DIE ALTE SCHULE ALS SCHULMUSEUM?
Der Ortsbeirat Walsdorf faßte in seiner Sitzung am 17. März 1986 einstimmig folgenden Beschluß:
Nachdem sich bisher keine Käufer für die alte Schule gefunden haben, hat sich nun der Ortsbeirat, angeregt durch den Bericht in der Idsteiner Zeitung vom Feburar 1986 „Schule wie anno dazumal“, wonach der Rheingau-Taunus-Kreis ein Schulmuseum einrichten möchte, mit dieser Angelegenheit beschäftigt.
Wir sind der Meinung, daß sich die ehemalige Schule hervorragend für diesen Zweck eignet. Das Schulgebäude wurde im Jahre 1824 erbaut und zeigt ein gutes Beispiel großzügiger nassauischer Schulbaupolitik. Erstellt wurde das Schulgebäude auf den Grundmauern des vor 1156 gegründeten Klosters.
Außerdem könnten zum Aufbau eines derartigen Museums bereits schon heute wichtige Beiträge aus der Walsdorfer Bürgerschaft geleistet werden. So verfügt z.B. der Bürgerverein über 50 Schulfotos ab 1877, die meisten bereits großformatig. Alte Innenaufnahmen können das Leben in den Klassen verdeutlichen. Weitere Kinder- und Jugendfotos sind vorhanden. Auch eine ständige Betreuung vor Ort durch den Bürgerverein wäre denkbar und möglich. Die Schulgeschichte würde sich hier in einem optimalen Rahmen zurückverfolgen lassen.
In unmittelbarer Nähe steht sogar noch der Vorgängerbau aus dem 30jährigen Krieg.
Die Werbung „Idstein – Stadt der Schulen“ würde eine wirksame Verstärkung erhalten.
Der Ortsbeirat bittet, diese Nutzungsmöglichkeit dem Rheingau-Taunus-Kreis vorzuschlagen und zu prüfen, ob Mittel aus dem Dorfsanierungsprogramm zu beschaffen sind.
WALSDORFER KREPPELZEITUNG 1948
1.
Beim Boiemoster fange mer a,
da kimmt hernoch au ziemlich die ganz Gemo.
Soi Amt das tut er gut verwalte,
er stellt sefriede die Junge un die Alte,
soweit es en seine Kräfte stieht.
Wonns ach manchmol horig hergieht,
un wonn es do nit alla konn schaffe,
do kimmt die ganz Vertretung gelaafe,
do werd berotschlagt und geschennt,
und mancher es ach scho fortgerennt.
Un wonn do die Sitzung werd geschlosse,
es mancher ganz bies verdrosse,
am Enn worn se alle au gescheut wei virher,
grad als wonn gor ko Sitzung gewese wär.
Alles zowwelt gruss un klao,
alles hängt awer ach ao de Gemo.
De Polizeidiener brauche mer doch en de Gemo,
doch met soim Gehalt steht e scho ganz henne dro.
De Feldschütz es zuviel e rimm hergerennt,
drimm hott mern jetzt ach noch als Forsthüter ernennt.
Der es aus de B-Klass en die A-Klass kumme,
soin Gehalt hott warscheins ganz schi zougenumme,
denn die Vertretung es wahrscheinlich met ia debei,
awwer die Holzklauerei es noch long nit vebei.
De Gehalt vom Nochtwächter kann mer sporn,
mer hunn ach au die Zeit ganz gout geforn,
es es ach su besser da wuhi soll das führn,
wenn der tät iwwerall erimm spekuliern.
De a schlacht schworz, de anner tut buttern,
de a brennt Schnaps, de anner tut muttern,
das brauch de Nochtwächter nit alles se wesse,
sonst hätt veleicht schun moncher em Kan gesesse.
De Korl natierlich bricht allen die Lanze,
denn der bewacht treulich de Gemo ihr Finanze.
