Bürgerbrief 62: April 1994

Gemeindeämter in der 2. Hälfte des 17.Jhdts. ( 1. Teil )

Schultheiß Johann Andreas Hirtes

Johann Andreas Hirtes war Nachfolger von Philipp Mey und hatte das Amt von 1665 bis 1681 inne. Unter den Abendmahlsgästen vom 22. Sonntag nach Trinitatis, dem 22. Oktober 1665, wird er als praetor novus, als der neue Schultheiß also, aufgeführt. Hirtes war 1655 Walsdorfer Bürger geworden. Zum erstenmal erscheint er zu Pfingsten dieses Jahres zusammen mit seiner Frau unter den Abendmahlsgästen. Pfarrer Rüger vermerkt im Kirchenbuch: “ Herr Hans Andreas Hirthesius antehac Cellarius Idsteiniensis et uxor Anna Maria“ (Herr H. A. Hirtes vorher Keller in Idstein und Ehefrau Anna Maria.)(Dem Keller als Beamten eines weltlichen oder geistlichen Herrn oblag es, die Einkünfte aus den Domänen oder geistlichen Gütern, seit dem 16.Jahrhundert auch die übrigen Steuern einzuziehen.)  Aus dem Jahre 1655 gibt es in der Gemeinderechnung noch 3 weitere Belege. Als neu aufgenommener Bürger zahlte er einen Gulden in die Gemeindekasse, pachtete für 3 Gulden das „Kirbemeßzapfen“, den Ausschank zum Kirchweihfest, und erhielt 4 Albus für Branntwein, der – neben den Wecken – den mitlaufenden Kindern bei der Grenzbegehung zu trinken gegeben worden war. 

Das Grabdenkmal des Schultheißen 

Durch den Grabstein, den Johann Andreas Hirtes sich und seiner Familie aufrichten ließ und der an der Ostwand des Chores unserer Kirche noch erhalten ist, erfahren wir näheres über seine Geburt und Heirat. Der Text des Denkmals lautet wie folgt: „Anno 1677 den 2 Aprilis hat der wohlehrenfeste und vorachtbare Herr Johann Andreas Hirthes hochgräflich nassauisch saarbr. Schultheiß zu Walstrof dies Ehrengedächtnus sich und den seinigen allhier aufrichten lassen. Er ward geboren anno 1613 den 19.Sept., verheuratet sich anno 1650 mit der viel Ehr und tugendsamen Jungfrau Anna Maria Beckerin, welche geboren ward anno 1628. Beide Eheleute erzeugten durch Gottes Segen anno 

1650 30. Dez. Hans Caspar 
1653 10. Jun. Johann Wilhelm 
1655 29. Jan. Anna Maria 
1656 15. Nov. Georg Daniel
1659 12. Sep. Anna Margarethe
1661 4. Mai Johann Georg
1663 30. Dez. Anna Catharina
1666 22. Apr. Friedrich Philipp
1668 18. Jun. Maria Katharina

Gott verleyhe Eltern und Kindern ein seelig Sterbestündlein und eine fröhliche Auferstehung. Psalm 73, V. 25 + 26 Herr, wenn ich nur dich habe, so frage ich nicht nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“  Johann Andreas Hirtes war in Auroff geboren. Dort war sein Vater Heinrich Hirtes Pfarrer von 1603 bis 1615. Heinrich Hirtes war vorher von 1599 bis 1603 Pfarrer in Walsdorf gewesen. Vielleicht war das ein Grund, daß der Sohn später Bürger im Freiflecken Walsdorf wurde. Johann Andreas wurde schon bald nach seiner Geburt Vollwaise. Seine Eltern starben im Mai bzw. Juni 1615. Er wurde in Idstein erzogen und war nach dem 30j. Krieg Zunächst Keller in Kirberg und dann in Idstein. Der Todestag des Schultheißen läßt sich nicht genau feststellen, da das erste Walsdorfer Kirchenbuch kleine Lücken hat. Zum letztenmal wird er am 20.Sonntag nach Trinitatis des Jahres 1681 unter den Teilnehmern am Abendmahl erwähnt. Im Januar 1682 wird bereits ein neuer Schultheiß ernannt. 

