Landtagswahl
Betrachtungen zu den Walsdorfer Ergebnissen
Zunächst die Ergebnisse der Landtagswahlen vom 26.9.1982 und vom
25.9.1983: | 1982 | 1983 | ||
Wahlberechtigte: | 1028 | 1047 | ||
Wähler (ohne Wahlschein) | 847 | 82,4 % | 803 | 76,7 % |
Stimmanteil CDU | 392 | 46,3 8 | 325 | 40,5 % |
SPD | 362 | 42,7 % | 371 | 46,2 % |
FDP | 36 | 4,3 % | 63 | 7,8 % |
Grüne | 47 | 5,5 % | 36 | 4,4 % |
EAP | 3 | 0,4 % | 1 | 0,1 % |
ungültig | 8 | 0,9 % | 7 | 0,9 % |
Eine Analyse des Wahlergebnisses zeigt, daß sich der Landestrend auch im Walsdorfer Ergebnis spiegelt. Es ist immer wieder erstaunlich, daß so viele Menschen unabhängig voneinander gleich oder ähnlich reagieren. Von den Wahlveranstaltungen der CDU und SPD wurden in Walsdorf nur relativ wenig Wähler erfaßt. Daß die Rundfunk- und Fernsehwerbung der Parteien sehr argumentativ gewesen sei, kann man nicht behaupten. Am ehesten ist noch zu vermuten, daß das Wahlverhalten eine Reaktion auf die Entscheidungen der Parteien in wichtigen Fragen, die die Bürger betreffen, ist.
Wenn man davon ausgeht, daß diese Vermutung stimmt, kann man wohl folgende Schlüsse ziehen:
die CDU verlor hauptsächlich Wähler, die mit der Bonner Sozialpolitik nicht einverstanden waren. Die geringere Wahlbeteiligung ging eindeutig zu ihren Lasten; sie gab aber auch Stimmen an die FDP ab.
Die SPD konnte ihre Wähler weitgehend halten und gewann geringfügig von der CDU und den Grünen.
Die FDP hat sich von den Folgen des Regierungswechsels in Bonn anscheinend wieder erholt. Sie gewann eindeutig Stimmen von der CDU. Diese Wähler zweifelten daran, daß die CDU alleine eine regierungsfähige Mehrheit erreichen könnte und wollten, daß beide Parteien zusammen die Regierung stellen sollten und die FDP auch in Wiesbaden eine Korrekturfunktion gegenüber der CDU übernehmen soll.
Die Grünen verloren Stimmen, weil ein Teil ihrer Wähler von 82 weder ihre Parlamentsarbeit noch das spektakuläre Auftreten einzelner in der Öffentlichkeit billigten.
Helmuth Leichtfuß
625 JAHRE STADT UND FREIFLECKEN
1358
1983
STIFTUNGEN DES BÜRGERVEREINS
Eine Eiche zur Erinnerung
Um dieses Ereignis in der Erinnerung festzuhalten, hat der Bürgerverein eine Roteiche gekauft und am Montag, dem 28.11.1983 auf dem Grillplatz eingepflanzt. Sie ist bereits 7,70 m groß und 20 Jahre alt.
Ein neues Buch über Wa1sdorf
Einen erheblichen Zuschuß bewilligte der Bürgerverein zu dem aus Anlaß des Jubiläums erschienenen Buch seines Vorsitzenden über „Walsdorfs Freiheitsrechte“. So konnte das Manuskript in einer ansprechenden Form veröffentlicht und der Preis trotz der geringen Auflage erschwinglich gehalten werden.
Mit diesen beiden Stiftungen gibt der Bürgerverein den Walsdorfern den bei den Gassenfesten erwirtschafteten Überschuß zurück.
4. Ausstellung
Der Magistrat der Stadt Idstein hat uns gebeten, unsere Fotos und Karten der Ausstellungen 1982 und 1983 bei seinem Neujahrsempfang 1984 zu zeigen. So besteht also noch einmal die Möglichkeit, diese inzwischen recht umfangreiche Sammlung zu besichtigen. Die Stadt ergänzt sie mit Material zur Dorferneuerung.
