Bürgerbrief 33: Juni 1986

DER VERLAUF DER NEUEN B8

Die längste Zeit der Planung der großen Umgehungsstraße westlich von Bad Camberg ist vorüber. 1969 war das erste Linienfeststellungsverfahren, auf das viele Veränderungen folgten. Das letzte wurde 1982 begonnen und endete damit, daß 1985 das Bundesverkehrsministerium die Linie von Walsdorf bis Erbach festlegte. Ein sogenannter Bleistiftentwurf liegt jetzt vor, zu dem die verschiedenen Behörden Stellung nehmen und an dem sie auch noch etwas radieren können. Wahrscheinlich im nächsten Jahr folgt das Planfeststellungsverfahren, bei dem auch noch Einsprüche möglich sind.

Anschließend werde es Ernst mit dem Bau, wie Bürgermeister Enzmann auf einer Bürgerversammlung in Würges am 10.04.1986 -sagte. Vor allem müsse geklärt werden, wer die ca. 38 Millionen DM Baukosten bezahlen werde.

Für Walsdorf haben sich gegenüber der im Bürgerbrief 26/1984 veröffentlichten Planung einige Veränderungen ergeben, die zurückgehen auf Anregungen, die in der Walsdorfer Bürgerversammlung am 29.05.1985 vorgetragen wurden. Damals war vor allem die Nähe zum Ort kritisiert worden. Die neue Linie soll nun nicht mehr gleich hinter der Walkmühle, sondern erst bei der Einmündung der Straße vom Untertor in die jetzige B8 beginnen: eine Verschiebung von ca. 240 m in Richtung Würges. Am Großen Garten/Würgeser Weg ergibt sich eine Veränderung um ca. 80-90 m. Der nächste Garten ist nun mit 170 m doppelt so weit von der neuen B8 entfernt wie ursprünglich geplant.

Würgeser Einsprüche gegen diese Verlegung wurden vom Straßenbauamt Weilburg mit dem Hinweis verworfen, daß nicht Walsdorf, sondern allein Würges Nutznießer dieser Umgehungsstraße sei. Der Abstand zu Würges seien 350 m, zu Walsdorf 220 m. Außerdem sei der Lärmpegel mit 54-55 db(A) in Walsdorf immer noch doppelt so hoch wie in Würges (45-46). 

Von Bad Camberg/Würges herkommend, wird die neue Straße zwischen Walsdorf und dem oberen Würgeser Sportplatz durch einen 7-8 m tiefen Einschnitt bis kurz vor dem Verbindungsweg Waldsorf-Würges geführt. Über einen kurzen Damm geht sie dann auf eine ,320 m lange Brücke, die 7-8 m hoch ist. Mit einem weiteren Damm erreicht sie schließlich die alte B8 an der jetzigen Abzweigung zum Untertor.

An dieser Stelle wurde die Straßenführung so gewählt, daß die alte B8 während der Bauzeit weiter genutzt werden kann. Wie die abgebildete Zeichnung deutlich macht, wird im Bereich des Grabens (früheres Tiergehege) die Abzweigung nach Würges gebaut, die nach ca. 200 m wieder auf die jetzige Straße trifft. An dieser Stelle wird in Zukunft auch der Verkehr von Walsdorfs Untertor ankommen.

Die alte Straße bleibt (von Walsdorf aus gesehen) biskurz hinter der Brücke, die erneuert wird, bestehen. Dann geht es auf einer neuen Straße unter der neuen B8 hindurch auf die Straße nach Würges.

In der Bürgerversammlung in Würges und auch in der Camberger Stadtverordnetensversammlung am 11.04.1986 wurden aus Würgeser Sicht vor allem Bedenken wegen des hohen und langen Brückenbauwerks vorgetragen. Das Straßenbauamt war jedoch der Meinung, daß die Brücke in dieser Höhe gebaut werden müsse. Ein Absenkung hätte einen tiefen Einschnitt in Würges zur Folge, wodurch es bei der Wasserversorgung zu Grundwasserproblemen kommen könne. Die Stadtverordnetenversammlung war aber dennoch der Meinung, daß versucht werden solle, die Brücke über das Emstal tiefer zu bauen.