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schultheißen

J. A. Hirtes war Bauer und Wirt. Er war im Vergleich zu den übrigen Bürgern des Fleckens recht gut situiert, was aus den Schatzungen von 1660, 1676 und 1679 und den Beedregistern hervorgeht. Er besaß 2 Häuser und 2 Scheunen, 47 Morgen Land, erntete nach eigenen Angaben 7 1/2 Wagen Heu und hatte 1660 zwei Pferde, fünf Kühe, zwei Rinder, 12 Schafe und zwei Schweine. Entsprechend seinem Haus- und Grundbesitz wurde er natürlich bei der Beed, der damaligen Grundsteuer, die jährlich vom Schultheißen und dem Gericht festgesetzt wurde, ebenfalls hoch eingestuft und gehörte z.B. 1665 mit 5 Gulden, 2 Albus und 4 1/2 Pfg. zu den drei Bürgern, die am höchsten veranschlagt waren. Nur Adam Kreppel und Philipp Geiß hatten geringfügig mehr zu zahlen. Nachdem er Schultheiß geworden war, wurde ihm die Beed aus der Gemeindekasse „guthgetan wie alt herkommens“. Vom ersten Jahr an, als er Bürger in Walsdorf geworden war, hat er als Wirt den Ausschank von Wein und Bier zur Kirchweih übernommen und dafür im Schnitt 5 Gulden in die Gemeindekasse gezahlt. Lediglich 1676 hat er zusammen mit Johannes Kettendorf den Ausschank übernommen. 1674 wird in der Gemeinderechnung vermerkt: „Vom Schultheiß wegen des Kürbenweins und Bierzapfens, dieweil böße Zeith eingefallen (nur) 3 Gulden. 

Bemerkenswertes aus seiner Amtszeit 

Die Amtszeit des Schultheißen Hirtes war nicht einfach. Die Schäden aus dem 30j. Krieg waren auch nach fast 20 Jahren nach seinem Ende noch nicht beseitigt. Die Wiederherstellung der Mauern verschlang noch immer beträchtliche Summen. Zwischen 1665 und 1672 wurden 132 Gulden für den Mauerbau aufgewendet. 1664/65 wurde für 118 Gulden unter Benutzung der Gebäudereste des ehemaligen Klosters ein neues Backhaus gebaut. Das Gebäude wurde neu gezimmert, erhielt neue Fenster und ein neues Dach. Die verbliebenen Klostermauern wurden ergänzt und verputzt. Außerdem wurden zwei neue Backtröge angeschafft und ein Backofen gebaut. Die baulichen Überreste des Klosters wurden auch 4 Jahre später für den Bau eines Rathauses benutzt. Auch hier war das Gebäude fast völlig neu zu errichten, auszubauen und einzurichten. Dafür wurden in den Jahren 1669 bis 1672 rund 280 Gulden aufgewendet. Man kann davon ausgehen, daß die Beschreibung der beiden Gebäude im Inventarium sämtlicher Vermögen des Fleckens Walsdorf aus dem Jahre 1817 schon für die Zeit der Erbauung zutrifft. Danach enthielt das zweistöckige Haus zwei Stuben, drei Kammern, eine Küche, einen Keller und einen Backofen. Eine Stube und zwei Kammern benutzte die Gemeinde als Rathaus. Die übrigen Räume waren an den Gemeindebäckerverpachtet. (Zum Rathaus vergl. auch Bü.Br.Nr.40 ). Noch wurde also kräftig an der Beseitigung der Schäden aus dem letzten Krieg gearbeitet, da wurden das Dorf und die ganze Gegend schon wieder von den kriegerischen Verwicklungen Ludwigs XIV. mit seinen Nachbarn betroffen. Als der französische General Turenne 1673 bei Wetzlar lag und von „beyder Herrschaft Idstein und Wiesbaden 200 Stück Rindvieh gefordert worden“, mußte Walsdorf 8 Stück beisteuern. Wesentlich teurer jedoch wurden die bald darauf folgenden Einquartierungen.  Für die Einquartierung der Münsterischen Dragoner 1677 waren über 1440 Gulden und für „der Neuburgischen Winterquartier“ 1677/78 1290 Gulden von den Bürgern des Fleckens aufzubringen. 