6. – 9. Januar 1984 : Rittersaal Idstein
Die obige Abbildung ist die älteste Darstellung des Ortes: 1701.
Bei Brand nicht 112!
In letzter Zeit gab es öfters Schwierigkeiten, weil versucht wurde, über die Nummer 112 die Walsdorfer Feuerwehr zu benachrichtigen. Da wir aber zum Camberqer Telefonnetz gehören, landet dieser Anruf an der falschen Stelle. Es ist daher unbedingt notwendig, die folgenden Nummern am Telefon zu notieren. Nur sie garantieren im Notfall schnelle Hilfe:
06434 / 6838 Wehrführer Werner Leichtfuß, Untergasse 50
16434 / 6223 Stellvertr. Wehrführer Hartmut März, Junkerstr. 3
Die Alarmierung kann auch erfolgen über die Feuermelder am ehemaligen Rathaus (Obergasse) und am Feuerwehrgerätehaus (Taunusstr.).
Auch die Polizei Idstein alarmiert die Feuerwehr: 06126 / 4095 – 96.
Hingewiesen werden soll auch auf folgende Nummer:
Ärztlicher Nacht- und Sonntagsdienst und Krankenwagen-Zentrale
im Feuerwehrstützpunkt Idstein: 06126 / 3233.
Werner Leichtfuß
Auswanderer
Auswanderer aus Walsdorf in Amerika und auch in Deutschland wurde in diesem Jahr in zahlreichen Veranstaltungen an die ersten Auswanderer aus Krefeld nach den Vereinigten Staaten vor 300 Jahren erinnert. Sie waren die ersten von vielen, die in den folgenden Jahrhunderten aus wirtschaftlichen, religiösen oder politischen Gründen ihre Heimat verließen. Unter ihnen waren auch immer wieder Menschen aus dem Nassauer Land. Besonders in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte hier eine große Auswanderungswelle eingesetzt. Jährlich verließen etwa 2 bis 3000 Menschen das Herzogtum. Insgesamt betrug die Zahl der Auswanderer zwischen 1845 und 1854 25.OOO Menschen; das waren ungefähr 5 % der gesamten Bevölkerung. Hauptsächlich waren es die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse – 1845 hatte die Kartoffelkrankheit ihren Höhepunkt erreicht -, die viele Bewohner vom Westerwald, aus dem Rheingau und Taunus zum Verlassen der Heimat trieben. (Vergl. Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Nassauer Raumes von 1816 – 1864, S. 111).
Die meisten Auswanderer aus Nassau gingen nach Nordamerika. Ein Teil wandte sich aber auch nach Australien. Unter ihnen waren auch die beiden Walsdorfer Heinrich Scheurer und Jacob Schmidt. Beide hatten im Jahre 1856 um eine Unterstützung aus der Gemeindekasse angesucht, damit sie nach Südaustralien auswandern könnten. 40 Gulden wurden jedem der beiden vom Gemeinderat bewilligt.
Nach Nordamerika gingen in dieser Zeit 5 Personen, soweit ich es aus Eintragungen in den Beschlußbüchern des Gemeinderates, den Kirchenbüchern oder der Pfarr- und Schulchronik entnehmen konnte. Es waren Mordche und Feist Löwenstein, Philipp Peter Friedrich Hedwig, Peter Keller und sein Vater gleichen Namens von der Morcher Mühle. Phil. Peter Friedrich Hedwig verstarb jedoch schon am 7.6.1855 zu Fayettville in the country of St. Clair im Staat St. Illinois im Alter von 20 Jahren. Mordche und Feist Löwenstein, die in Amerika ihren Namen in Livingston änderten, kamen drüben zu großem Reichtum und kehrten später nach Deutschland zurück. Marc Livingston vermachte der Gemeinde eine Stiftung von 50.000 Mark. Über das weitere Schicksal der beiden Kellers ist mir nicht. bekannt.
