Bürgerbrief 15: Dezember 1981

Finanzierung von Sanierung

(Bilanz der Sanierung unsere Fachwerkfassade in der Untergasse 22)

Vielleicht interessiert es einige Leser, welche Kosten bei der Fachwerkfreilegung unserer Hausfassade entstanden sind. Hauptsächlich dürfte dieser kleine Bericht für diejenige Bedeutung haben, die ein ähnliches Haus besitzen und evtl. schon mit dem Gedanken gespielt haben, das Fachwerk in ihren Fassaden ebenfalls freizulegen.

Bevor es an die Arbeit ging, stellte ich bei der Stadt Idstein einen Antrag für einen dafür vorgesehenen Zuschuß. Nach fünf Wochen wurde der Zuschuß bewilligt; zahlbar nach Beendigung der Freilegung. Es folgte ein Termin bei der Stadt, um die Farbgebung der Balken und Gefache festzulegen. Hier einigten wir uns schnell, denn seitens der Stadt bestanden keine exakten Vorstellungen. Dies mag wohl darin begründet liegen, dass unser Haus im seinerzeit aufgestellten Farbleitplan für die Untergasse, als Nichtfachwerkhaus ausgewiesen war.

Um zu erfahren, welche Kosten auf uns zukämen, holte ich Angebote bei entsprechenden Firmen ein. Zwei Firmen wollten nur auf Stundenbasis abrechnen (27,- und 39,- DM). Zwei Firmen boten mir einen Festpreis an (6.500,- DM incl. allem und 2.100,-DM plus Gerüst und Material). Die Firma mit dem billigeren Angebot hätte bestimmt eine Bauchlandung gemacht, die ich zu verhindern schuldig war. Als ich merkte, dass mir die Fachwerkfreilegung auf diese Art zu teuer käme, entschloß ich mich, selber Hand anzulegen.

An dieser Stelle sei mir gestattet auf die Hilfe meiner Freunde F. Schlobohm, D. Thielmann, H. Kaderabek, meiner Geschwister und nicht zuletzt meiner Frau hinzuweisen, ohne deren Hilfe ich jetzt immer noch im Dreck wühlen würde.

Nachdem die Arbeiten an der Fassade abgeschlossen waren, kam der zuständige Herr der Stadt und begutachtete das Ergebnis, Einige Tage später wurde mir schriftlich mitgeteilt, welche Mängel die Renovierung aufzeigt und deren Behebung Voraussetzung sei für die volle Auszahlung des Zuschussbetrages. Nun gut, man kann asich darüber streiten, ob es wesentlich ist, daß die Sprossen im Fenster oder auf dem Fenster sein müssen, oder ob der Schwellbalken freigelegt werden sollte oder nicht. Hierbei stellt sich die Frage, wie stark man sich bei der Altstadtsanierung an irgendwelche historische Vorbilder halten soll.

Als Zuschuß bewilligte mir die Stadt Idstein DM 2.010,- (67 qm x 30,- DM), wovon mir 1.500,- DM bereits ausgezahlt wurden. Der Rest soll nach Behebung der Mängel folgen. Bei einer Gegenüberstellung dieses Betrages mit den Kosten für Gerüst, Container, Material, Löhnen und Gebühren ergibt sich für mich eine recht positive Bilanz. Der Zuschuß der Stadt war eine so wesentliche Hilfe bei der Realisierung des Projekts, daß eine Renovierung der Fassade für jeden finanzierbar erscheint. Wir selber haben ca. 235 Stunden = 30 Tage Arbeitszeit investiert.

Sollte ein Nachbar im Dorf an den genaueren Zahlen interessiert sein, so bin ich gerne bereit, sie mitzuteilen.

Reinhold Gnirck

Die Jagd

Die Jagd in Walsdorf von 1953 bis 7980: Teil II.

Das Schwarzwild

Die Anzahl der Wildschweine, die geschossen werden dürfen, bestimmt allein der Jagdpächter. Dies ist auch sehr sinnvoll, denn die Vermehrung des Schwarzwildes kann unter günstigen Umständen so groß sein, daß von einem auf das andere Jahr der Bestand zu hoch wird und die Wildschäden stark zunehmen.