Die Stadtverordneten von Bad Camberg stimmten am 11.04. der neuen Linienführung dieser fast 7 km langen Straße zu, wobei es vor allem zu einer längeren Debatte über die Anbindung der L 3031 kam. Diese Umgehungsstraße zwischen Bad Camberg und Würges, die von der Tenne und dem Waldschloß herkommt, soll an die neue B8 angebunden werden. Auch sie wird also das Emstal queren, so daß Würges von zwei neuen Brücken eingerahmt wird. Im Zusammenhang damit wurde auch der Streckenführung östlich der Bahn zugestimmt, wogegen sich viele Würgeser wegen der größeren Nähe zum Ort gewehrt haben.

Gerhard Buck

DIE ALTE SCHULE ALS SCHULMUSEUM (2)

Die Idee des Walsdorfer Ortsbeirates, die ehemalige Schule dem Kreis für sein geplantes Schulmuseum vorzuschlagen, hat in Idstein schnelle Zustimmung erfahren. Bald nach dem Beschluß vom 17.3. (siehe Bürgerbrief Nr. 32) bot der Magistrat der Stadt Idstein dem Kreis das Gebäude für diesen Zweck an. Die Antwort machte deutlich, daß er zwar Interesse hat, aber augenblicklich noch nichts Endgültiges sagen kann, da er sich noch im Stadium des Sammelns und Überlegnes befindet. Die Stadtverordnetenversammlung Idstein beschloß am 15.5. einstimmig, die Initiative des Ortsbeirates zu unterstützen. Zn der vorhergehenden Ausschußsitzung sagte ein Vertreter der Stadtverwaltung, daß ein Abriß des Gebäudes nicht möglich sei, sondern nur eine Sanierung.

G. B.

ÜBRIGENS — WER KENNT NOCH MI SU AUSDRICK

Wenn ich mit Gleichaltrigen oder Älteren ins Gespräch über das Leben und die Verhältnisse im ersten Drittel dieses Jahrhunderts komme oder mich daran erinnere, wie die Erwachsenen manches ausgedrückt haben, wird mir oft schlagartig bewußt, daß ich viele Ausdrücke seit langem nicht mehr gehört habe und sie selbst oft gar nicht mehr gebrauche. Am gefährdetsten sind die Ausdrücke, deren Grundbedeutung man an der Wortform nicht mehr erkennt:

Ein Musterbeispiel dafür war für mich immer der Ausdruck: „Die Frischt riert“. Wenn im August. die Garben mit dem Erntewagen in die Scheune gefahren wurden und beim Abladen viele Körner aus den Ähren fielen, weil sie sehr trocken waren, pflegte meine Mutter zu sagen: „des Johr riert die Frischt awer orsch“ (Dieses Jahr fällt die Frucht aber arg aus). Ich selbst und auch meine Geschwister haben den Ausdruck zwar verstanden, wir haben ihn aber nicht gebraucht, sondern statt rieren ausfallen benutzt. Das war sinnfällig, denn die Körner fielen ja aus den Ähren heraus.

Dabei ist „rieren“ ein uraltes Wort, das im Mittelhochdeutschen, Althochdeutschen, Gotischen und vielen anderen germanischen Sprachen vorkommt als rêren, rîsan, reisan. „Es ist anzunehmen, daß das Wort ursprünglich den allgemeinen Sinn ’sich in Bewegung setzen‘ trug, der sich nach zwei entgegengesetzten Seiten entwickelte: aufstehen, sich erheben und herabfallen, besonders vom tröpfelnden Fallen“. (J. u. W. Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd 14, Spalte 731 ff)

Im Neuhochdeutschen ist nach J. Grimm das Verb reisen = fallen in der Schriftsprache schon früh geschwunden, und mit dem Wort geriet auch seine Grundbedeutung in Vergessenheit. Wer wäre schon so kühn gewesen, es ohne Bedenken. mit dem Verb rieseln in Verbindung zu bringen? Und doch stammen die beiden Zeitwörter von dem gleichen Verb rîsan ab. Nur ist rieseln „mit dem Beweglichkeit, Wiederholung, Kleinheit bezeichnenden 1-Suffix gebildet.“ (Grimm: Deutsches Wörterbuch, Band 14, Spalte 936 f)