Von der Verabschiedung des jungen Peter Keller im September 1857 haben wir in der handgeschriebenen Chronik des Pfarrers Adolf Deißmann einen ausführlichen Bericht, der einen lebendigen Eindruck von dem Wagnis und der Endgültigkeit eines solchen Unter-nehmens in der Mitte des 19. Jahrhunderts vermittelt. Pfarrer Deißmann schreibt:
„Im September 1857 wanderte ein in der Gemeinde geachteter und geliebter Bursche, Peter Keller von der Morcher Mühle, nach Amerika aus, wohin ihm schon andere Verwandte vorausgegangen waren. Am letzten Sonntag seines Hierseins feierte er vor der ganzen Gemeinde an dem Altar, an welchem er getauft und konfirmiert worden war, noch einmal das hl. Abendmahl. Es war am 13. Sonntag n. Trin. Nachdem ich aufgrund der Worte Hebr. 13, 14: Wir haben hier keine bleibende Statt … über die himmlische Heimat geredet und nur im allgemeinen auf den vorliegenden Fall Rücksicht genommen hatte, stimmte die Gemeinde das Lied an: Befiehl du deine Wege … Darauf folgte am Altar eine Ansprache an den im zweiten Verse vorgetretenen Auswanderer über das Wort des Tobias an seinen Sohn: „Lieber Sohn, ein Leben lang habe Gott vor Augen und im Herzen und hüte dich, daß du in keine Sünde eingehst noch tust wider Gottes Gebot. Und bete allezeit zu Gott, daß er dich regiere und du in allem deinem Vornehmen seinen Worten folgst.“ Unmittelbar an die Rede schloß sich die Feier des hl. Abendmahls, wozu ich die Beichte vor dem Gottesdienst in meinem Zimmer gehalten hatte. Während der Auswanderer communicierte, sang die Gemeinde den ersten Vers des Liedes: Wenn alle untreu werden, so bleib ich dir doch treu. Hierauf folgte eine nochmalige Ansprache: Sei getreu bis in den Tod … nebst Gebet. Der Auswanderer trat dann vom Altar wieder ab und die Gemeinde sang von dem Lied: Ach bleib mit deiner Gnade den 5. u. 6. Vers, worauf der Segen den Gottesdienst beschloß. Zwei Tage darauf verließ der Auswanderer die Gemeinde und kam glücklich in Amerika an. Der Herr sei auch ferner mit ihm und halte ihm die himmlische Heimat stets frisch im Herzen. (Handgeschriebene Chronik S. 313 f).
Helmuth Leichtfuß
Brauchtum in Walsdorf
Der Große Brockhaus erklärt den Brauch als „eine von einer Gemeinschaft geforderte und meist durch Tradition festgelegte Verhaltensund Handlungsform bei immer wiederkehrenden Anlässen im Ablauf des Jahres, der Woche, des Tages und im Menschenleben, von der Geburt bis zum Tod.“ In Anlehnung an diese Erklärung soll zunächst von Bräuchen im Ablauf des Jahres berichtet werden, wie sie in unserem Jahrhundert in Walsdorf noch lebendig waren oder neu entstanden sind.
Das NEUE JAHR wurde von den Kirchenglocken eingeläutet, mit Böllerschüssen begrüßt und in den 20- und 30er Jahren und auch noch für eine kurze Zeit nach dem 2. Weltkrieg vom Walsdorfer Posaunenchor angeblasen. In der Sylvesternacht und am Neujahrstag begrüßte man sich wie jetzt auch noch mit „Prosit Neujahr“. Sylvester wurde bis zum 2. Weltkrieg und auch noch kurz danach von den Jugendlichen fast ausschließlich privat in den Spinnstuben gefeiert. Das Hauptgetränk war der Grog. Bei Anbruch des Neuen Jahres zogen alle Spinnstuben-Gesellschaften singend und untergehakt durchs Dorf. „Steh ich in finstrer Mitternacht-“ war das beliebteste und meistgesungene Neujahrslied. Man besuchte sich gegenseitig in den Spinnstuben und war im allgemeinen auf eine lange Nacht eingestellt.