Neue Bücher für Walsdorfer Leser

Der Bürger-Verein hat zur Aktualisierung des Buchbestandes unserer Bücherei im DGH für ca. 500,- DM neue Bücher erworben. Wir hoffen hiermit, zusammen mit der von unserem Verein ermöglichten Erweiterung der Ausleihzeiten, eine Steigerung der Ausleihzahlen zu erreichen. Nach wie vor ist unsere Bücherei von der endgültigen Schließung bedroht. Gleichzeitig sind aber mögliche Alternativen, so z.B. die Einführung eines Büchereibusses zur Zeit aus finanziellen Gründen völlig unrealistisch.  Zu Ihrer Information stellen wir die 16 Neuanschaffungen hier vor: 

Titel / Autor (Verlag):  Inhalt:

Wilder Thymian / Rosamunde Pilcher (Wunderlich): Herz und Schmerz, Liebe und Enttäuschung. Eine Reise nach Schottland wird zu einer Odyssee der Gefühle und Leidenschaft. 

Die Hexe aus Novarra / Sebastiano Vassalli (Piper): Historischer Roman zum Schicksal eines Findelkindes am Anfang des 17. Jahrhunderts in Italien. (Preisgekrönter Bestseller)

Der Schamane / Noah Gordon (Droemer Knaur): Romanhafte Beschreibung einer fruchtbaren Begegnung zwischen der Natur-Medizin der Indianer und einem schottischen Arzt, der als Ausgewanderter nach Amerika, Haß, Sklaventum und Bürgerkrieg erlebt.

Gai-Jin / James Clavell (C.Bertelsmann): Tai-Pan und Noble House sind Ihnen vielleicht bekannt, hier wird in einer Fortsetzung die Ausweitung des mächtigen Handelsimperiums nach Japan beschrieben. Gai-Jin sind die in Japan unerwünschten fremden weißen Händler. Samurai wollen die Öffnung Japans rückgängig machen und alle Gai-Jin vertreiben.

Die Wälder von Albion / Marion Zimmer Bradley (Krüger): M. Z. Bradley ist bekannt für ihre fantastisch-mystischen Geschichten aus fast vergessener Zeit. Keltische Kultur zwischen England und Wales wird wieder lebendig. Das Buch stellt die Vorgeschichte zu den Nebeln von Avalon dar.

Bitte nicht sterben / Gabriele Wohmann (Piper): Trotz des ernsten Themas ein heiteres und unterhaltsam zu lesendes Buch, immer in der Schwebe zwischen Lachen und Weinen. Der Roman erzählt Geschichten aus einem Tabu-Bereich einer dem Mythos „ewiger Jugend“ verpflichteten Gesellschaft. 

Der erste Frühling / Klaus Kordon (Beltz): Ein bewegender Roman über das Ende des 2. Weltkriegs in Berlin. Zwischen letzten Durchhalteparolen an Hitlerjungen und ersten russischen Panzern beschreibt Kordon die Hoffnung auf einen Neuanfang.

Die Akte / John Grisham (Hoffmann u. Campe): Ein Kriminalroman der Extraklasse. Angesiedelt im Umfeld höchster Regierungskreise der Vereinigten Staaten und angereichert mit allen Zutaten eines politischen Skandals wird uns eine Steigerung der Watergate-Affäre vorgestellt. 

Im Schatten des Granatapfelbaums / Tariq Ali (Diederichs): Ein farbenprächtiges Andalusien um 1500 ersteht vor dem innneren Auge des Lesers. Eine Epoche der Toleranz geht zu Ende. Acht Jahrhunderte hindurch hatten Moslems, Juden und Christen in Frieden miteinander gelebt. Doch nun fällt Granada. Die Reconquista beginnt. 

Neue Punkte für das Sams / Paul Maar (Oetinger): Das Sams hat rote Haare, eine Rüsselnase und blaue Punkte im Gesicht, mit denen sich Herr Taschenbier, Sams Freund, alle Wünsche erfüllen konnte. Weiter gibt es da den Herrn Mon, der an einem Montag bei Herrn Taschenbier zu Besuch kam … und überhaupt diese Wochentage. 

Die Großstadtfüchse / Jo Pestum (Thienemann): Ein Buch für Kinder von der dritten bis zur fünften Klasse.  Großstadtfüchsen entgeht nichts! Sie spähen von Dächern und Mauern, sie schleichen durch Hinterhöfe ihrer Stadt und lauschen an Fenstern und Türen. Ihnen entgeht wirklich nichts!