So habe ich inzwischen eine ganze Reihe Ausdrücke gesammelt, die mir sprachlich Schwierigkeiten bereiteten und um deren Grundbedeutung ich mich, manchmal freilich auch vergebens, bemühte.
Ich beabsichtige, in lockerer Folge unter der obigen Überschrift nicht nur seltene und nicht mehr gebrauchte Wörter festzuhalten und zu erläutern, sondern wäre auch dankbar, wenn mir von Lesern des Bürgerbriefes solche mitgeteilt würden, denn es ist für jedes Wort schade, das aus dem Wortschatz verschwinden.

Helmuth Leichtfuß

SAAT UND ERNTE
Walsdorfs Landwirtschaft im 18. Jahrhundert

Überproduktion ist ein Stichwort, das uns schnell einfällt, wenn wir an die heutige Landwirtschaft denken. Eine beträchtliche Produktion stellen sich wohl die meisten vor, die an den Goldenen Grund denken. Daß es keineswegs immer zutraf, zeigt ein Bericht aus dem Jahre 1723.

Frost und Hagel

Die Eisheiligen kamen in diesem Jahr 1723 mit gut einer Woche Verspätung. In der Nacht vom 23. auf den 24. Mai suchte ein harter Frost das Idsteiner Land heim. Was verschont geblieben war, wurde im Juli an vielen Orten von einem starken Hagelschlag vernichtet. Als die betroffenen Gemeinden die Regierung um Hilfe baten, kamen Sachverständige, um den Schaden aufzunehmen.
In Walsdorf gab es zwei besonders stark betroffene Stellen: an der Straße nach Würges war das Getreide ganz schwarz ohne Körner, und auf der Höhe nach dem Wald zu war es so „schlecht gewesen, als man es wohl noch niemals gesehen“.

Walsdorfer Bauern

In einer Übersicht wurde festgehalten, wieviel Roggen jeder Bauer gesät, erhofft und verloren hatte. Dazu erfahren wir, was er für sich benötigte. Walsdorf hatte damals schätzungsweise etwa 350 Einwohner bzw. 69 Bürger, die alle bis auf einen Ackerland bestellten. In 62 Familien war der Mann Haushaltungsvorstand, in 7 war es eine Frau/Witwe. Jeder dritte Mann verdiente sich sein Brot nicht nur mit der Landwirtschaft, sondern auch als Schultheiß, Maurer, Sattler, Schmied (2), Schuhmacher, Kuhhirt, Leinweber (2), Zimmermann, Drechsler, Wollweber, Küfer, Schäfer, Schneider, Sattler, Müller; Schuldiener und Schreiner. Der Pfarrer fehlte in dieser Schadensliste, obwohl er gewöhnlich auch landwirtschaftlich tätig war. – Ein Escher und ein Idsteiner bewirtschafteten auch noch Land in Walsdorf.

Aussaat

An der Saatmenge läßt sich ablesen, daß die Besitzverhältnisse sehr unterschiedlich waren. Von den 68 Walsdorfern säten 37 bis zu 2 1/2 Limburger Malter aus (1 LM = 290 Pfund). Zu dieser doch recht großen Gruppe mit geringem Landbesitz – 11 blieben unter 1 Malter – gehörten fast alle Handwerker. Nur Schultheiß, Zimmermann und Müller gehörten zu den 27 Personen, die zwischen 3 und 6 Malter säten. Die 6 größten Bauern säten bis zu 12 Malter aus.