In den Jahren 1953 – 1969 gab es nicht so viele Wildschweine. Im Schnitt kamen in dieser Zeit zwei Stück pro Jahr zur Strecke. Doch die Veränderung der Landwirtschaft, speziell der Anstieg des Maisanbaus, begünstigte ein Anwachsen der Bestände. Ein Rückfall war im Jahre 1972 zu verzeichnen, als die Schweinepest den größten Teil Schwarzwildbestandes des Taunus dahinraffte. In den Jahren danach vermehrten sich die Wildschweine dank einiger guter Mastjahre wieder sehr schnell, so daß seit 1970 im Schnitt 8 Sauen erlegt werden mußten, um den Wildschaden im Mais in Grenzen zu halten.
Seit 1977 zeichnet sich aber wieder, ein leichter Rückgang des Schwarz Wildbestandes ab, der auf ein Fehlen der Eichelmast zurückzuführen ist. Es ist nachgewiesen, daß bei fehlender Mast die Zahl der Jungen pro Wildschwein stark zurückgeht. Sind in den Mastjahren 8 – 10 Frischlinge normal, so sind es in den übrigen Jahren nur 2 – 3.

Das Rehwild

Am häufigsten kommt bei uns das Reh vor. Auch beim Rehwild kann man feststellen, daß der Bestand in den letzten Jahren zugenommen hat. Das Reh ist, im Gegensatz zum Hirsch und zum Wildschwein, die in einer Nacht viele Kilometer zurücklegen und von denen je nach Jahreszeit und Äsungsangebot einmal mehr und einmal weniger da sind, sehr standorttreu. Es ist in der Lage, jede sich bietende Deckung auszunutzen und nimmt gelegentliche Störungen nicht übel wie das Rotwild. Der Bestand an Rehwild in unserem Revier beträgt im Jahresdurchschnitt etwa 80 – 100 Stück.

Das Reh richtet kaum nennenswerten Wildschaden an, da es, von Natur aus sehr naschhaft, wie eine Ziege, nur hier und dort ein Blättchen abäst.

Leider sind gerade beim Rehwild die Verluste besonders hoch. Bei der Heuernte wird immer wieder das eine oder andere Kitz ausgemäht, obwohl vorher die Wiesen abgesucht und Scheuchen aufgestellt werden, die die Ricke veranlassen soll, ihre Kitze aus der gefährdeten Wiese herauszuholen.
Etwa 4 – 10 Rehe werden auch alljährlich Opfer des Straßenverkehrs. Hierbei werden fast nur ganz junge Stücke Überfahren, die wegen ihrer Vertrautheit und Unerfahrenheit besonders stark gefährdet sind. Ältere Stücke dagegen sind sehr vorsichtig und scheu. Diese bekommt man nur ganz selten einmal zu sehen.

Dennoch ist das Reh neben dem Feldhasen bei uns die bekannteste Wildart, die jeder Spaziergänger wenn er leise und mit offenen Augen durch den Wald geht, sehen kann, zumal das Reh auch tagsüber sehr aktiv ist Und mehrmals auf stille Waldwege oder ruhig gelegene Felder zum Äsen austritt. Wird es hingegen immer wieder gestört, so zieht es sich in ruhigere Teile des Waldes zurück oder tritt erst sehr spät zur Äsung aus.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Schalenwildbestand in den letzten 1n Jahren zugenommen hat und zur Zeit dahingehend eingegriffen werden muß daß er nicht weiter anwächst. Durch zunehmende Störungen und Beunruhigung wurde das Wild immer mehr zum Nachtwild und verursacht immer größere Schäden im Wald.