E jeder werd beigeschlaaft a de Hoor,
doch wu nix es hott de Kaiser soi Recht verlorn.
En technischer Hinsicht wär noch vill se sa,
Guckt Euch doch e mol die Strosse a,
awwer dos werd ach obgestellt.
Dorch de Polizeidiener werd jetzt geschellt,
doss jeder e poor Stelze greit bezugscheinfrei,
un behowe es die gonz Schweinerei.
Die Strossbeleuchtung kimmt jetzt ach a die Reih,
da es es awwer ach aus met de Schiewerei.
6.
Un usser leiwer Augustin,
bei dem es noch nit alles hie,
der hott sich gleich drei ageleet.
Was menter, wu do de Wend herweht?
De erscht fir sein Vorteil off em huhe Amt,
die zwaat off em Wirtschaftsamt für Kraftstromzuteilung es bekannt.
Die dritte für Grenzschmuggel ens Französische Gebiet,
do kann mer sich denke wu hie das gieht.
Vo de vierte will es nit vill wesse,
ich glaawe dei hott er schun längst vergesse.
Dei hot doch e Haus, Scheuer, Garage, Boub un e Mädche.
Do hätt doch laafe kinne gleich das Rädche.
August besinn Dich, noch es es Zeit!!!
Do beste versorgt bes en die Ewigkeit.
10.
En evakuiert Fraa fiehrt fort, en die Kur,
es sinn jo 14 Tage nur.
Unvehofft rappels am Telefon,
de Jakob soll kumme a die Bahn.
Der macht sich gleich fort um se en Empfang se numme,
awwer die Holde, die Schiene wor gor nit kumme.
Un hammwärts lenkt er die Schritte da,
un als e moid hammkumme,
do es em erscht e Licht offgange,
was en de Zeit bei ihm es virgange.
De Radio es fort, un noch vill mi.
Do muß awwer gleich die Polizei emol her.
Un wei da die Polizei es kumme,
hott dei gor nix mi gefunne.
Wer en de Sach noch Aussag mache kann,
der melle sich gleich bei der Polizei a.
16.
Noch ans will ich bekannt euch mache,
en neu Firma em Ort tout Reklame mache.
Es werd offeriert, de beste Woi,
doch muß natürlich ach ebbes degeje soi,
Korn, Waas, Mehl, Kartoffeln usw.
alles annere un Auskunft erteilt ganz heiter,
un alle Afroge sin se richte an Elferrat,
der stieht euch bei met Rot un Tat.
21.
Gor vill es noch en Walsdroff passiert,
do es besser, es werd nit su vill drenn erimmgeriehrt.
Wann mer das noch off wollt menge
tät mer jo gor ka Enn nit finne.
Weil auch ich nicht zuviel in der jüngsten Vergangenheit herumrühren will, habe ich von den 21 Strophen nur einige unverfängliche herausgesucht, die uns die Nachkriegszeit vor Augen führen. Viel Menschliches wird in den anderen ganz offen beschrieben. „Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Freiw. Feuerwehr Walsdorf.“ 400 Stück wurden von dieser Kreppelzeitung gedruckt. Gefunden wurde dieses Blatt in einem alten Küchenschrank von Wilhelm Christmann.
Gerhard Buck
Das Schulhaus wird 160 Jahre alt (4. Folge)
DIE PLANUNG DER NEUEN SCHULE
IM JAHRE 1824
Das alte Schulhaus neben der Kirche hatte zu Anfang des 19. Jahrhunderts schon ein stattliches Alter auf dem Rücken. Es war nach 1630, also etwa 200 Jahre früher, von einem frommen Ehepaar, dessen Kinder 1623 fast sämtlich an der Pest gestorben waren, geschenkt worden.