In den 30er Jahren gab es bei den Kindern noch den Brauch, daß sie ihren Großeltern oder guten Bekannten das Neue Jahr abwünschten; d. h. sie mußten möglichst leise und unbemerkt erscheinen und als erste Prosit Neujahr rufen. Gelang ihnen das, bekamen sie ihr „Neujahrstück“ (Geld).
FASSENACHT wurde in unserem Dorf, das vor dem Kriege fast rein evangelisch war, bis zu den 30er Jahren kaum gefeiert., Es gab bis zu diesem Zeitpunkt keine Maskenbälle und auch keine Umzüge. Nur wenige gingen maskiert von Haus zu Haus und sangen das Fastnachtslied:
„Ho, ho, ho,die Fassenocht es do,
die Fassenocht es werrer kumme,
hot die schou met Witt gebunne
ich hunn gehert, ihr hätt geschlocht
un hätt su lange Werscht gemocht.
Gebt mer vo de lange,
die korze loßt der hange,
drowe en de Das (Räucherkammer),
do hengt en Korb voll Flasch,
drauße aus dem Hinkelhaus,
do guckt en Korb voll Ajer raus,
loßt mich nit su lang hei stie,
denn ich muß noch weirer gie.“
Sie bekamen dann eine oder zwei Kreppeln – die wurden zu Fastnacht in jedem Haus gebacken – oder ein paar Pfennige. Der erste Umzug unter einem bestimmten Motto war Anfang der 30er Jahre. Nach dem 2. Weltkrieg wurde es dann üblich, daß die Vereine regelmäßig Maskenbälle und Kappenabende ausrichteten.
Um die Fastenzeit gab es sogen. Fastenbrezel, die die Bäcker Sonntagsabends und an Fastnacht in den Wirtschaften, den Spinnstuben und auch Privathäusern anboten.
In der FASTENZEIT gab es keine privaten Feiern und auch keine Tanzveranstaltungen. In der Schule wurde zwischen Fastnacht und Gründonnerstag wöchentlich einmal abends Passionsandacht gehalten. Zu Beginn des Jahrhunderts wurde am Gründonnerstag in vielen Häusern noch grüne Suppe oder Kerbelsuppe gegessen. Am Karfreitag wurde weder Wurst noch Fleisch gegessen. Bis in die 30er Jahre hinein trugen die Erwachsenen und Jugendlichen an Karfreitag Trauerkleidung, und es war üblich, daß die Jugendlichen an diesem Tag zum Abendmahl gingen.
Am 1. OSTERFEIERTAG bekamen die Kinder wie überall von ihren Eltern und Paten Ostereier und später auch Osterhasen. Am Ostersamstag holten sie meist am Borngraben Moos, um in der Scheune oder einem anderen günstigen Platz ein Osternest zu bauen. Im alten Dorf gab es ja keine Gärten bei den Häusern, so daß man die Eier nicht im Freien verstecken konnte. Am frühen Nachmittag des ersten Ostertages wurden die Ostereier bei den „Pettern und Goten“ (Patenonkel und -tanten) geholt. Die Jungen hatten für diesen Zweck eine bunte Osterbüchse und die Mädchen ein Körbchen. Um die Jahrhundertwende bekam jedes Kind drei Eier, die in kochenden Zwiebelschalen gefärbt worden waren. Nach dem ersten Weltkrieg gab es in der Regel vier bunte Eier, einen Schokoladehasen und einige Zuckereier.
