Karl Bind nachfolgend ausgedruckt.

„Nachdem wir unser ganzes Vermögen an unsere Kinder abgegeben haben, verpflichten sich diese, auch alle Schulden und Lasten zu übernehmen, welche noch vorhanden sind, und zur Unterstützung der Eltern alljährlich einen Aushalt von 50 Mark barem Geld gerechnet, [das] ein jedes Kind auf Weihnachten jeden Jahres zu entrichten hat. Weiter halten sich die Eltern von allen Grundstücken, worauf Bäume stehen, den vierten Teil von dem Obst aus. Sollte eins oder das andere von den Kindern sein Land verkaufen wollen, müssen für die Eltern ein Tausend Mark sicher gestellt werden für den jährlichen Aushalt.

Bei dem Hausübernehmer Reinhard Bind halten sich die Eltern noch weiter aus wie folgt: Die vorderste Stube im zweiten Stock und die vorderste Kammer nach dem Hof zu haben die Eltern zu lebenslänglichen Wohnsitz. Der nötige Raum, welchen die Eltern gebrauchen, sei es im Hof, auf dem Speicher, im Keller, in der Scheune oder im Kuhstall muß ihnen gewährt werden. Wollen wir uns ein Schwein halten, so muß uns der neue Schweinestall unter dem Schuppen zur Verfügung stehen. Der Küchenschrank ist noch unser und bleibt in der Küche stehen solange wir leben, und das Kochen im Ofen und Herd muß uns gestattet sein, der Sessel kann in der Wohnstube am Ofen stehen und das Wärmen am Ofen ist uns nicht gewehrt. Das Holz zum Kochen und Wärmen muß der Hausübernehmer stellen, im Fall ich nicht die Mittel hätte, solches zu kaufen.

Die ledige Tochter Karoline hat, solange sie ledig ist, den ungehinderten Aus- und Eingang im Haus und im Fall sie krank werden sollte, kann sie bei den Eltern im Bett liegen. Solang sie ledig ist, können ihre Möbel im Haus stehen bleiben und der Hausübernehmer muß ihr dafür den nöthigen Platz gewähren.“

TERMINE

3.9.

Gemüt1icher Abend (nur für Mitglieder des Bürgervereine)
Wir treffen uns ab 19.30 Uhr auf dem Grillplatz.
Wie gewohnt sorgt der Verein für Speisen und Getränke.
Gläser bitte mitbringen!
Der Vorstand lädt besonders herzlich alle neuen Mitglieder ein.
(Achtung: Dia Veranstaltung wurde eine Woche vorverlegt!)

15.10.

Pf1anzaktion

Auf dem Grillplatz soll zur Erinnerung an
„625 Jahre Stadtrechte für Walsdorf“
ein Baum gepflanzt werden.
Wenn genügend Helfer kommen, werden wir
die Hecke um den Platz vervollständigen.
Jeder ist willkommen!
Treffzeit: 9.30 Uhr.

29.10.

Jahreshauptversamm1ung um 20.00 Uhr
im Gasthaus „Zur Traube“

19.11.

Historische Ausstellung

aus Anlaß des Jubiläums „625 Jahre Stadtrechte“.
Urkunden, Dokumente, Karten, Fotos und Skizzen
sollen Walsdorfs Zeit als Freiflecken veranschaulichen.
Diese Ausstellung in der alten Schule soll auch an den
folgenden Wochenenden geöffnet sein.

Verantwortlich:
Gerhard Buck