Das alte Schulhaus an der Kirche
Jetzt war es, wie es im Visitationsbericht des Amtes Idstein von 1822 heißt, dringend reparaturbedürftig. Nach dem Kostenvoranschlag sollten die Reparaturkosten 509 Gulden betragen. Das war eine große Summe, wenn man sie mit dem Verkaufserlös von 905 Gulden für die alte Schule im Jahre 1825 vergleicht. Der Taxwert von 905 Gulden war nicht ganz erreicht worden, weil, wie die herzogliche Landesregierung in ihrem Genehmigungsantrag an das Staatsministerium darlegt, sich „die Gebäulichkeiten auf einem entlegenen Platz befinden, alt und baufällig sind, daher einer Reparatur bedürfen und nach der abgegebenen besonderen Erklärung des Ortsvorstandes von Walsdorf nicht zu erwarten ist, daß durch eine abermalige Versteigerung ein höherer Erlös erzielt werden wird.“
Außerdem war es auch sehr eng geworden im alten Schulhaus. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wuchs wie in ganz Deutschland so auch in Walsdorf die Bevölkerung im Vergleich zu den früheren Jahrhunderten sehr stark. Die medizinische Versorgung und die Ernährung waren besser geworden und die Kindersterblichkeit erheblich zurückgegangen. Für die 120 Schulkinder im Jahre 1822 gab es nur eine Schulstube von 20 Fuß im Quadrat, also etwa 36 m2. „Man denke sich nur, 120 Kinder mit dem Lehrer und den Bänken in einem solchen Raum“, schreibt der Schultheiß. Baudirektor Götz war bei seiner Besichtigung zum gleichen Urteil gekommen. Nach seinen Berechnungen war es abzusehen, daß die Gemeinde bei dem jährlichen starken Zuwachs von Schulkindern nach 6-8 Jahren doch gezwungen sein würde, eine neue Schule zu bauen.
Schließlich wissen wir aus dem Schriftwechsel vom Juni 1822 zwischen der Landesregierung und dem Amt Idstein, daß die Gemeinde auch große Sorgen mit ihrem Rathaus hatte. Das alte Klostergebäude, das der Gemeinde als Rathaus diente, war so baufällig geworden, daß „es nach und nach anfing zusammenzufallen“.
Planungen
So verwundert es nicht und erwies sich als vernünftig und weitsichtig, daß der anfängliche Plan, die alte Schule gründlich zu renovieren, fallengelassen wurde und über die Planung einer neuen Schule mit Rathaus nachgedacht wurde. Hierüber berichtet der Schultheiß unter dem Datum vom 3. März 1824 an das herzogliche Amt zu Idstein: „Der Ortsvorstand, einen so wichtigen Gegenstand für sich allein nicht übernehmen wollend, versammelte nun die ganze Gemeinde und erwog die Gründe für und wider die Erbauung eines neuen Schul- und Rathhauses, stellte auch die Frage vor, ob die Gemeinde lieber die alte Schule noch auf eine Zeitlang reparieren lassen oder eine neue bauen wolle, worauf dieselbe einmüthig beschloß, daß sie aus folgenden Gründen lieber neu bauen wolle,
1. da das alte Schulhaus doch nur auf kurze Dauer eingerichtet werden könne und die Gemeinde hernach doch neu bauen müsse, so wären hernach die jetzt anzuwendenden beträchtlichen Reparaturkosten nicht allein verlohren, sondern das Schulhaus würde durch diese Umgestaltung hernach als Bauernwohnung weniger Werth haben wie jetzt …
2. hätten sie auch kein Rathhaus, welches ebenfalls umso nöthiger sey, da die Gemeinde nicht einmal in den hiesigen allendhalben kleinen Wirthshäusern versammelt werden könne, des fehlenden Locals zur Zusammenlieferung der Zehend- und Güldfrüchte, Aufbewahrung der Feuergeräthschaften, Registraturschränken pp gar nicht zu gedenken.