Winfried Leichtfuß

Hebammen in Walsdorf Teil 1

Die ärztliche Versorgung der Bevölkerung in ländlichen Regionen ist heute nicht zuletzt durch die modernen Verkehrsmittel relativ gut. Begonnen hat diese im ehemaligen Nassau in den reformfreudigen Jahren zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Neben vielen anderen Neuerungen – wie der Gemeindeverwaltungsordnung von 1816 – besagt ein Edikt Herzog Wilhelms von Nassau vom 14. März 1818, daß alle 28 Ämter des Herzogtums ab 1. April 1818 je einen eigenen Medizinalbezirk unter der Leitung eines Medizinalrates bilden sollten. Alle bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Dienst-Instruktionen und Gebühren- sowie Besoldungsordnungen für das Medizinalpersonal und auch die Hebammen wurden durch neue ersetzt.

Ärzte mußten eine Universitätsausbildung nachweisen und Hebammen an einer besonderen Schule ausgebildet werden. Jede Gemeinde innerhalb eines solchen Medizinalbezirkes sollte nach diesem Edikt v. 1818 entsprechend ihrer Einwohnerzahl wenigstens eine Hebamme bekommen.

Woher kamen nun aber all die ausgebildeten Hebammen, die in den Gemeinden eingesetzt werden sollten? Hier soll nun anhand von Quellenmaterial aus dem Hess. Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden (Abt. 229/155) aufgezeigt werden, wie beispielsweise die erste „staatlich angestellte“ Hebamme in Walsdorf ihre Aufgaben übernehmen konnte.

Zunächst mußte der Gemeindevorstand wohl innerhalb der Gemeinde „ehrbare“ und des Lesens und Schreibens kundige Frauen für diese neue Hebammenausbildung interessieren. Die Frauen mußten bereit sein, für länger als ein halbes Jahr die Schule in Hadamar/Westerwald zu besuchen.
So konnte der Gemeindevorstand von Waldorf am 30.5.1818 gleich drei Bewerberinnen an das Amt Idstein bzw. die Herzogl. Nassauische Landesregierung melden.

Das waren:

  1. Maria Catharina Leichtfuß, 29 Jahre
  2. Catharina Elisabeth Hedwig, 22 Jahre
  3. Catharina Ochs 28 Jahre.

Alle drei Bewerberinnen waren verheiratet und laut Urteil des Gemeindevorstandes „reinlich und sittsam“ wie es abschließend in dem Schreiben heißt.

Daraus ist zu entnehmen, daß der Gemeindevorstand versuchte, die, Auswahl der Bewerberinnen für das Amt Idstein zu „erleichtern“. Das war, wie ich meine, durchaus legitim. Dem Gemeindevorstand waren die Bewerberinnen bestimmt schon längere Zeit persönlich bekannt. und so konnten die Männer beurteilen, welche der Bewerberinnen in ihrer Gemeinde diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen konnte. Da die Hebammen damals und auch später in den Gemeinden sehr geachtet waren, mußte die geeignetste und auch von den meisten Mitbürgern anerkannte Bewerberin auserwählt werden. Das Amt Idstein entsprach dem Wunsch des Gemeindevorstandes, denn auch der Medizinalrat entschied sich nach Prüfung der Kandidatinnen für Maria Catharina Leichtfuß. Mit ihr schickte man wohl wirklich die geeignetste Frau als „Hebammenlehrling“ zur Schule nach Hadamar, wie sich später zeigen wird. Sie schloß 1819 die Ausbildung erfolgreich ab und wurde im Juni Jahres mit den neuen „Instructionen“ in Walsdorf als Hebamme angestellt. Auf Anweisung der Landesregierung erhielt sie aus der Gemeindekasse einen Sold von 22 Gulden pro Jahr.

Zu ihrer Ausrüstung gehörten folgende Instrumente:
ein Gebärstuhl,
eine Mutterspritze,
eine Klistierspritze,
eine größere Schere,
eine kleinere Schere
sowie ein Hebammenbuch.

Die Ausrüstungsgegenstände mußten die Gemeinden zur Verfügung stellen.