Das Ei auf Feuerland / Gudrun Pausewang (Ravensburger): Unglaubliches geschieht auf der Welt: Straßendiebe hören auf, Taschen zu stehlen. Der Porsche einer Prinzessin verwandelt sich in einen Frosch, und ein Supermann muß sich seine Spaghetti selber kochen. All dies hat wohl etwas mit dem Riesen-Ei auf Feuerland und seinem fragwürdigem Inhalt zu tun.

Loretta und die kleine Fee / Gerda Marie Scheidl (Nord-Süd Verlag): Ein Buch für Leseanfänger (ab 2. Lesejahr): Loretta will einem Feenmädchen helfen, eine große Fee zu werden. Kirschsuppe essen, Kuchen backen können oder Lesen und Schreiben lernen? All das ist gut, aber es genügt nicht. 

Guck mal übern Tellerrand! / Gudrun Honke, Ulrike Saile (P.Hammer): Spannende Geschichten über Kinder der 3. Welt, ihre Erlebnisse, Gefühle und Hoffnungen. Ein Jugendbuch zum Zusammenleben mit fremden Menschen, zum Kennen- und Verstehenlernen anderer Lebens- und Sichtweisen. 

Dino Park / Michael Crichton (Knaur): Das aktuelle (Taschen)-Buch und Vorlage zum Film, nur wesentlich besser!  

Der schlaue Fuchs Rinaldo / Iskender Gider (Nord-Süd Verlag):  Rinaldo hat es nicht leicht. Der tüchtige Polizist Bruno Erpel verjagt ihn aus dem Hühnerhaus, aber Rinaldo gibt nicht auf. Er „leiht“ sich einen Sportflitzer, läßt eine Perlenkette mitgehen und versucht alle auszutricksen. Wirklich alle? 

Ich hoffe, für viele Geschmäcker etwas Würze gereicht zu haben. Der Bürgerverein wünscht allen Hungrigen viel Lesespaß.

Frau Maul hat zur Belebung unserer Bücherei dankenswerterweise einen Lese-Nachmittag mit Kindern organisiert und auch am 21.12.93 durchgeführt. Sie plant dies, als ständige Einrichtung auch in Zukunft jeweils am letzten Donnerstag eines Monats einzurichten, und hofft mit uns auf rege Teilnahme.

M. Wetzel

Walsdorfs Türme: Wirklichkeit und Sage

Ein Bericht aus dem Jahre 1850

Als 1850 die Herzogliche Regierung Berichte über erhaltenswerte Burgruinen anforderte, konnte die Rezeptur (Finanzbehörde) Idstein nur von solchen in Walsdorf Meldung machen. Sie glaubte, die dortigen Mauern und Türme stammten von dem ehemaligen Nonnenkloster. Auf Anfrage verfaßte der frühere Oberschultheiß Ludwig Ochs (1779 – 1857) eine genaue Schilderung über die Verhältnisse in Walsdorf. Ausführlich befaßte er sich mit Vergangenheit und Gegenwart der beiden noch stehenden Türme. 

Der Schalenturm und sein Schatz

Von diesem Turm, den wir heute wegen seiner Form Schalenturm nennen, kennen wir keinen eigenen Namen. Ochs meinte, er habe nur zur Verteidigung gedient, worauf die Gewölbe und Schießscharten hindeuteten. Für die älteren Walsdorfer war er damals ein besonderer Turm, „weil ihn ein Geist unter dem Namen Belzmann – er wurde immer in einem langen Belz (=Pelz) gehüllt gesehen – bewohnt haben soll, welcher hier einen großen Schatz bewacht haben soll. An dem Ort, wo der Schatz lag, wurde oft, besonders in Adventszeiten, ein bläuliches Lichtchen gesehen. Endlich haben zwei Geistliche in der Geisterstunde den Geist beschworen, wo dann nach langem Beten derselbe erschien und den Schatz in einem Kessel unter Brummen und Knurren brachte, welchen dann die Paters nebst dem Geist nahmen und auf und davon gefahren sind“. Ochs konnte einen Kommentar dazu nicht unterdrücken und fuhr gleich fort: „Jetzt glauben die kleinen Kinder nicht mehr an einen Popanz. Aber auch leider an sonst nicht viel mehr!!“ 