3. seyen jetzt außer noch vielem brauchbaren Holz, Bau- und Schiefersteinen, alle erforderlichen Steine zum Neubau von dem alten Rathhaus vorhanden, welches die Erbauung des neuen Schulbaus um vieles erleichtere, welches aus dem Bauetat und dem Versteigerungsprotokoll auch ersichtlich ist.
4. sey jetzt das erforderliche Bauholz im Gemeindswald noch vorhanden, welches in kurzer Zeit nicht mehr vorhanden sey, indem der Distrikt, wo dieses Bauholz stünde, größtentheils schon im Geheeg liege, und daher ohnehin abgehauen werden müsse.
Wenn aus diesen Gründen der Ortsvorstand auf gnädige Willführung des neuen Schul- und Rathhausbaus anzutragen glaubt, so überläßt er jedoch die Sache dem höheren Ermessen herzoglicher Landesregierung …“
Die Bauzeichnung wurde von dem Baukontrolleur Herrmann vom Amt Idstein entworfen und von der Landesregierung als zweckmäßig und bequem beurteilt. Dem Planer wurde bescheinigt, er habe den Raum des Platzes gut genutzt.
Baugenehmigung
Bevor die Landesregierung, die nicht ganz auf dem laufenden war – sie ging davon aus, die 1822 beantragte und genehmigte Reparatur sei auch ausgeführt worden – die Genehmigung für den Neubau eines Schul- und Rathauses erteilte, beauftragte sie das Amt Idstein, „den Gegenstand … in gründliche Erwägung zu nehmen, da derselbe bei dem bedeutenden Kostenaufwand von inclusive der Ökonomiegebäude 4173 Gulden für die Gemeinde sehr wichtig“ sei. Nachdem klargestellt war, daß die Reparatur unterblieben war, genehmigte die herzogliche Landesregierung am 20. März 1824 den Neubau mit „folgenden näheren Bestimmungen:
1. muß aller Bedacht darauf genommen werden, daß die Lehrzimmer für die Anzahl der Schulkinder und deren voraussichtliche Vermehrung vollkommen geräumig, hoch und gesund angelegt und ausgebaut werden. Um diesen hauptsächlichen Zweck zu erreichen, darf auch eine kleine Mehrausgabe nicht verachtet werden.
2. dagegen ist aller Luxus und Überfluß in der Ausbauung der Lehrerwohnung, Gänge, Treppen, Thüren und sonsten zu vermeiden, und überall hier auf Sparsamkeit, ohne jedoch der Haltbarkeit und Seriosiät des Gebäudes durch tüchtige Ausarbeitung zu schaden, aller mögliche Bedacht zu nehmen.
3. ist die Erbauung einer besonderen Wohnung für den Lehrgehülfen noch zur Zeit auszusetzen, auch dürften ein oder mehrere Abtritte – deren 5 vorgeschlagen sind – überflüssig sein.
4. setzen wir voraus, daß auf den eintretenden Fall der Nothwendigkeit bei immer steigender Population entweder die Lehrzimmer durch Anbau noch vergrößert oder doch ein weiteres drittes Lehrzimmer leicht gebaut werden kann.“
Die zwei Klassenzimmer waren 843 1/3 Quadratfuß (also etwa 75 m2) groß geplant. Da zu dieser Zeit nach den bestehenden Vorschriften für ein Kind 6 Quadratfuß gerechnet wurden, faßte jedes Klassenzimmer 140 Kinder. „Demnach haben schon gegenwärtig 280 Kinder hinlänglich Raum. Da dermalen sich in Walsdorf 120 schulfähige Kinder befinden, so unterliegt es keinem Zweifel, daß bei Entwerfung des vorliegenden Bauplans auf die immer steigende Population Rücksicht genommen wurde“, verteidigt das Amt seine Planung.
Über den Fortgang der Verhandlungen und die Ausführung des Baus wird in der nächsten Ausgabe des Bürgerbriefs berichtet.
