Bürgerbrief 36: März 1987

DIE WAHLERGEBNISSE DER BUNDESTAGSWAHL VOM 25.1.87 IN WALSDORF

Bei der Bundestagswahl am 25. Januar 1987 waren in Walsdorf insgesamt 1080 Personen wahlberechtigt. An der Wahl beteiligten sich 857 Personen, das sind 86,4% der Wahlberechtigten. 88 Wähler haben mit Wahlschein (Briefwahl) gewählt. Deren Stimmen wurden nicht mitgezählt und sind in den folgenden Ergebnissen nicht enthalten.

Wahlergebnisse lassen sich eigentlich nur sinnvoll interpretieren, wenn man sie mit früheren Ergebnissen vergleicht. Deswegen stelle ich die Ergebnisse der Bundestagswahlen vom 5.1.80, 6.3.83 und vom 25.1. nebeneinander, damit sich Entwicklungen über einen längeren Zeitraum besser erkennen lassen. Bei der Auswertung werde ich mich jedoch im wesentlichen auf die beiden letzten Wahlen beschränken.

 5.10.80   6.3.83   25.1.87  
wahlber. 1027   1042   1080  
Wähler m. w. 66   64   88  
Abgeg. Stimmen 852 =88,6%  879 =89,9%  857 =86,4% 
1.St%2.St.%1.St.%2.St.%1.St.%2.St.%
CDU38244,837343,844050,138343,641448,338544,9
SPD39045,835741,936441,435139,933439,029:34,0
FDP566,69210,8333,89711,1465,4941,0
GRÜNE131,5111,3323,6404,6475,5677,8
NPD40,530,410,1111,313:,5
SONST20,220,220,220,210,1
Ung.91,1131,510,850,630,360,7

Wenn man die Ergebnisse bei den Zweitstimmen vergleicht, lassen sich folgende Feststellungen treffen:

  • die CDU hat gegenüber 1983 1,3% Stimmen gewonnen,
  • die SPD hat 5,9% Stimmen verloren,
  • die FDP hat ihren Stimmenanteil gehalten, aber nicht verbessert,
  • die Grünen haben einen Zuwachs von 3,2% erreicht, und
  • die NPD hat sich um 1,4% verbessert.

Wenn man die Walsdorfer Ergebnisse mit denen der Gesamtstadt vergleicht, kommt man zu folgenden Resultaten:

  • die CDU hat in Gesamtidstein nicht nur nicht zugelegt, sondern 4,0% Stimmen verloren,
  • die Verluste der SPD lagen in Walsdorf um 1,6% höher als in der Gesamtstadt,
  • die FDP konnte in der Gesamtstadt einen Zuwachs von 3% erzielen,
  • die Grünen schnitten in Gesamtidstein um 1% besser ab als in Walsdorf,
  • die NPD hat in Walsdorf um 0,8% stärker zugenommen als in Gesamtidstein.

Im folgenden soll nun das Ergebnis vom 25.1.87 unter den nachstehenden Gesichtspunkten betrachtet werden:

  • wieviel Wähler gaben ihre Erst- und Zweitstimme jeweils der gleichen Partei?
  • wie schnitten die einzelnen Parteien dabei ab?
  • wieviel Wähler verteilten ihre Stimmen auf zwei Parteien?
  • wie sahen die Kombinationen im einzelnen aus?

720 Wähler, das sind 84,0%, wählten mit beiden Stimmen die gleiche Partei. Bei der CDU waren es 365 Personen, das sind 88,2% der Erststimmenwähler. Bei der SPD waren es 277 Personen, das sind 82,9% der Erststimmenwähler. Bei der FDP waren es 35 Personen, das sind 76,1% der Erststimmenwähler. Bei den Grünen waren es 33 Personen, das sind 70,2% der Erststimmenwähler. Bei der NPD waren es 10 Personen, das sind 90,9% der Erststimmenwähler. 131 Wähler, das sind 15,3%, gaben ihre Zweitstimme einer anderen Partei. 3 Wähler gaben nur ihre Erststimme ab.

Von den CDU-Wählern haben 49 Personen ihre Stimme gesplittet, und es wählten mit der Zweitstimme

  • 5 die SPD,
  • 40 die FDP,
  • 1 die Grünen,
  • 3 die NPD.