Altere Kinder haben an den Ostertagen auf dem Damm oft „Eierschippeln“ gespielt. Sieger in dem Spiel war, wessen Ei am weitesten rollte. Beim „Eierdotzen“ wurde ausprobiert, wessen Ei die härteste Schale hatte. Um die Osterzeit war es auch Brauch, daß der Schornsteinfeger in jedem Haus ein weißes rohes Ei bekam. Oft sah man ihn in dieser zeit mit einem Zylinderhut voll Eiern im Dorf. Auch der Pfarrer, der den Kirchenchor dirigierte, bekam zu Ostern einen Teil seiner Vergütung in Form von Ostereiern.
Ein MAIBAUM wurde nur in den wenigen Jahren zwischen 1933 und 1939 aufgestellt. Einmal suchten die Nationalsozialisten altes Brauchtum wieder aufleben zu lassen, andererseits nutzten sie die Maifeiern natürlich auch für ihre Kundgebungen.
Natürlich gab es auch Brauchtum, das mit der ERNTE verbunden war. Wie der Beginn der Aussaat wurde noch nach der Jahrhundertwende auch das Binden der ersten Garbe mit dem Ausspruch „Gott walt’s“ begleitet. Wenn der erste Weizen geschnitten war, gab es am folgenden Sonntag Kreppeln, denn nun gab es ja bald wieder frisches Weizenmehl. Der Abschluß der Ernte wurde mit dem Erntedankfest feierlich begangen. Das Erntedankfest war einer der wenigen Sonntage, an denen außer den hohen kirchlichen Feiertagen beim Bäcker Kuchen gebacken wurden. Für den Erntedankgottesdienst war die Kirche festlich geschmückt. Feldfrüchte waren um den Altar gruppiert, Erntesträußchen zierten die Bänke und vor dem Altarraum hing ein Entekranz. Nachmittags wurde mit geschmückten Arbeitsgeräten und dem Erntewagen unter Musikbegleitung ein Umzug durch das Dorf gemacht. Abends war dann Tanz.
Die Walsdorfer KERB fällt auf den letzten Sonntag im Oktober. Auch mit ihr sind viele Bräuche verbunden. Am Kerbesamstag stellen die Kerbeburschen den Kerbebaum auf. Ziemlich regelmäßig wurde ein Kerbezug gemacht. In einer Kutsche wurden der Kerwevadder und die Kerwemutter durch das Dorf gefahren. Ein Kerwehammel und der Kerwegickel, die später verlost wurden, wurde im Zuge mitgeführt. Oft wurde der Umzug mit einer Kerwered geschlossen. Am dritten Tage wurde die Kerb begraben. Zu welchen Mißlichkeiten das im Jahre 1892 führte, kann im Bürgerbrief Nr. 7, S.10f nachgelesen werden.
Im allgemeinen setzten sich die Walsdorfer zum Ziel, bis zur Kerb mit der Feldarbeit fertig zu sein. Kartoffeln und Rüben waren eingefahren. Das war die Zeit, in der Kinder sog. „gleunische (glühende) Männer“ durch die dunklen Straßen trugen und die Passanten zu erschrecken suchten. Sie hatten eine rote Runkelrübe ausgehöhlt, ihr ein Gesicht eingeschnitten und in den Hohlraum eine brennende Kerze gestellt. Oder aber sie trugen Kartoffeln, die sie auf einen Stock gespießt und mit Hühnerfedern besteckt hatten, durch die Straßen.
Nach der Kerb wurden die SPINNSTUBEN aufgemacht. Junge Mädchen wurden auch häufig zum Birnenschälen oder Zwetschenkernen eingeladen, denn die Zeit war gekommen, daß Latwerge gekocht wurde. Auf dem Heimweg wurde dann nicht selten ein „Pädche“ zwischen zwei Häusern gestreut, wenn es galt, eine verborgene Liebschaft publik zu machen.
Vor der Kerb war, wenn es irgend ging, zum ersten mal geschlachtet worden. Wenn das Schwein aufgehängt war, kamen die Männer der Nachbarschaft zum „Speck-gucken“, wobei es dann einen Schnaps gab. Zum Abschluß gab es die „Metzelsuppe“, bei der das frische Fleisch und die verschiedenen Wurstsorten probiert wurden. Anschließend erhielten dann die engste Verwandtschaft und die Nachbarschaft ein „Dippe Wurstsupp“ Die Kinder bekamen ein kleines Leberwürstchen dazu.