Erhoffte Ernte: 9fach

In einer zweiten Spalte der Schadensaufnahme wurde festgehalten, was jeder „zu hoffen gehabt“ hatte. Da durch die Realerbteilung der Besitz stark zerstückelt war, hatte jeder in allen Teilen der Gemarkung Äcker, d.h. Anteil an den verschiedenen Güteklassen und auch am unterschiedlichen Wetterrisiko.
Insgesamt wurden 228,5 Malter Roggen ausgesät und als Ernte 1070 erhofft, so daß im Schnitt das Korn sich um das 4,7fache vermehrt hätte. Bei dieser geringen und unzureichenden Vermehrung der Saat ist zu berücksichtigen, daß dem Frost und Hagel ein nicht näher beschriebener „großer Mißwachs“ vorausgegangen war, so daß die Walsdorfer sowieso „nur eine halbe Ernte zu hoffen gehabt hätten“, wie sie selbst schreiben. Danach dürfen wir also annehmen, daß zu Beginn des 18. Jahrhunderts hier das Neunfache der Saat geerntet wurde. Heute kann ein Walsdorfer Bauer mit dem 40-50fachen beim Roggen rechnen, was natürlich von verschiedenen Faktoren zwischen Saat und Ernte abhängt.

Die nachfolgende Graphik zeigt die Erwartung des Jahres 1723. Für ein Normaljahr sind die Zahlen der obersten Reihe bei den meisten Bauern zu verdoppeln.

3-4-5-6-7-8-9-faches
 11  28  20  6  3  2 Bauern

Über die Hälfte der Bauern und Handwerker blieben 1723 unter dem Durchschnitt. Überdurchschnittliche Ergebnisse mit dem 7-9fachen erwarteten der Wollweber, Sattler und Leinweber, die nur sehr wenig ausgesät hatten und wohl vom ersten Unwetter verschont geblieben waren.
Mit diesen Erwartungen standen die Bauern des Goldenen Grundes noch recht gut da. Bei den Nachbarn im Taunus sah es dagegen noch schlechter aus. In Wörsdorf wurde eine Vermehrung des Saatkorns im Verhältnis 1:3,5 erwartet, in Beuerbach von 1:3,2 und in Wallrabenstein von nur 1:2,8. Selbst wenn man auch hier die Zahlen verdoppelt, war die Ernte mager.

Verluste

Statt der erwarteten 1070 Malter wurden nur 609 geerntet, was einen Verlust von 43% bedeutet. Bezogen auf die ursprüngliche Erwartung zu Anfang des Jahres waren es sogar rund 70%. Etwa die Hälfte der erhofften Ernte hatten 35 der 70 Bauern verloren, 4 hatten einen Totalverlust, und 3 waren ganz von Frost und Hagel verschont geblieben.

0102030405060   100%
313612356   4 Bauern

So nüchtern wie hier wurde von der Gemeine Walsdorf damals der Verlust nicht dargestellt, sondern im barocken Stil der damaligen Zeit schrieb sie an die Regierung:

„Hochedelgeborene, Hochedelgestrenge, Hochedle und Hochgelahrte, Nassau-Saarbrückische Hochverordnete Herren Gemeinder-, Hof- und Regierungsräte.

Eure Exzellenzen Hochedelgestrengen und Herren wollen gnädigst geruhen, Ihnen hierdurch wehmütig vortragen zu lassen, welchergestalten wir dieses laufende Jahr an unseren Feldfrüchten, absonderlich dem aufm Feld stehenden Korn durch den Frost und sonst solchen großen Schaden erlitten, daß nicht allein teils Äcker völlig, daß man es sogleich abschneiden müssen, teils aber, wo es hoch gelegen, über die Hälfte erfroren ist, und überdieses wegen des großen Mißwachses wir ohnedem nur eine halbe Ernte zu hoffen gehabt hätten.“ (Moderne Rechtschreibung)

Saat – Haushalt – Abgaben

Das Ausmaß des Schadens erfaßte man richtig, wenn man einmal zusammenstellt, wozu die Ernte benötigt wurde.

Zur Aussaat im nächsten Jahr 228,5 Malter
Für den eigenen Haushalt 1.109 Malter
Für sich selber also insgesamt 1.337,5 Malter
Pacht- und Steuerzahlungen erfolgten damals noch in großem Umfang in Naturalien. Als 1772 wieder ein Hagelunwetter Walsdorf heimsuchte, wurde in einer Bittschrift festgehalten, was an Roggenabgaben zu leisten war.