Bei der SPD haben 57 Wähler ihre Stimmen gesplittet, und es wählten mit der Zweitstimme

  • 6 die CDU,
  • 17 die FDP,
  • 32 die Grünen,
  • 2 gaben keine Zweitstimme ab.

Von den 11 Wählern, die ihre Erststimme der FDP-Kandidaten gaben, wählten mit der Zweitstimme

  • 8 die CDU,
  • 3 die SPD.

Von den 14 Wählern, die ihre Erststimme den Grünen gaben, wählten mit der Zweitstimme

  • 6 die CDU,
  • 5 die SPD,
  • 2 die FDP,
  • 1 die Frauen

Ein Wähler, der mit der Erststimme NPD wählte, gab seine Zweitstimme der SPD.

An diesen Ergebnissen ist folgendes bemerkenswert:

Die Direktkandidaten der SPD (5%) und der CDU (3,4%) erhielten mehr Stimmen als ihre Parteien. Beide Kandidaten errangen aber weniger Prozentpunkte als die Direktkandidaten vor 4 Jahren.
Bei der FDP und den Grünen war es genau umgekehrt, weil diese Direktkandidaten keine Chancen hatten, das Mandat zu erringen. Die FDP erhielt 50,1% und die Grünen erhielten 29,8% mehr Zweit- als Erststimmen.

Die meisten CDU-Wähler, die ihre Stimme splitteten, wählten den Koalitionspartner FDP.
Bei den SPD-Wählern gaben immerhin 23 ihre Zweitstimme einer Regierungspartei. 32 bevorzugten die Grünen.

Dreimal soviel FDP-Wähler gaben ihre Zweitstimme der CDU als der SPD.
Bei den Grünen gaben mehr Wähler ihre Zweitstimme den Koalitionsparteien als der SPD.
Der Anteil der Wähler, die ihre Kandidaten- und Parteistimme unterschiedlich abgaben, ist mit 15,6% relativ hoch.

Aus den Feststellungen lassen sich folgende Schlüsse ziehen:

  • die Mehrheit der Walsdorfer Wähler war für die Fortführung der Koalition aus CDU/CSU/FDP,
  • die 40 CDU-Wähler, die ihre Zweitstimme der FDP gaben, wollten offensichtlich, daß in der Innen-, Sicherheits- und Außenpolitik keine schärferen Positionen eingenommen werden,
  • die Stimmengewinne der Grünen gingen hauptsächlich zu Lasten der SPD,
  • von den Wählern, die ihre Stimmen unterschiedlich abgaben, waren die der SPD und der Grünen am unsichersten,
  • es gibt relativ viel Fälle, in denen es schwer nachvollziehbar ist, welche politischen Überlegungen die Wähler bei ihrer Stimmverteilung leiteten.

Helmuth Leichtfuß

WALSDORFER FASSENACHT – HUT AB!
Eine positive Kritik

Heute zum Fastnachtssonntag fühle ich mich reichlich aschermittwöchlich nach einer langen, sauerstoffarmen und rauchgeschwängerten Nacht bei der Walsdorfer Saalfastnacht. Trotzdem fühle ich den Drang, einmal etwas Spontanes zu tun: ein Lob an die Walsdorfer für ihre Fassenacht zu schreiben.
Damit Ihr, liebe Walsdorfer, jedoch nicht meint, ich würde als Neubürger den „Schleimi“ (Neudeutsch) machen, will ich kurz anreißen, warum ich mir die fachliche Kompetenz zu einer solchen Kritik anmaße.
Ich habe Karneval und Fastnacht sowohl in den Hochburgen, als auch in der karnevalistischen „Diaspora“ unseres deutschen Ländles erlebt. Kurz aufgezählt sieht das so aus: 3 Jahre im Umfeld von Köln, 4 Jahre in Mainz direkt, ich kenne ihn im Badischen, in Nordhessen (Diaspora) und in Heftrich (!). Und ich bin Träger eines Ordens der „Hechtsheimer Dragoner“ (Mainz). Das ist eine große Ehre, denn für die Mainzer ist der karnevalistische Humor eine todernste Sache.

Doch nun zu derselben. Ich bin schon beim ersten Mal spontan in Lob ausgebrochen. Das war vor 3 Jahren. Jetzt, beim dritten Mal, kann ich Euch bestätigen: Eure Saalfassenacht hat alles, was sie haben muß.