Helmuth Leichtfuß
Aus den Würgeser Sendgerichtsakten
WALSDORFER KLAGEN VOR DEM „WÜRGESER SENDGERICHT“
Walsdorfs schöner Rosmarin
„Am 30. Juni 1768 zeigte die Frau Seibertin von Walsdorf den Würgeser Sendschöffen Moritz Lohr und Philipp Becker an, daß ihr der Rosmarin in der Pfingst-Sonntag-Nacht wäre gestohlen worden. Sie könne zwar den Dieb nicht mit Namen nennen, gleichwohl hätte sie starke Mutmaßung, daß es etwelche Bursch von Würges müßten verrichtet haben, denn beim Exercitium auf den letzten Pfingsttag hätten die Würgeser Bürsch die schönsten Sträuß von Rosamrin auf dem Hut gehabt. Als sie nun von des Johann Beckers, des einäugigen seiner verheirateten Tochter namens Katharina, welche zu den Bursch in ihrer Werktagskleidung auf den Exercitiumsplatz gelaufen und ihr, der Frau Seibertin, vorm Obertor in Camberg begegnet wäre, gewarnt worden, daß nämlich nachgeforscht würde wer den Rosmarin gestohlen hätte. Die Bürsch hätten daraufhin ihre Sträuß von den Hüten hinweggetan. Wenn sie nun mit Recht ihre Sträuß gehabt hätten, so hätten sie selbige nicht brauchen hinwegzutun.“
Wie die Sache ausgegangen ist, konnte in den Akten nicht gefunden werden. Sicher gab es in dieser Zeit in Walsdorf besonders schönen Rosmarin, der den Würgeser Burschen ins Auge stach, denn bereits am 3. August 1765 beklagte sich Frau Anna Catharina Lehmann von Walsdorf beim Würgeser Sendgericht, daß ihr von Würgerser Bürsch an den Sonn- und Feiertagen des Nachts der Rosmarin gestohlen würde: „Das einemal in der Jakobs-Nacht, und einmal am 8. Sonntag nach Trinitatis. Unter den Burschen soll gewesen sein des nassauischen Schultheißen Knecht und des Wagners Andreas Sohn.“
Das Sendgericht
Sendgerichte bestanden in jeder Pfarrei und rührten noch von der trierischen Regierung her. Es war ein rein kirchliches Gericht, welches unter dem Vorsitz des Pfarrers mit zwei Sendschöffen geführt wurde. Es verfolgte alle Verfehlungen in bezug auf Störungen in der Kirche, schlechten Schulbesuch, Entheiligung des Sonntags durch den Besuch des Wirtshauses, Kartenspiel, Tanzen und Handel während der Zeit des Gottesdienstes. Dabei wurde keine Rücksicht auf die Konfession oder den Stand der Person genommen. Die Schöffen machten regelmäßige „Kontrollgänge“, bzw. – wie es in den Akten steht – gingen sie „laustern“. Sie richteten ihr Augenmerk besonders auf: Zwiste unter den Eheleuten, Gotteslästerungen, verdächtige Bekanntschaften, uneheliche Geburten u.d.g.
In einer Zusammenfassung aus: „Strenge Zeiten im goldenen Grund in kurfürstlicher – trierischer Zeit“, von Eugen Caspary, werden die Punkte aufgezeigt, welche die Sendschöffen unter Eid verpflichtete, für das Kirchengut Sorge zu tragen und achtzuhaben auf Sittsamkeit und Zucht unter den Pfarrgenossen:
1. Aufsicht zu führen, daß Kirche und Friedhof nicht verunehrt werde …
2. Sie haben jeden vor dem Sendamt anzuzeigen, der in seiner Pfarrkirche nicht seine österliche Kommunion verrichtet. 3. Sie haben die Religionsschänder sowie jene gleich anzuzeigen, welche an Sonn- und Feiertagen öffentlich knechtliche Arbeiten verrichten.