Auf den Präsenzspeicher für das    
Klostergut161Malter1Simmer
Martinskorn4Malter5Simmer
Lehenkorn vom Lehengut10Malter2Simmer
Thomaskorn nach Esch1Malter1Simmer
 177Malter2Simmer
Das Stift Limburg erhielt als Zehnten    
durchschnittlich jährlich ca.50Malter  

Es mußten also etwa 1.564 Malter geerntet werden, um genügend Korn für sich und die Abgaben zu habe. In diesem Jahr hatte man nur 609, d.h. nicht einmal die Hälfte des Eigenbedarfs. In normalen Jahren konnte man mit einem Überschuß von etwa 570 Maltern rechnen.

Überschuß

Diesen Gewinn von 1.650 Zentner Roggen produzierten 45 von 64 Familien, bei denen sich entsprechende Angabe finden. Zu dieser Gruppe gehörten auch der Schultheiß, der „Schuldiener“ = Lehrer und vier Handwerker. Bei zwei Bauern und zwei Handwerkern deckten sich Bedarf und Ertrag. Hier zeigt sich, daß die Handwerker unterschiedlich stark mit der Landwirtschaft verbunden waren und manche als Nebenerwerbshandwerker anzusehen sind.

Abgerundet 12 Kalter oder 36 Zentner betrug bei diesen Familien der durchschnittliche Überschuß, der sehr unterschiedlich verteilt war. Da der Roggen nur die eine Hälfte des Getreidebaus ausmachte, kamen noch weitere Überschüsse vom Feld hinzu. Doch den eigentlichen Gewinn erhalten wir erst, wenn wir die Ausgaben für den Betrieb (z.B. Kauf von Zugvieh, Geräten) und für die persönlichen Bedürfnisse abziehen.

Reichtum?

Durch einen großen Brand war 1692 fast das ganze Dorf zerstört worden. Drei Jahrzehnte später mußte die Schadenskommission feststellen, daß „die mehresten wegen des schweren erlittenen Brandes in schwere Schulden geraten, daran ihre Nachkömmlinge noch zu bezahlen haben werden.“ In diesem Falle bedeutete „die mehresten“ 35 von 69 Familien.

Hier läßt sich ablesen, wie gering der Überschuß aus Landwirtschaft und Handwerk war. Es reichte zum täglichen Brot, aber nicht dazu, Reichtümer anzuhäufen oder einen Notgroschen für Katastrophen zurückzulegen. Der lange Zeitraum für die Tilgung der Schulden beim Hausbau und bei der Anschaffung neuen Mobiliars macht die geringen Geldrücklagen und Überschüsse deutlich.

Im Gegensatz zu anderen Dörfern war Walsdorf stark auf die Einnahmen von den Feldern angwiesen. Im Bittbrief und im Gutachten können wir lesen, daß Walsdorf sich von den „Feldfrüchten allein ernähren“ mußte, während den Nachbarn Einkünfte z.B. aus Holzverkauf, Kohlefahrten und Fuhrspannen zuflossen. Dazu hatten die Walsdorfer noch „einen schlechten Weidegang“, wodurch die Erlöse aus der Viehzucht gering waren.

Bitte um staatliche Hilfe

Als die Regierung das Ausmaß der Katastrophe erfaßt hatte, veranlaßte sie eine Getreidesammlung, bei der in den Ämtern Idstein, Wehen, Burgschwalbach und Wiesbaden 304 Kalter zusammenkamen. Die „Herrschaft“ spendete dazu noch 50. Aber nur die sechs am schwersten betroffenen Gemeinden im heutigen Taunusstein und Breithardt kamen in den Genuß dieser Unterstützung.