Ihr habt Euren Rolf Braun in Rolf Preußer. Der ist so gut, hat alles so im Griff, daß Ihr die Sache glatt vergessen könnt, wenn er mal mit der bewußten Angina im Bett liegt und sich von ihr partout nicht trennen kann. Um nicht einmal die aufgebaute Tradition allein deshalb unterbrechen zu müssen, sollte er als Narr vielleicht weiser sein als Adenauer und schon jetzt einen Vertreter und Nachfolger aufbauen. Wie man das macht? Abgucken! So ist Rolf Braun auch geworden, was er ist. Konkurrenz braucht R.P. ja jetzt noch nicht zu fürchten, denn er ist ja sehr, sehr rüstig. Aber manchmal kann auch er dem notwendigen Sektkonsum kaum standhalten.

Ihr habt, am Maßstab Mainz gemessen, Eure verschiedenen Rednertypen, die alle dem Vergleich standhalten und manchmal besser sind, weil sie sich an Lokales halten.

Ihr habt den Politischen mit der spitzen Zunge.

Ihr habt den „alte-Witze-neu-aufpoliert-Typ“. Kommt garantiert immer an.

Ihr habt auch Eure „Ödis“ (Neudeutsch). Die braucht man bei einem fast sechsstündigen Programm zum Ausruhen und Unterhalten mit dem Tischnachbarn schließlich auch. Aber auch die bekommen – dafür sorgt der clevere Vorsitzende schon – genau das Maß an Applaus, das sie zum Weitermachen beim nächsten Mal anregt.

Ihr habt Eure „Gonsbachlerchen“ und „Finthener Schoppensänger“. Die sind bei Ihren Auftritten im Lande auch nicht technisch so perfekt wie beim Fernsehauftritt. Da haben sie dann schon zigmal geübt.
Ihr habt Eure Tanzgarde und Tänzerinnen-Gruppen, die zwar unter größter Luftnot, aber tapfer recht hübsche Beine schwenken.

Ihr habt auch „Eure Carellschen-Schnitzer“ und technischen Pannen, die so „schön zeigen, daß die Sendung life“ ist. Perfektion ist nicht immer gefragt. Das Gegenteil bringt viel mehr Spaß beim Publikum.
Ihr habt also alles, was eine Saal-Fassenacht nach den verfügbaren Maßstäben haben muß.
Und Ihr habt mehr, worauf Ihr stolz sein könnt.

Ihr seid tolerant. Wenn der Vortrag gut ist, muß er nicht in Hessisch sein. Eine gottvolle Mischung von Sächsisch und Hessisch tut’s auch.

Ihr habt Nachwuchs. Es ist wirklich erstaunlich, wieviel junge Leute mitmachen und Klasse Sachen bringen. Deshalb ist auch das Publikum per Durchschnitt sehr jung. Die Jungen gucken nicht blöd, wenn die Alten ausflippen. Sie flippen mit.

Ihr habt Eure Tagesschau und Hitparade, die ja schließlich eine äußerst zeitgemäße Form der künstlerischen Darbietung ist. Die scheint mir einmalig, zumindest nach meiner Kenntnis.
Ihr habt aber auch hervorragende Ton- und Lichttechniker, ohne die das nicht ginge. Und einen guten Solomusiker, der laut R.P. immer seinen Riemen auf die Orgel schmeißt und ’ne ganze Kapelle ersetzt. Und Ihr habt, das solltet Ihr honorieren, ein Publikum, das mitgeht und nicht überkritisch ist. Ich hab’s bei den „Eiskalten Brüdern“ in Mainz erlebt, daß ein „Ödi“ mitten im Vortrag fluchtartig die Bütt verließ und fast zusammenbrach, weil aus dem Saal nicht ein Appläuschen kam. Wie gesagt, todernst die Sache dort.

Was besser sein könnte?

Obwohl des Lobes voll, bin ich nun auch nicht ganz kritiklos. Mein Vorschlag wäre, daß Ihr mal für bessere Luft sorgt. Ihr habt doch sicher auch ein paar Luftaustausch-Akrobaten in Walsdorf. Was habt Ihr schließlich nicht? Das Publikum würde noch lauter mitsingen und helauen.