Der „Heuturm“ und die Erbsensuppe

Den Hutturm nennt Ochs den Haupt- oder Heuturm. „Woher dieser Name rührt, weiß ich nicht. Ob vielleicht das Wort von Hierarchie = heilige Ordnung, Priesterherrschaft abgeleitet ist?“ fragt er. Es ist jedoch mit Sicherheit anzunehmen, daß es sich um die Dialektform von Hütturm (hüten = heure, geheut) handelt. Eigentlich müßte es also Heutturm heißen.  Die Besitzverhältnisse waren unklar. Während die Ringmauer und der Schalenturm von der Gemeinde beansprucht wurden, war weder dem ehemaligen Schultheißen noch der Verwaltung des Domänensitzes (Rezeptur) bekannt, ob es sich um Eigentum des Landesherrn handelt. Weder Vertreter der Gemeinde noch des Staates wußten von Ausgaben für seine Unterhaltung. „Nur das feste Mauerwerk schützt denselben vor Verfall.“ Nachdem Ochs den Hutturm mit Hilfe einer Leiter bestiegen hatte, konnte er einen genauen Bericht verfassen. (Zum leichteren Verständnis habe ich seine Maßangaben von Fuß in Meter umgerechnet.) „Er ist 24 m hoch und steht auf einem Felsen, welcher wohl auch noch 12 m Höhe mißt bis in das Wiesental. Die Mauer ist 1,80 m dick. Er hat einen Durchmesser inklusive der Mauer von 7,50 m. In Lichten hat er 4,80 m … Es ist ein Eingang in denselben vorhanden, welcher jedoch vermittelst einer langen Leiter geschehen muß. Ist man in der 1. Etage angekommen, so grienst uns das Burg- oder Turmverließ an, in welchem wohl schon mancher sein Leben ausgehaucht haben mag. Dasselbe ist 8,40 m tief und 3,90 m im Lichten weit, hat unten eine kleine schmale Öffnung, wo ein spärliches Licht von der Südseite durch die 1,80 m dicke Mauer eindringt. Auf dem Boden Liegt ein viereckiger Stein, welcher wohl als Tisch oder Ruhebank gedient haben mag. Oben ist das Verließ mit einem starken Gewölbe geschlossen, in welchem eine Falltür angebracht war, jetzt aber offen steht und nur mit Brettern zugedeckt ist. Ist man in dieser Etage angelangt, so führt uns eine sehr schmale steinerne Wendeltreppe von 18 Stufen durch die Mauer hinauf in die 2. Etage, wo wahrscheinlich der Türmer respektive Gefangenenwärter gewohnt hat. Der Boden in dieser Etage besteht in starken eichenen Balken. Hier sind drei Fensteröffnungen angebracht, ein durch die Mauer hinauf führender Schornstein und ein Abtritt. Von hieraus kann man dermalen nur mit einer langen Leiter oben auf den Turm gelangen. (Ann.: Heute gibt es noch einen weiteren Boden und damit eine 3. Etage.) Er ist oben mit einem starken Kreuzgewölbe geschlossen, in welchem eine viereckige Öffnung gelassen ist, um auf die Platte oben hin zu gelangen. Wem es gerne schwindelig wird, der tut wohl, wenn er unten bleibt, weil eine früher vorhandene Ringmauer sich abgelöst und nach herunter gefallen ist. Den Turm abzubrechen, was ohnehin sehr schade wäre, würde ebensoviel kosten, als einen Felsen zu sprengen. Nur schade, daß unsere Maurer nicht gelernt haben, eine solche Mauer zu machen…

Wann der Turm erbaut worden ist, weiß man hier nicht. Man sagt im 13. Jahrhundert… Nur das erzählt man sich, daß bei Erbauung des Turms ein Maurer seiner Frau die Erbsensuppe mit der wirschen Bemerkung hinter die Tür geworfen habe, ob dieses Essen für einen Maurermeister sei, welcher am Tag 4 Pfennige verdiene.“ Während die Sage vom Schatz im Schalenturm nicht erklärbar ist und anderenorts Parallelen hat, kann die Geschichte vom Maurermeister, der auf seine Arbeit am Hutturm und seinen guten Lohn stolz war, durchaus wahr sein. Vielleicht handelt es sich um den Großvater von Veltin Ochs, der 1530 starb und der erste bekannte Träger dieses Namens in Walsdorf ist. Wegen seines Berufs hießen er und einige seiner Nachkommen auch Meurer. Auch sein Nachfahre Oberschultheiß Ludwig Ochs war stolz auf den Hutturm, der als Symbol der besonderen Rechtsstellung Walsdorfs das Siegel schmückte. Er bedauerte, daß in der Zeit des Herzogtums Nassau das Wort „Freiflecken“ und der Löwe aus dem Gemeindesiegel getilgt worden waren. 