Bis zum zweiten Weltkrieg gab es auch noch das NEUNLAUTEN. Von Martini bis zum 18. Februar wurde abends um 9.00 Uhr noch einmal geläutet. Als Erklärung wurde angeführt, das Läuten hätte in früherer Zeit verirrten Wanderern eine Orientierung in der Dunkelheit ermöglichen sollen.
Die Winterzeit -war auch die Zeit für KAFFEEVISITEN, zu denen junge Mädchen ihre Nachbarinnen und Freundinnen einluden.
Der Nikolaustag wurde bis zum 2. Weltkrieg so gut wie nicht gefeiert. WEIHNACHTEN dagegen wurde festlich begangen. Am Heiligen Abend kam das „Christkind“ – ein junges Mädchen in weiß Kleid und mit einem Schleier vor dem Gesicht -, das den Weihnachtsbaum und die Geschenke brachte. Am 1. Weihnachtstag holten die Kinder dann bei ihren Paten wie zu Ostern ihre Weihnachtsgeschenke.
Der Tag nach Weihnachten war der WANDER– oder BÜNDELCHESTAG. Noch um die Jahrhundertwende haben Knechte und Mägde an diesem Tag ihren Dienst angetreten. In den 20er und 30er Jahren hat man nur noch symbolisch die Kisten gerückt. Junge Burschen machten im Dorf die Runde und kehrten in Häusern, in denen junge Mädchen waren, ein. Dort gab es zu trinken, und der Gipfel der Freude war erreicht, wenn es gelang, heimlich in der Schlafkammer das Bett in Unordnung zu bringen.
Über Bräuche von der Geburt bis zum Tod wird in einem späteren Aufsatz berichtet.
Helmuth Leichtfuß
Das Ehestandslied
- Mir gefällt das Eh’standleben besser als ins Kloster gehn, ja Kloster gehn.
In ein Kloster mag ich nicht, denn ich bin zur Eh‘ verpflicht, ja Eh‘ verpflicht. - Vater tu dich doch erbarmen und verschaff mir einen Mann, ja einen Mann.
Der mich drückt an seine Brust, denn zum Heiraten hab ich Lust, ja hab ich Lust. - Ach was wird die Mutter sagen, wenn ich sie verlassen muß, ja lassen muß.
Laß sie sagen, was sie will, denn ich heirate in der Still` ja wen ich will.
Dieses Lied wurde der Überlieferung nach etwa bis in die 30er Jahre den Brautpaaren am Hochzeitstag in Walsdorf und in der Umgebung als Ständchen von jungen Leuten gesungen. Eine Notenschrift zum Ehestandslied scheint nicht zu existieren. Es hat eine eigene Melodie und nicht die eines anderen Volksliedes. Polterabend gab es damals in der hiesigen Gegend nicht.
Anmerkung: „Scherben bringen Glück.“ So ist’s wohl gemeint. Eine schöne Sitte! Mir scheint, sie wird zur Unsitte, wenn, wie in letzter Zeit so oft, nicht Scherben, sondern Unrat, Müll und alte Flaschen am Polterabend vor dem Hochzeitshaus abgeladen werden. Man denkt: „Glück und Glas – wie leicht bricht das.“ Keine guten Gedanken zum Hochzeitstag! Scherben, z. A. von einigen alten Tellern, als Glücksbringer gedacht, würden wahrscheinlich dem Brautpaar am Polterabend und ganz bestimmt den Aufräumern danach genügen! ? Den guten Umtrunk gibt’s ja in jedem Falle! — Oder ist jemand anderer Meinung?
Amanda Graboach
Nächster Gesprächsabend über Walsdorfer Brauchtum:
- (voraussichtlich) Januar 1984 im evg. Gemeindehaus
Thema: Bräuche im Laufe eines Menschenlebens.