Bei Eurer gezeigten Toleranz gegenüber Neubürgern würde ich empfehlen, ein Merkblatt mit Hinweisen zum besseren Verständnis lokaler Scherze zu verteilen. Das wäre doch eine Sache für den Bürgerverein, der sich doch besonders um die Neubürger(innen) kümmert. Es würde die Integration von Neubürgern wesentlich beschleunigen.

Alles in allem.

Wenn ich Papa Heuß wäre, würde ich jetzt sagen: nun fassenachtet mal schön weiter so.
Auch wenn Euch die Idsteiner Presse stiefmütterlich behandelt, Ihr habt ja Eure eigene, wie Ihr seht.

Heiko H. Jacobs

FLUGBEWEGUNGEN RUND UM WALSDORF

Walsdorf liegt etwa 30 km Luftlinie von dem größten deutschen Flughafen „Rhein Main Frankfurt“ entfernt. Bei ca.5000 Starts und Landungen täglich, kann man an wolkenlosen Tagen rund um Walsdorf viele Flugzeuge am Himmel sehen.

Ich möchte Ihnen nun einmal versuchen zu erklären, welche An- oder Abflugsrouten an Walsdorf vorbeiführen. In Frankfurt gibt es je nach Windverhältnissen 3 Startrichtungen. Hauptstartrichtung ist in Richtung 250 Grad, d.h. Abflug über Rüsselsheim. Bei Ostwind wird in Richtung 70 Grad (Abflug über Offenbach) gestartet. Unabhängig vom Wind wird bei Abflügen in Richtung Süden auf der umstrittenen Startbahn West gestartet.

Bei der normalen Startrichtung gilt für alle Abflüge in Richtung Norden – das beinhaltet auch die Flüge nach England, USA und Canada – als erstes angesteuertes Funkfeuer der Sender bei Limbach, im Fliegerdeutsch „Taunus“ genannt. Von dort aus verteilen sich die Flüge in Richtung Gießen (Zielrichtung Hamburg oder Berlin) oder Siegen (Zielrichtung Hamburg und Nordeuropa sowie Alaska) oder Düsseldorf (Zielrichtung Holland, England und Amerika). All diese Flüge können wir von Walsdorf aus sehen, wenn man in Richtung Wallrabenstein blickt. Die Höhe dieser Flugzeuge liegt je nach Startgewicht dabei zwischen 1500 und 2000 m.

Bei Ostwind und Flugzielen Richtung Westen (England und Amerika) wird in Richtung Offenbach gestartet und nach Erreichen von ca. 800 m Höhe in einer weiten Linkskurve über die City von Frankfurt hinweg auf einen Punkt 15 km nördlich von „Taunus“ gesteuert. Diese Flüge kann man von Walsdorf aus in Richtung Esch oder Walkmühle verfolgen. Die Höhe liegt hier bei etwa 2000 m.

Für den Anflug stehen in Frankfurt nur die Richtung Ost und West zur Verfügung. Bei Landerichtung Osten wir ebenfalls „Taunus“ als Anflugsfunkfeuer benutzt. Von dort geht es über Wiesbaden und Mainz in den Landeanflug über Rüsselsheim. Weitere Anflugsrouten, die von Walsdorf aus in Richtung Esch und Feldberg aus beobachtet werden können, führen von Limburg bzw. Siegen direkt nach Frankfurt, die Flughöhe liegt hierbei bei etwa 2500 m.

Flugzeuge, die wir nur an dem Kondensstreifen erkennen, überfliegen Frankfurt in Höhen zwischen 9000 und 13000 m.

Viel mehr Verdruß als die Zivilflugzeuge verursachen jedoch die nicht zu überhörenden militärischen Tiefflüge. Hierzu sei nur gesagt, daß direkt an Walsdorf vorbei (etwa über der Grillhütte) in der Richtung Idstein – Tenne eine eingetragene Tiefflugstrecke der NATO verläuft. Die Flugzeuge müssen aber mindestens 500 Fuß oder 170 m hoch sein.

Manfred Steinmann

MUSIK BEIM RICHTFEST VERBOTEN!