4. Sie haben dem Sendamt anzuzeigen, wenn während des sonn- und feiertäglichen Gottesdienstes in Wirtshäusern Getränke verabreicht werden.
5. Ferner haben sie anzumelden, wenn Leute, die einander verehelichen wollen, in irgendwelchem Grade miteinander blutsverwandt oder verschwägert sind.
6. Personen, die in einem unerlaubten Verhältnis zusammenleben, sind desgleichen von den Sendschöffen anzuzeigen.
7. Endlich haben die Sendschöffen darüber zu wachen, daß die Stiftungen und die Gottesdienste ordentlich gehalten werden und das Kirchenvermögen bewahrt werde, so wie auch, daß Ordnung und Ehrerbietung herrsche in allen öffentlichen Gottesdiensten sowohl in wie außerhalb der Kirche.“
In den Sendgerichtsprotokollen spiegelt sich das wirkliche Leben. Die Sitten und Bräuche an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert liegen dem Leser offen vor Augen. Man sieht sich – im Vergleich zu heutigen Zeit – manchmal in eine ganz andere Welt versetzt, eine Welt von Denunzianten, in der jeder jeden bespitzelte und denunzierte. Von einer „guten alten Zeit“ fehlt darin jede Spur.
Blutiger „Weineinkauf“
„Am 30. März 1983 zeigte Johann Pfennig von Walsdorf, kath. Religion“, an, daß er nach der Frühmesse in des Metzger Heinrichen Haus gegangen und daselbst ein Gläschen Branntwein getrunken hätte.
Den Kraft, den Schuster Kalteborn und den Leinenweber Becker mit einem roten Kopf – alle 3 aus Würges – angetroffen hätte, welche schon Wein getrunken. Kalteborn und der Leineweber Becker hätten sich in einen Handel eingelassen, nämlich dieser habe jenem das Rothland abgekauft für 12 Batzen. Als sie nun des Handels einig gewesen, wäre der Kauf mit Wein betrunken und Bratwurst dabei gegessen worden. Das sei geschehen unterm Amt der heiligen Messe. Der Wirt sei aber nicht einbemüht gewesen. Sie miteinander wären sitzen geblieben bis nach 3 Uhr.
Als der Kläger nun habe fort wollen gehen, hätten sie ihn nicht fort wollen lassen, sondern sein Anteil Geld, maßen 3 Gulden verzehrt worden, zuvor habe bezahlen sollen. Auf die Weigerung der Bezahlung, weil es ein Weinkauf gewesen und zur Verzehrung dessen sei gleichsam genötigt worden, habe ihn Johann Kraft zu Boden geschlagen und übel traktiert. Wovon denn noch das Blut vorn auf dem Rock zu sehen wäre. Das Blut aber im Gesicht sei ihm von der Wirtin abgewaschen worden.“
Bestraft wurden solche Vergehen in der Regel mit einem bis drei Pfund Wachs. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erfuhren die Sendgerichte manche Anfeindungen. Von nassauischer Seite wurden die „Renitenten“ unterstützt. Der trierische Amtmann war zwar nicht gegen das Gericht, bewirkte aber, daß „wegen der überhand nehmenden Verwilderung“ und steigender Sittenlosigkeit dem Sendgericht wegen seiner zu leichten und daher weniger fühlbaren Strafen manche Befugnis genommen und dieselbe dem Amt überwiesen wurde.
Seit der französischen Revolution hat es sich noch kümmerlich bis in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts gehalten.