Der Hutturm
Eine Deutung seines Namens
Über den Namen von Walsdorfs Wahrzeichen ist schon viel gerätselt worden. Als der Bau des neuen „Walstadt“ 1393 abgeschlossen war, war nur von dem „Turm an dem Ort hinter dem Kloster“ die Rede. So wie er damals namenlos blieb, wird es wohl lange, vor allem in der Umgangssprache, gewesen sein. Auch viele der heutigen Walsdorfer sprachen in ihrer Jugend nur von dem „Turm“. Die bei ihm gelegenen Äcker, Wiesen und Gärten, tragen seit Einsetzen der schriftlichen Tradition den Flurnamen „hinterm Turm“.
In den Bürgermeisterrechnungen zwischen 1672 und 1726 hat er dann allerdings einen Namen: „Hütturm“ (in moderner Rechtschreibung). Die Schreibweise variiert zwar leicht, aber die Unterscheidung zwischen ü-Punkten/-Strichen und dem u-Häkchen der deutschen Schrift ist gewöhnlich ganz klar. Der Verdacht liegt nahe, daß in jüngerer Zeit, als der Name wieder eingeführt wurde, bei der Umsetzung aus der deutschen in die lateinische Schrift die beiden Zeichen über dem u verwechselt wurden und fortfielen.
Bei der Deutung des Wortes „Hütturm“ muß man gleich an die Bestimmung von 1393 denken, daß der Graf allein den Turm „bewachen und behüten“ soll. Er hatte also die Wachmannschaft und den Hüter, d.h. in unserm Deutsch den Wächter oder Türmer auf der Spitze des Turmes, zu stellen. Die Vorsilbe „Hüt-“ weist somit auf die Schutzfunktion des Turmes hin. Er diente der Überwachung des Goldenen Grundes und damit dem Schutze Walsdorfs und der Grafschaft Idstein.
Einen ähnlichen Wechsel von u und Q haben wir in den Wörtern: auf der Hut sein, sich hüten, Obhut.
(Text größtenteils aus: Gerhard Buck, Walsdorfs Freiheitsrechte, 1983, S. 22 f)
1672 Hühthurn
1684 Hütthurn
1691 Hutthorn
1701 Hüththurm
1717 Hütthurn
WAS SONST NOCH IM DORF GESCHAH …….
Die Wundermedizin
Die Ammedrehrsch Christine wurde arg vom Zipperlein geplagt. Sie wer ja auch nicht mehr die Jüngste. In allen Gliedern zwickte es, und ihr treuer Ludwig mußte sich ihr Jammern und Stöhnen schon lange anhören. Er machte warme Umschläge, rieb die schmerzenden Glieder mit Selben und Tinkturen ein, und massierte sie euch, wenn es gar zu schlimm wer. Die Christine ächzte und stöhnte. Doch plötzlich fiel ihr wen ein, und sie fragte mit klingender Stimme: „Ludwig, wann es dann de Kriegerball ?“ Wenn der kam, ging es ihr bald besser, denn kein Kriegerball wurde ohne sie gehalten.
Helmuth Lelchtfuß
D a s n e u e B u c h ü b e r W a l s d o r f :
SCHRIFTENFOLGE GOLDENER GRUND NR. 22
Gerhard Buck
Es berichtet von der Gründung der „Stadt“ Walsdorf auf dem Hügel und den besonderen Rechten, die der Ort jahrhundertelang besaß. Zum größten Teil handelt es sich um bisher nicht veröffentlichtes Material.
Walsdorfs Freiheitsrechte
625 Jahre Stadt und Freiflecken 1358-1983
80 Seiten – 11 Abbildungen 9,80 DM
Erhältlich bei: Gasthaus „Zur Traube“
F. Hartmann, Idsteiner Str.17
G. Buck, Am Borngraben 24
CAMBERGER VERLAG
verantwortlich:
Gerhard Buck, Am Borngraben 24, 6270 Walsdorf