Eines Samstagabends im Jahre 1752 glaubt Pfarrer Roehrich seinen Ohren nicht zu trauen. Da hörte er doch von einer Baustelle, auf der nachmittags Holz abgeladen worden war, verbotene Geräusche in sein Walsdorfer Pfarrhaus dringen: Musik! Selber nach dem Rechten zu sehen, verbot ihm sein Amt, und so ließ er den Kirchenältesten Nicolaus Hirtes zu sich kommen, um ihn zur Abstellung des Übels loszuschicken.

Als er zum Bauplatz des Johann Conrad Ilgert kam, fand er dort „Spielleute“ vor, die musizierten. Doch seine Aufforderung, Schluß zu machen, weil es schon spät und diese Art zu feiern nicht erlaubt sei, fand keine Beachtung. Man ließ ihn einfach stehen und machte weiter Musik.

Der zweite Teil des Festes folgte am Wochenanfang. Zunächst hatte man am Montag die auf dem Zimmerplatz bereits zugehauenen Balken zum neuen Fachwerk zusammen gefügt. Abends erschienen wieder die Spielleute. Die ganze Nacht wurde „geschwärmet“ (wie der Pfarrer sich ausdrückte) und in der Scheune getanzt. Alle waren hinzugelaufen, auch die Söhne, Töchter und Mägde.

Wieder beobachtete N. Hirtes das ungesetzliche Treiben und berichtete es dem Pfarrer; der bald danach den Bauherren zur Rede stellte und ihn darauf verwies, daß dieses Musizieren und Tanzen verboten sei. Doch Roehrich erhielt nur die spöttische Antwort: „Die Kirchenordnung ist gar scharf. Man muß als ein wenig davon tun.“

Das reichte Pfarrer Roehrich, und er schrieb eine Anzeige an die kirchliche Behörde, den Consistorial-Convent, „weil nun endlich ein jeder tut, was er will, und gar keine Gesetze und Verordnungen mehr respektiert und beobachtet werden.“ Ließe man diesen einen Fall durchgehen, dann würden sich die Leute darauf berufen und sich auch für Hochzeiten und andere Gelegenheiten Musiker bestellen, ohne vorher ein Bittgesuch zu schreiben. Er hätte auch von der Kanzel dazu Stellung nehmen können. Aber „aus erheblichen Gründen“ (die er uns leider nicht nennt) wollte er „nicht das geringste davon melden und gedenken.“

Für solche Klagen gab es auch damals einen Rechtsweg. Ilgert wurde nach Idstein vorgeladen und mit der Anzeige konfrontiert. Für ihn war der Montagabend ganz anders verlaufen. Junge Leute, die in seinem Haus feierten, hatten die vorbeigehenden Spielleute hereingerufen, und er hatte mit Hilfe des Kirchenältesten Philip Wilhelm Rüger vergeblich versucht, das Tanzen zu verhindern.

Auch Rüger wurde vorgeladen und entlastete Ilgert. Sein Kollege und der Pfarrer hatten die Vorgänge nicht richtig wiedergegeben. Ilgert war das Spiel- und Tanzverbot sehr wohl bekannt, und er wollte ihm auch nachkommen. Beiden gelang es, die Burschen und Spielleute aus dem Hause zu bringen. Heimlich gingen sie jedoch in die Scheune, wo sie von beiden beim Tanzen aber entdeckt wurden, doch ohne Mädchen. Sie konnten die Burschen wieder ins Haus holen. Als auch die Musiker dorthin folgten, jagte Ilgert sie hinaus.

Die in der Scheune erwischten acht jungen Männer wurden zusammen zu einem Gulden Strafe verurteilt, was für jeden etwa 1/3 Tageslohn war. Über den Samstagabend wurde nicht verhandelt. Viel war da wohl nicht vorgefallen. Die Spielleute „Die Thomaschen“ blieben unbestraft.

Diese Geschichte aus Walsdorf ist nicht untypisch für dieses 18. und auch frühere Jahrhunderte. Die Obrigkeit versuchte immer wieder, die Freude der Menschen an Feiern einzuschränken. Teils lag der Grund in Übertreibungen, die zu zügeln waren, teils aber auch in einer strengen Lebensauffassung, die wir nicht mehr nachvollziehen können.

Quelle:
Hess. Hauptstaatsarchiv 133 Walsdorf 55.