Für ihre Dienste konnten die Hebammen laut der festgesetzten Gebührenordnung Gebühren erheben. So kosteten Verrichtungen bei einer Geburt und 10 Tage Betreuung der Wöchnerin und Säugling bei Wohlhabenden 1 Gulden 30 Kreuzer, bei Mindervermögenden 45 Kreuzer und bei Armen nichts. Da es in den Gemeinden damals relativ viele Mindervermögende und Arme gab, waren die Verdienstmöglichkeiten der Hebammen nicht sehr groß. Dennoch gewissenhaft und zuverlässig zu arbeiten, forderte von diesen Frauen doch eine gewisse Selbstlosigkeit und Reife. Die Instruktionen für die Hebammen in Nassau verpflichten diese zu „untatelhaftem“ Lebenswandel, Verschwiegenheit, „steter Nüchternheit“, steter Anwesenheit sowie zum Gehorsam gegen den Medizinalrat und dessen Assistenten. Ferner waren sie verpflichtet, sich einer jährlichen Prüfung durch den Medizinalrat zu unterziehen.

Zu ihren Pflichten gehörte es auch, innerhalb von 24 Stunden die Geburt eines Kindes (auch Totgeburten) dem Ortsgeistlichen (Standesämter gibt es erst seit 1875) anzuzeigen, sofern es nicht die Eltern vornahmen. Sie hatten neben der Betreuung der Wöchnerinnen und Säuglinge bei Impfungen zu assistieren. Jedoch war es ihnen untersagt, Wohnungen zu betreten, in denen ansteckend Kranke (besonders Kinderblatternkranke) lagen. Wurden sie dennoch zu einer Entbindung in ein solches Haus gerufen, durften sie vorerst kein anderes Haus betreten, bevor dies der Medizinalrat erlaubte.
War eine Hebamme erkrankt oder für längere Zeit mit Erlaubnis des Medizinalrates abwesend, mußte eine Vertreterin aus einer der Nachbargemeinden unentgeldlich einspringen. Diese Vertreterinnen wurden vom Amt den einzelnen Gemeinden schriftlich bekanntgegeben. Eine Vertreterin mußte auch aushelfen, wenn in einem Ort gleichzeitig zwei Geburten anstanden.

Krankenpflegedienste waren den Hebammen wegen der Ansteckungsgefahr untersagt, ebenso das Waschen und Anziehen von Verstorbenen, da man die Erregung von „unangenehmen Vorstellungen“ bei. Schwangeren und Wöchnerinnen befürchtete.

Wie schon angedeutet, war die erste staatlich angestellte Hebamme von Walsdorf, Maria Cath. Leichtfuß, in der Gemeinde aufgrund ihrer Gewissenhaftigkeit, ihres Geschickes und ihrer gesamten Persönlichkeit hochgeachtet.

Davon erfuhr sogar die Nass. Landesregierung, und sie reagierte in einem Schreiben vom 7. Nov. 1827 an das Amt Idstein darauf folgendermaßen:

„Unter den einberichteten Verhältnissen und bei den angevührten guten Eigenschaften der Hebamme Leichtfus in Wallsdorf, haben Wir uns bewogen gefunden, den Gehalt derselben von 22 Gulden auch achtundzwanzig Gulden vom 1sten Januar des künftigen Jahres zu erhöhen.“
Frau Maria Cath. Leichtfuß wirkte bis zu ihrem Tod Ende 1849 in Walsdorf als Hebamme. Ihre Nachkommen sind als spätere „Ammedrehersch“ vielleicht dem einen oder anderen unter den Lesern noch bekannt.

Während ihrer langen Dienstzeit von 30 Jahren stieg die Anzahl der Familien in Waldorf von 132 (1819) auf 187 (1849). Das bedeutete eine größere Belastung der Frau, die half, den „Zuwachs“ ans Licht der Welt zu bringen. Daher entschloß man sich 1828 im Gemeindevorstand von Walsdorf, eine weitere Bewerberin als Hebamme ausbilden zu lassen. Aus den verfügbaren Unterlagen geht jedoch nicht hervor, ob eine der sieben Bewerberinnen tatsächlich ausgebildet wurde.