Walsdorf hatte von vorne herein nicht mit einer Naturalhilfe gerechnet und daher um einen Steuernachlaß gebeten: „So gelanget an Ew. Exzell. Hochedelgstr. und Herren unser untertäniges Bitten und Flehen … an einen oder den anderen von solchen Geldern gnädig Erlaß widerfahren zu lassen. Getrösten uns gnädiger Erhör- und Willfahrung.“

Die Kommission befürwortete eine Senkung „des allzu hohen Schatzungfußes.“ Leider endet damit die Akte, ohne daß wir von der Entscheidung der Regierung etwas erfahren.

Quellen:
HStA Wiesbaden 133 111,11; VIII c, 44; Walsdorf 44.

Gerhard Buck

Das Schulhaus wird 160 Jahre alt (5. Folge)
DIE PLANUNG DER NEUEN SCHULE
IM JAHRE 1824 (2. Teil)

Da im Genehmigungsbescheid für den neuen Schulbau die Auflage gemacht worden war, auf eine zweite Lehrerwohnung zu verzichten, wegen der hohen Schülerzahl aber zu erwarten war, daß ein zweiter Lehrer bald eingestellt werden müsse – 1826 war es dann auch schon so weit – wurde beschlossen, im Schulgebäude für den zweiten Lehrer zwei Dachstuben für 160 fl und 16 3/4 Kreuzer auszubauen.
Von Anfang an war vorgesehen, den Raum im Erdgeschoß links als Rathaussaal zu verwenden. Die geltende Vorschrift besagte aber, daß dieser Raum einen gesonderten Zugang von der Straße her haben mußte. Gemeindevorstand und Amt waren jedoch der Meinung, ein gemeinsamer Haupteingang für Schule und Rathaus wären nicht nur billiger, sondern der Eingang von der Straße zum Rathaus müßte auch wieder geschlossen werden, wenn dieser bei einer „in der Zeitfolge nötig gewordenen Einrichtung eines dritten Lehrzimmers“ für Schulzwecke umgewidmet werden müßte. Die Genehmigungsbehörde ließ sich überzeugen, und es wurde auf einen besonderen Eingang für das Rathaus verzichtet.

Die Wirtschaftsgebäude

Ein weiterer Punkt, über den ein längerer Schriftverkehr geführt wurde, war die Errichtung der notwendigen Wirtschaftsgebäude. „Ursprünglich sollte nur ein Stall gebaut werden. Lehrer Kolb wehrte sich aber mit einer Eingabe an die herzogliche Landesregierung in Wiesbaden gegen die beabsichtigte Schlechterstellung, standen ihm doch im alten Schulgebäude „eine halbe Scheune mit einem Stall unter derselben und zwei Schweineställe“ zur Verfügung. Diesen Raum benötigte er auch, machte er geltend, besitze er doch „in partem salarii“ (als Teil seiner Besoldung) 2 1/4 Morgen Feldgut, woraus er nach seinen Angaben für 1824 2 Fuder Korn und 1/2 Fuder Gerste geerntet hatte. Er trägt darauf an, daß die „hochpreißliche Landes-Regierung … gnädig darum geruhen möge, die hohe Verfügung an die betreffende Behörde zu erlassen, entweder die bey dem alten Schulgebäude befindliche Scheune nicht zu versilbern, sondern zum Behuf der Einscheuerung der Schulfrüchte zu belassen, oder zu dem neuen Schulgebäude eine gleiche… errichten zu lassen.“

Zunächst hatte Lehrer Kolb mit seiner Eingabe keinen Erfolg, sondern sie bereitete ihm obendrein noch Ärger. Man rechnete ihm vor, daß das Schulland nach dem Inventarverzeichnis nur 1 Morgen 68 Ruthen und 25 Schuh Ackerland betrage, das vornehmlich aus Gartenland bestehe. Davon könne der Lehrer jährlich höchstens ein Fuder Frucht ernten, und dafür sei keine Scheune erforderlich. Die Gemeinde sei nicht verpflichtet, für die dem Lehrer gehörenden Privatgrundstücke und den ihm privat zustehenden Anteil am Pfarrzehnten von Steinfischbach die entsprechenden Wirtschaftsgebäude bereitzustellen. Außerdem solle das Amt ein kritisches Auge darauf werfen, ob der Lehrer bei so starker Beanspruchung durch die Landwirtschaft seinen Dienst überhaupt noch ordnungsgemäß erfülle.