Gerhard Buck

DIE GEMEINDEWAAGE

Mit dem Verkauf des Rathauses im August des vorigen Jahres wurde auch die Gemeindewaage aufgegeben. Das veranlaßte mich nachzuforschen, was über diese Einrichtung ausfindig zu machen war.
Die erste Notiz über das Vorhandensein einer Gemeindewaage, die ich ermitteln konnte, stammt vom 24. Oktober 1855. In einer Gemeinderatssitzung wurde damals festgelegt, daß von diesem Tag an die Gemeindewaage nicht mehr unentgeltlich abgegeben werden sollte. Es wurde beschlossen, daß der Bür­germeister die Waage unter Kontrolle haben sollte und jeder, der einen Sack Frucht wog, sollte für 1 Malter einen Kreuzer bezahlen. Die Wiegegebühr für einen Ztr Stroh, Heu, Kartoffeln, Äpfel usw. wurde auf 2 Pfg festgesetzt. Von den eingehenden Gebühren erhielt der Bürgermeister die Hälfte; die andere Hälfte wurde auf die Gemeindekasse angewiesen.

Am 8.6.1868 beschloß der Gemeinderat, daß die Gemeindewaage, wohl eine Kettenwaage, „gemacht und wieder richtig hergestellt“ werden sollte. Aber schon bald darauf mußte er sich erneut mit dem Thema befassen. 1872 fragte nämlich das Landratsamt an, ob die Gemeinde in Zukunft eine Waage bereithalten wolle. Der Gemeinderat lehnte es ab und beschloß, die alte zu versteigern. Wann dieses Vorhaben verwirklicht wurde, ließ sich nicht feststellen.

Im November 1885 kam das Thema Gemeindewaage aber wieder auf die Tagesordnung. Nur handelte es sich diesmal um die Anschaffung einer Viehwaage. Das königliche Landesdirektorium bot den Gemeinden zur Anschaffung solcher Einrichtungen unverzinsliche Darlehen aus dem Meliorationsfond an.

Daß der Staat solche Einrichtungen förderte, hängt offensichtlich damit zusammen, daß der Fleischbedarf mit dem rapiden Anwachsen der städtischen Bevölkerung in den Industriestädten stark zunahm. Andererseits bewirkte der Einsatz von Mineraldünger in der Landwirtschaft Produktionssteigerungen bei Getreide und Kartoffeln, die wiederum eine Erhöhung der Fleischproduktion ermöglichten.

So ist es nicht verwunderlich, daß sich die Gemeindevertretung entschloß, von dem Angebot Gebrauch zu machen. Am 30. November 1885 beschloß sie, „eine Viehwaage für 1000 kg Gewicht nebst allen dazugehörenden Gewichtsteinen“ anzuschaffen. Das Darlehen in Höhe von 170 Mark sollte in 5 Jahresraten von je 34 Mark getilgt werden. Anfang Januar 1886 kam die Zusage vom königlichen Landesdirektorium, und Ende des Jahres wurde die Waage aufgestellt. Über den Standort dieser Waage fand ich keine Angabe. Vielleicht stand sie im Untergeschoß des Rathauses, wo auch die letzte Waage aufgestellt war, die 1911 angeschafft wurde und bis Ende letzten Jahres in Gebrauch war.

Warum sich die Gemeinde im Juli 1911 entschloß, eine größere und modernere Viehwaage anzuschaffen, wo deren Vorgängerin doch erst 25 Jahre alt war, läßt sich nicht ermitteln. In den vorhandenen Unterlagen wird nur der Sachverhalt berichtet. Gründe werden aber nicht angegeben. Vielleicht war die alte mit ihren Gewichtsteinen zu umständlich zu bedienen oder es reichte die Kapazität nicht aus.
Jedenfalls wurde im September 1911 von der Waagenfabrik Welb und Söhne in Offenbach eine neue Viehwaage geliefert und aufgestellt. Laut Rechnung handelte es sich um „eine eiserne Viehwaage für 1500 kg Tragkraft mit 2,1:1,2 m Brückengröße, kräftigster und solidester Ausführung, mit geschmiedeten Hebeln, starkem, schmiedeeisernen Gitter, zum Verwiegen von Groß- und Kleinvieh, Auswiegung mittels Laufgewicht, ganz ohne Gewichtsteine, und unserem neuesten Registrierapparat mit verbesserter Kerbenschutzvorrichtung zum Abdrücken des Gewichts auf Karten.“ Der Preis betrug 415 Mark, von dem noch 5% Skonto abgingen.