Monika Kiesau

Walsdorf – das geteilte Dorf

Bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts war Walsdorf ein vielen Herren verpflichtetes Dorf. Die Gemarkung war aufgeteilt auf das verschiedenen Herren gehörende Amt Camberg und die Grafschaft Nassau-Idstein. Besitz und Nutzungsrechte hatte man außerdem noch in dem politisch eigenständigen Amt Altweilnau, dessen Herren oft wechselten. Anders gesagt: in vier Nachbargemeinden hatten die Waldorfer Äcker, Wiesen und Wälder. Die folgende Karte soll die komplizierte Lage nur im Nordwesten verdeutlichen; denn 1622 wurden hier die vielfältigen Schwierigkeiten aus dieser Situation beispielhaft deutlich.

Viel Ärger hatte sich schon angestaut, als im Juni 1622 der evangelische Pfarrer Fell nach dem Gottesdienst zur Feier von Peter und Paul mit einigen Walsdorfern zu den Wiesen oberhalb der Morcher Mühle ging. Sie mußten feststellen, daß einige Würgeser an „unserem Feiertag“ Gras mähten, und glaubten, das geschähe „uns zu hohn und trotz“. In dem Streitgespräch mit der resoluten Frau des Trompeters von Würges erklärten die Walsdorfer, sie würden auf ihren Feldern die Camberger Feiertage immer einhalten.

Wer in dieser Gegend jedoch etwas zu sagen hatte, war beiden Seiten unklar: die Frau hielt sie für cambergisch, der Pfarrer für Steinfischbacher Gebiet im Amt Altweilnau (Grafschaft Nassau-Hadamar). Weitere Verwicklungen traten jetzt zutage. Der evangelische Pfarrer zu Walsdorf erhielt von den katholischen Würgesern einen Heuzehnten, der ihm aber gelegentlich von einigen nicht geliefert worden war.

Pfarrer Fall meinte, er habe nur friedlich seine Meinung gesagt und keineswegs ein Verbot ausgesprochen. Doch als am nächsten Sonntag die Walsdorfer zur Verpachtung ihres Kornzehntens nach Camberg kamen, eröffnete ihnen der trierische Amtmann, sie dürften in Zukunft auf ihren Feldern in seiner Hoheit an Camberger Feiertagen nicht arbeiten. Hier lagen Walsdorfs beste Äcker, deren Bestellung nun durch die mitten hindurch gehende Religionsgrenze sehr erschwert wurde. Verbunden damit war eine Kalendergrenze: das Amt Camberg rechnete schon nach dem neuen gregorianischen Kalender, die Grafschaft Idstein ging mit dem alten um 10 Tage nach.

Doch auch bei den Maßen gab es Differenzen, wie sich heraus stellte, als die Walsdorfer Beamten in diesen Tagen ihre etwa alle 10 Jahre übliche Begehung des Emsbachs unternahmen. Ihnen wurde vorgeworfen, bei der Neuvermessung ihr „Bachmß“ angewandt zu haben. Sie erwiderten darauf, daß „Nicht nach unserem bachmaß Sondern etliche schuh weniger“ gemessen wurden wäre. Danach wurde den Anrainern aufgetra­gen, das Bachbett von Sand und Sträuchern zu reinigen, um Hochwasserschäden zu vermeiden. Damit waren die nächsten Streitfragen gegeben: Durfte Walsdorf alleine die Vermessung und Aussteinung vornehmen, da der Emsbach doch eine Grenze darstellte? Hatte es dabei den Bachlauf zu seinen Gunsten verändert? Durfte es Würgeser mit einer Geldstrafe belegen, wenn sie die geschlagenen Erlen nicht forträumten?

Diesen doppelten Ärger im Emstal benutzte nun der trierische Amtmann zu Gamberg, um einer; weiteren Streitpunkt aus der Welt zu schaffen: die Grenzsteine am Wörsdorfer/Walsdorfer Gebück. Es wurde auch Landgewehr genannt und bestand aus einem Doppelgraben mit Wällen, die mit undurchdringlichem Gesträuch bewachsen waren. Für seine Unterhaltung waren die Bewohner von Idstein verantwortlich.
Vor einigen Jahren nun hatte die idsteinische Regierung die Grenzsteine erneuert, die auf beiden Seiten Äcker und Wiesen vom Gebück abgrenzen sollten. Wie üblich war aus Camberg niemand hinzugezogen worden, obwohl es sich um eine Staatsgrenze handelte. Die Herren von Camberg, der Erzbischof von Trier und der Graf von Nassau-Dillenburg, betrachteten das jedoch als einen Angriff auf ihre Souveränität und forderten die Walsdorfer auf, die Steine auf ihrem Gebiet zu entfernen.