Tatsächlich wurde Lehrer Kolb wegen der Bebauung und Benutzung der ihm zustehenden Feldgüter „in Beziehung auf §28 des Edicts 24. März 1817 durch das herzogliche Amt in Idstein zur Verantwortung“ gezogen. „Aus den hierüber gepflogenen Verhandlungen hat sich ergeben, daß der Schullehrer diese Grundstücke nicht selbst, sondern durch andere bebaue, und die Ernte sowie den Ertrag des Zehntlands durch seinen Sohn erheben läßt.“

Um, wie es heißt, ferneren Reklamationen des Schullehrers vorzubeugen, wurde beim neuen Schulhaus neben den Stallungen auch eine Scheue gebaut. Der Steigpreis sämtlicher Arbeiten für die Wirtschaftsgebäude belief sich auf 559 Gulden und 10 Kreuzer.

Finanzierungsprobleme

Die Bauarbeiten am Schulhaus gingen zügig voran, so daß das Gebäude schon im letzten Viertel 1825 benutzt werden konnte. Die Finanzierung bereitete der Gemeinde einige Schwierigkeiten, denn der Gemeinderechner berichtet, daß er es schwer gehabt habe, die 3000 Gulden (fl), die die Gemeinde ausgeliehen hatte, beizutreiben. Außerdem sind 1153 Gulden, die seit 1815 auf einer herzoglichen Kasse standen, ausgefallen, „weil dies Kapital niedergeschlagen“ worden war. Deswegen mußten zur Zwischenfinanzierung von der Gemeinde Darlehen in Höhe von 300 und 500 fl bei Walsdorfer Bürgern aufgenommen werden.

Der Schultheiß berichtet in einem Schreiben vom 18.9. 1824 ausführlich über die Gründe, warum die Gemeinde zur Deckung der Ausgaben für das neue Schulhaus Darlehen aufnehmen mußte. Einmal dauerte es länger als man angenommen hatte, bis die ausgeliehenen Kapitalien zurückflossen. Sodann waren die veranschlagten Summen beim Holz- und Schafpferchverkauf nicht erzielt worden, so daß im Haushaltsjahr über 500 fl weniger eingenommen worden waren als eingehen sollten.

Aber auch die Ausgaben beim Schulbau waren höher als veranschlagt. So war das Tannenholz teurer als man angenommen, und man brauchte „150 Stück Bord (Bretter) mehr“ als vorgesehen war. Ebenso ging es mit den „Dachsteinen“. Auch hier mußte mehr gekauft werden. „Hinzu kommt noch der Umstand, daß die sonstigen Ausstände in diesem Augenblick, wo die armen Einwohner ihre Erzeugnisse beinah für gar keinen Werth mehr veräußern können, nicht beygebracht werden können, hingegen die Handwerksleute, welche alle einen schlechten Verdienst machen, Anspruch auf ihr verdienstes Geld haben.“

Die Revision der Bauarbeiten wurde im Jahre 1827 vorgenommen. „Der Schulbau der Gemeinde Walsdorf ist gut ausgefallen, und die beiden Lehrzimmer sind ganz ihrem Zweck entsprechend“ stellte Amtmann Siegfried im Abschlußbericht an die herzogliche Landesregierung mit Befriedigung fest.
So war auch Walsdorf an der regen Schulbautätigkeit im Herzogtum Nassau beteiligt, wurden doch bis 1829 fast 200 neue Schulgebäude meist mit Lehrerwohnung errichtet, wie im Kapitel Schulwesen der Nassauischen Parlamentsdebatten berichtet wird. (S. 220)

Quellen:
HStAW 211/4782 Blatt 1-40; 229/155 Blatt 1-11

Helmuth Leichtfuß

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25.8. – 20.15 Uhr in der „Traube“ Monatstreffen
30.8. – 19.30 Uhr Grillplatz: Gemütlicher Abend

Verantwortlich:
GERHARD BUCK