Sonstige Bauten

Wie gering allerdings die Kenntnisse von Walsdorfs Vergangenheit damals waren, zeigt die folgende Bemerkung: „Außer den zwei genannten Türmen, welche, wie es scheint zur Verteidigung des Klosters gedient haben, sind noch einige Rudera (=Ruinen) von alten Türmen da, welche aber ganz zerfallen sind.“ Er dachte an drei weitere Türme der alten Stadtmauer: nördlich des Hutturms, westlich des Untertors und in der Mitte der östlichen Mauer. Über die gesamte Mauer schrieb er: „Die Umfangsmauern, welche den ganzen Flecken früher umschlossen, haben jetzt keine besondere Bedeutung mehr, als daß sie teilweise die Gebäude schließen und tragen.“ 

Abschließend machte L. Ochs noch eine interessante Bemerkung über einen Fund, als in seiner Amtszeit 1824 die Schule errichtet wurde, „bei deren Erbauung wir noch einen gut erhaltenen, in einem Sarg liegenden Herrn von Hattstein fanden (eine gleich dabei liegende übrigens ganz zerbrochene Marmorplatte enthielt den Namen Herr Hans von Hattstein), deren Gruft mit einem schweren Sandstein bedeckt war.“

Quelle: Hess. Hautstaatsarchiv Wiesbaden 212/11860.

Gerhard Buck

Unsere Vögel – Gefiederte Gäste in Walsdorf

Immer wieder, in der nun wohl überstandenen Winterzeit, freuten wir uns über unsere kleinen Freunde und ihr reges Treiben an den Futterhäuschen. Dabei haben wir sicher nicht vergessen, daß unsere Vögel nicht nur zu unserer Freude existieren, sondern wichtige Bestandteile der Umwelt darstellen. Sie haben bekanntlich großem Anteil am gesunden Naturhaushalt, indem sie speziell im Sommer ein Überhandnehmen der Insekten verhindern. Natürlich gibt es nicht nur Insektenfresser, sondern viele Vogelarten ernähren sich von Sämereien und einige Arten sind beiden Nahrungsquellen zugetan. Die Schnabelform kann dem Sachkundigen bereits Auskunft über die Form der bevorzugten Nahrung geben: Breite Schnabelformen zeichnen Körnerfresser – schmale, langgezogene dagegen Insektenfresser aus. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, daß unsere Wintergäste die gleichen seien die wir im Sommer im Garten beim Füttern am Nest antreffen. Natürlich wissen wir über die Tatsache des Vogelzug Bescheid und unsere Mehl- und Rauchschwalben in Afrika, tausende von Kilometern von ihren Brutgebieten entfernt, übersehen aber zu leicht die, im Vergleich zum Sommer intensiveren Farben von z.B. Dompfaffen am Futterplatz.  Achten Sie einmal auf das leuchtende Rot der Vögel im Winter! Diese Vögel stammen, wie man durch Beringungen eindeutig in Erfahrung bringen konnte, aus Skandinavien und sie verlassen uns wieder mit Beginn des Frühlings nach Norden. Gleiches gilt für viele Finkenarten, z.B. für die oft massenweise auftretenden Bergfinken.  Von großem Interesse ist die Anzahl der in unserem Naturraum anzutreffenden Vogelarten, die auch hier brüten. Seit 1984 betreiben interessierte Vogelkenner unter der Leitung von Herrn Bender aus Idstein eine systematische Erfassung dieser Arten. Es konnten insgesamt ca. 150 ! Vogelarten als Gäste oder Brutvögel festgestellt werden. Dabei sind 1992 mit sicherem Brüten 91 Arten nachgewiesen, 4 mit wahrscheinlichem, 5 ohne Hinweis auf Brüten und 48 Arten als Durchzügler oder vorrübergehender Gastvogel.