Falls sie sich weigerten, sollten sie ihre Felder jenseits von Färber- und Emsbach nicht mehr betreten dürfen. Sofort wurde Walsdorfs Steinsetzern ihre Tätigkeit dort verboten. Wegen der kleinen Landparzellen hatten sie bei der Festlegung der Grundstücksgrenzen eine wichtige Aufgabe. Der dillenburgische Amtmann forderte eine „dapfere Strafe“ und wollte, daß man von denjenigen, die bei der Steinsetzung am Gebück dabei gewesen waren, „etliche beim Kopf bekäme oder da sie Güter im Amt Camberg hätten, solche ihnen verböte, und ohne weiteres Anhören, bis sie Genüge getan, gefangen nehme.“ Der Oberamtmann in Idstein wurde außerdem schriftlich aufgefordert die Auslieferung vorzunehmen. Daß diese Drohung ernst zu nehmen war, wußte man in Walsdorf. Die Brücke über den Färberbach beim Großen Garten war ein bekannter Platz für den Austausch von Gefangenen.
Das kleine Walsdorf war in einen Grenzstreit der beiden „großen“ Nachbarn geraten, an dem es keinen Anteil hatte und der auch bei Gnadenthal, Eufingen und Dauborn bestand. Es stellte sich auf die Seite des Landesherrn des Ortes und kam den Camberger Befehlen nicht nach. Darauf warfen nach wenigen Wochen „aus der Kellerey Camberg Schultheiß und Geschworene aus allen Dörfern uff die 30 Personen“ ohne Vorankündigung 30 Steine heraus (26.8.1622)

Der nun folgende diplomatische Briefwechsel brachte nichts. Das war schon früher so gewesen, un ähnlich war es in den folgenden Jahrzehnten. Nur eine friedliche Einigung konnte die oft beschworene „Gute Nachbarschaft“ wiederherstellen. Das einzige übergeordnete Gericht, das Reichskammergericht, war machtlos. So zählten immer nur die Fakten, die der Stärkere schuf. Idstein machte daher z.B. den Vorwurf, „dass demnach besser gewesen wäre, innezuhalten und es zu nachbarlicher Communication (Besprechung) kommen zu lassen, als sich selbst facto (durch die Tatsachen) rechtzusprechen.“

Diese schwierige religiöse, rechtliche und politische und damit verbunden auch wirtschaftliche Lage Walsdorfs lässt sich bis ins 14. Jahrhundert belegen. Sie geht aber wohl weiter zurück bis zur Gründung der Grafschaften Dietz und Idstein im 12. Ein Ende findet diese Zersplitterung erst im 19. Jahrhundert.

Quellen: HStAW 133 Ib 151 und 171 C6

Gerhard Buck

Der Aktuelle Arbeitskreis lädt ein zu einem

VORLESEABEND

Mitglieder lesen in ihren verschiedenen Dialekten

16. 1. 1982 – 19.30 Uhr – Gasthaus „Zur Traube“

Verantwortlich: Gerhard Buck, Am Borngraben 24, 627 Walsdorf
(Sollte jemand aus Versehen eine Nummer nicht erhalten, so kann er jederzeit bei mir eine bekommen.)

Termine des Bürgervereins

1. Historischer Arbeitskreis: jeden 1. Montag im Monat, 20.15 Uhr, im ehem. Rathaus
2. Historischer Arbeitskreis (Fotos): mittwochs 19.30 Uhr bei Emil Hohl
3. Aktueller Arbeitskreis: jeden letzten Dienstag im Monat, 20.15 Uhr, Dorfgemeinschaftshaus