Karl-Heinz Braun (Würges)
TOT DURCH TINTE
Mit einem schwarzen Kreuz markiert, findet sich in der Schulchronik folgender Eintrag für das Jahr 1881:
„Am 10. April d.J. ist Herr Lehrer Wissenbach gestorben, und am 12. d. Mts. wurde er beerdigt. Herr L. Wissenbach hatte sich an der Hand mit einer Stahlfeder Ende Feburar verwundet Die Wunde nahm einen schlimmen Verlauf, und an den bösen Folgen derselben ist Herr L. Wissenbach gestorben.“
Näheres erfahren wir aus der Camberger Zeitung „Hausfreund für den Goldenen Grund“ am 29.4.1881. (Für den Hinweis auf diesen Artikel danke ich Ulrich Lange.)
Leichtfertig!
„Der Tod des am 13. d. Mts. zur Erde bestatteten Lehrers Wissenbach zu Walsdorf dürfte abermals eine ernste Warnung an seine Kollgegen sein, sich ihren Tintenbedarf nur unter größter Vorsicht zu beschaffen. Wissenbach war nämlich an einer durch einen Stich mit einer Stahlfeder in die rechte Hand hervorgerufenen Blutvergiftung gestorben. Sehr häufig ist nämlich die Tinte zur Verhütung von Schimmelbildung mit etwas Ätzsublimat, einem Präparat aus Quecksilberoxyd und Salzsäure, versetzt. Das Ätzsublimat ist aber eines der heftigsten Gifte, weshab die von demselben, wenn auch nur in der allerkleinsten Verhältniszahl durchdrungene Flüssigkeit bei der geringsten Unvorsichtigkeit oder beim geringsten Zufalle die bedauerlichsten Folgen nach sich ziehen kann. Es ist bekannt, wie gerne Kinder die Feder nach dem Gebrauch ablecken, anstatt dieselbe in reinlicher und unschädlicher Weise mit dem Wischer auszufegen. Wie leicht kann außerdem in eine am schreibenden Finger befindliche kleine Wunde Tinte kommen! Auch eine direkte, an sich unbedeutende Verwundung mit der Feder selber ist keine Seltenheit. In allen diesen und anderen Fällen sind die schlimmsten Folgen zu befürchten, sobald die Tinte Sublimat enthält. Wo daher nicht eine ganz sichere, über allen Zweifel erhabene Bezugsquelle zu finden ist, wird man am besten thun, sich das notwendige Tintenquantum selber zu fabricieren. (Rh. K.)“
Hinter der Abkürzung Rh. K. verbirgt sich die Zeitung „Rheinischer Kurier“, von dem dieser Artikel übernommen wurde. Der Camberger Apotheker fühlte sich dadurch in seiner Standesehre getroffen. In der nächsten Ausgabe des „Hausfreundes“ (3.5.) erschien prompt eine Gegendarstellung.
Gegendarstellung
„Camberg, 30. April. Zur Richtigstellung des Artikels über den angeblich durch Inficierung mit giftiger Tinte herbeigeführten Tod des Lehrers W. in Walsdorf diene Folgendes: „In der Walsdorfer Schule findet, wie in den meisten der umliegenden Ortschaften, seit Jahren eine Tinte alleinige Anwendung, welche aus hiesiger Apotheke bezogen ist. Dieselbe wird hier bereitet und es kann mit aller Bestimmtheit versichert werden, daß darin nicht eine Spur weder von Ätzsublimat noch von irgend einem anderen Gifte enthalten ist, was ja auch unschwer an der attentäterischen Tinte in Walsdorf nachzuweisen wäre. Diese Thatsache dürfte, um die einleitende Redewendung des Tintenvergifters zu gebrauchen, eine ernste Warnung an jenen Zeitungsschreiber sein, sich seinen Stoffbedarf für Artikel nur unter größter Vorsicht zu beschaffen, namentlich, wenn seine Erzählungen nicht ganz harmlosen Inhaltes sind.“
Wilhelm Heinrich Wissenbach starb fast 70jährig im Dienst. Er wurde 1811 geboren und kam 1864 nach Walsdorf als Nachfolger von August Wald, dem Gründer des MGV.
Gerhard Buck
Verantwortlich:
GERHARD BUCK