Mit sicherem Brüten angetroffen wurden: 

1.Amsel 31.Hänfling61.Schwarzmilan
2.Bachstelze32.Haubenmeise 62.Schwarzspecht 
3.Baumfalke33.Hausrotschwanz63.Singdrossel
4.Baumpiper34.Haussperling64.Sommergoldhähnchen
5.Blaumeise35.Heckenbraunelle65.Sperber
6.Braunkehlchen36.Hohltaube 66.Star
7.Buchfink37.Kernbeißer67.Steinkauz
8.Buntspecht38.Klappergrasmücke68.Stockente
9.Distelfink39.Kleiber 69.Sumpfmeise
10.Dohle40.Kleinspecht70.Sumpfrohrsänger
11.Dompfaff41.Kohlmeise 71.Tannenmeise
12.Dorngrasmücke42.Kuckuck72.Teichralle
13.Eichelhäher43.Mäusebussard 73.Trauerschnäpper
14.Elster44.Mauersegler74.Türkentaube
15.Fasan45.Mehlschwalbe75.Turmfalke
16.Feldlerche46.Misteldrosse76.Turteltaube
17.Feldsperling47.Mittelspecht77.Wacholderdrossel
18.Fichtenkreuzschnabel48.Mönchsgrasmücke78.Waldbaumläufer
19.Fitis49.Nachtigall79.Waldkauz
20.Gartenbaumläufer50.Neuntöter80.Waldlaubsänger
21.Gartengrasmücke51.Rabenkrähe81.Waldohreule
22.Gartenrotschwanz52.Rauchschwalbe82.Waldschnepfe
23.Gebirgsstelze53.Rauhfußkauz83.Wasseramsel
24.Girlitz54.Rebhuhn84.Wasserralle
25.Goldammer55.Ringeltaube85.Weidenmeise
26.Grauschnepper56.Rohrammer86.Wespenbussard
27.Grauspechtr57.Rotkehlchen 87.Wiesenpieper
28.Grünfink58.Rotmilan88.Wintergoldhähnchen
29.Grünspecht59.Schleiereule89.Zaunkönig
30.Habicht60.Schwanzmeise90.Zeisig
91.Zilpzalp
Wahrscheinlich gebrütet haben:
1.Feldschwirl3.Teichrohrsänger4.Wachtel
2.Haubenlerche
Ohne Brüten gab es:
1.Blaßspötter3.Pirol5.Graureiher
2.Halsbandsittich4.Truthuhn

Durchzügler und Gäste waren:

1.Bekassine17.Grünschenkel33.Saatgans
2.Bergente18.Heidelerche34.Saatkrähe
3.Bergfink19.Heringsmöwe35.Schafstelze
4.Birkenzeisig20.Kiebitz36.Schneeammer
5.Bleßralle21.Kormoran37.Schwarzkehlchen
6.Brachpieper22.Kornweihe38.Schwarzstorch
7.Brachvogel, gr.23.Kranich39.Seidenschwanz
8.Dunkelwasserläufer24.Krickente40.Steinschmätzer
9.Eisvogel25.Lachmöwe41.Tafelente
10.Fischadler26.Merlin42.Tannenhäher
11.Flußregenpfeifer27.Raubwürger43.Waldwasserläufer
12.Flußuferläufer28.Rauhfußbussard44.Wanderfalke
13.Gelbspötter29.Ringdrossel45.Weißstorch
14.Goldregenpfeifer30.Rohrweihe46.Wendehals
15.Grauammer31.Rotdrossel47.Wiedehopf
16.Graugans32.Rotschenkel48.Zwergtaucher

Von unseren 99 potentiell möglichen Brutvogelarten gehören 34 der Roten Liste an und sind vom Aussterben bedroht. Darunter sind aber keine Arten, die in unserem Raum brüten. Da sie im Idsteiner Bereich keine zusagenden Lebensbedingungen vorfinden, kommen sie als Brutvogel erst gar nicht vor. Seit der Wiedervereinigung gibt es erstmals eine gesamtdeutsche Rote Liste. Sie weist von insgesamt 273 Brutvogelarten in Deutschland 166 Arten (61 %) als in ihrem Bestand gefährdet aus. Für Hessen liegt dieser % – Satz in etwa in der gleichen Höhe. Ich hoffe, daß auch Sie sich über die Vielfalt der Vögelarten in unserem Idsteiner Raum freuen, wenn auch die Zahlen zur Gefährdung Anlaß zum Nachdenken geben.

M. Wetzel

Redaktion: Monika Kiesau, Helmuth Leichtfuß, Manfred Wetzel