Im Zusammenhang mit der Aufstellung der Waage liegen noch Rechnungen vor für Zimmerarbeiten von Christian Thiel in Höhe von 14,50 Mark, für 4 Schienen zur Unterlage vom Schmied Stubig für 72 Pfg, für Maurerarbeiten von Karl Keller für 51,70 Mark, für den Verputz des Magazins, wo die Waage steht, von Karl Hasselbächer für 8,20, für 2 Tore und einen Laden von E. Heinig für 47,40 Mark, für Beschlagen der Tore von Schlosser W. Scheurer für 15,75 Mark, für das Streichen der Tore von Christian Eul 12 Mark, für die elektrische Leitung und eine Lampe von Adolf Hofmann für 17,50 und für die Lieferung und Anfertigung der Bauzeichnung durch K. Kappus, Idstein, für 12 Mark, so daß die gesamte Einrichtung 574 Mark und 2 Pfennige kostete.

Ursprünglich war geplant, „an August Jeckel seiner Scheune“ – heute Klosterplatz/Ecke Pfarrbogen – ein Wiegehäuschen zu bauen. Der Plan wurde jedoch nicht ausgeführt.

Wiegemeister waren von 1885 bis 1893 Ludwig Wissing, von 1893 bis 1922 Friedrich Jeckel, von 1922 bis 1956 Ludwig Hohl und ab 1953 Ernst Hohl.

Über die Wiegegebühren ließ sich folgendes feststellen:

 GroßviehJungvieh und Schweine
21.10.189310 Pfg5 Pfg
19.07.191220 „10 „
22.12.19212 Mark1 Mark
03.01.192220 „10 „
10.07.19232000 „1000
10.12.192320 Pfg10 Pfg
16.12.192540 „20 „
13.01.195175 „30 „
09.05.19701 DM80 „

Für die Jahre 1912 als dem ersten Jahr nach der Anschaffung und 1969 dem vorletzten Jahr der Selbständigkeit der Gemeinde Walsdorf möchte ich die Zahlen für die vorgenommenen Wiegevorgänge und die Einnahmen aus den Wiegegebühren aufführen, damit man sich ein Bild von der Benutzung dieser Ge­meindeeinrichtung machen kann. 1912 wurden 539 Stück Kleinvieh (Schweine und Kälber) und 54 Stück Großvieh gewogen. 64,70 Mark gingen an Wiegegebühren ein, von denen die Hälfte der Wiegemeister erhielt. 1969 wurden 1025 Stück Kleinvieh und 163 Stück Großvieh gewogen. 745,45 DM Wiegegebühren wurden vereinnahmt.

Die für 1969 genannten Zahlen sind jedoch nicht identisch mit der tatsächlichen Zahl der verkauften Tiere, denn beim Viehkauf hatten sich mit dem erheblich gewachsenen Angebot andere Strukturen herausgebildet.

Die Viehverwertungsgenossenschaften vergrößerten ihren Marktanteil gegenüber den ortsansässigen Metzgern erheblich. Das Vieh wurde nicht mehr vor Ort, sondern erst am Schlachthof gewogen und später gar nicht mehr nach Lebendgewicht, sondern nach Schlachtgewicht bezahlt.

So war die Gemeindewaage allmählich überflüssig geworden, und als im vergangenen Jahr das Rathaus verkauft wurde, gab es von keiner Seite ernsthaften Widerspruch gegen die Aufgabe dieser kommunalen Einrichtung, die über 100 Jahre den Bürgern zur Nutzung zur Verfügung stand.

Im Dezember letzten Jahres wurde sie abgebaut und von einem Wörsdorfer Bauern übernommen.

Quellen:
Beschlußbücher des Gemeinderats und der Gemeindevertretung
Jahresrechnungen von 1886, 1911, 1912 und 1969

Helmuth Leichtfuß

10. WALSDORFER GRENZBEGEHUNG

10. Mai 1987 9.00 Uhr ab Dorfgemeinschaftshaus
Mittagessen auf dem Grillplatz

Nachdem in den letzten Jahren veraltete Grenzen begangen wurden, geht es dieses Mal über einen Teil der heutigen Gemarkungsgrenze: die Grenze zwischen Walsdorf und Wörsdorf.

Verantwortlich: Gerhard Buck