Bürgerbrief 37: Juni 1987

STÄDTEGRÜNDUNGEN IN DER GRAFSCHAFT IDSTEIN

Zu einer Jubelfeier fühlten sich die Idsteiner vor 700 Jahren nicht veranlaßt, als sie erfuhren, daß König Rudolf seine Zustimmung zu den Festungsbauplänen ihres Grafen Adolf gegeben hatte. Ähnlich zurückhaltend, wenn nicht sogar ablehnend, werden 71 Jahre später die Walsdorfer reagiert haben, als dessen Enkel Adolf ohne königliche Genehmigung den Bau eines zweiten befestigten Platzes in seiner Grafschaft beginnen wollte. Sie hatten genügend damit zu tun, während eines langen Arbeitstages in Feld und Stall ihren Lebensunterhalt zu sichern. Für das Brechen, Transportieren und Mauern von Steinen zu Türmen, Toren und Stadtmauern hatten sie keine Zeit übrig. Aber gerade das war der Inhalt der Urkunde, die 1987 Anlaß zu Feiern ist: Idstein sollte eine Befestigung („munitio“) werden.

In einer kriegerischen Zeit ereignete sich für Idstein und Walsdorf ihre Geburt als Städte, deren Entwicklung allerdings später in friedlicherer Zeit in ganz anderer Richtung weiter ging. Eine Vielzahl von Bauwerken zwischen Taunus und Lahn legt auch heute noch Zeugnis davon ab, wie unruhige Zeiten das 13. und 14. Jahrhundert waren. An so vielen Orten wurden damals von den verschiedenen Herren Befestigungen angelegt, daß man versucht ist, den modernen Begriff des Wettrüstens auch auf diese Epoche anzuwenden.

Der Hintergrund hierfür ist die Tatsache, daß damals viele Adelige versuchten, in unserem Raum eine völlig neue politische Struktur aufzubauen, die die frühmittelalterliche Gau- und Grafschaftsverfassung ablösen sollte. Rund um Idstein überlagerten sich die Interessen der Grafen von Nassau, Eppstein, Katzenelnbogen und Diez, des Klosters Bleidenstadt, des Stifts Limburg und der Erzbischöfe von Mainz und Trier. Dazu kamen noch die einer Reihe kleinerer Adeliger. Für Idstein und Walsdorf sind in dem hier interessierenden Zeitabschnitt (1287-1393) vor allem die Beziehungen zu Eppstein und Diez wichtig.

Idstein

Bewohner der Burg Idstein war seit 1255 die walramische Li nie des Hauses Nassau, die außerdem Weilburg besaß. Bis 1242 gehörte den Nassauern auch Wiesbaden. Seine Zerstörung und der Verlust der Stadt mit dem dazugehörigen Königssondergau an die Eppsteiner hatte ihnen wieder einmal deutlich werden lassen, wie mächtige Nachbarn sie hatten und wie schwierig es war, ihre kleinen, isolierten Gebiete zu behalten.

Als Graf Adolf 1274 die Regierung übernahm, war er schnell erfolgreich. 1277/78 übertrug ihm der König wieder Wiesba­den. Ein bald darauf begonnener Krieg mit Eppstein endete 1283 mit dein Rückgewinn eines für die Verbindung zu Wiesbaden wichtigen Taunusübergangs: des Seelbacher Grundes mit Lenzhahn, Oberseelbach, Königshofen und Niedernhausen. Dazu kam noch Kröftel.

DIE GRAFSCHAFT NASSAU-IDSTEIN

Ausschnitt aus einer modernen Gemeindekarte. Fett die Gren­ze des heutigen Rheingau-Taunus-Kreises.)

Gleichzeitig rief sich jedoch der nördliche Nachbar, der Graf von Diez, in Erinnerung, dessen Gebiet nur 3 km von der Burg Idstein entfernt begann. Er erhielt 1281 von König Rudolf die Zusage, daß Camberg „mit allen Rechten Lind Freiheiten begabt sei, wie unsere Stadt Frankfurt sie genießt“. Von einer Befestigung als Stadt war direkt nicht die Rede, die Möglichkeit war aber eingeschlossen.

Aus dieser Situation ergab sich für Graf Adolf nach dem Erwerb von Wiesbaden und des Seelbachers Grundes als dritter Schritt zum Wiederaufbau und zur Verbesserung der nassauischen Macht in unserem Teil des Taunus die Einholung eines königlichen Privilegs auch für Idstein, da er als festen Platz neben Wiesbaden nur die Burg Idstein besaß. Aber dieser Text lautet anders als der für Camberg. König Rudolf erlaubte 1287 dem Grafen nur, „daß er in diesem Dorf eine Befestigung errichten darf, wie es ihm paßt“, und fügte hinzu, „daß niemand diesen Grafen am Bau der Befestigung … zu hindern unterfange“. Hier waren die Eppsteiner und Diezer Nachbarn angesprochen, denen der Aufbau eines neuen Territoriums nicht recht sein konnte.

Auch das gleichzeitig verliehene Recht, einen Wochenmarkt durchführen zu dürfen, hob Idstein nun aus dem Kreis der Dörfer heraus. Die zu erwartenden Steuereinnahmen waren wohl für die Bestreitung der hohen Baukosten vorgesehen. Der größte Teil der Arbeit war jedoch kostenlos von den Untertanen im Frondienst zu leisten. Ihnen gelang aber bis 1336 als Gegenleistung einige städtische Bürgerrechte vom Grafen zu erhalten, von denen in der Königsurkunde 1287 noch nicht die Rede war.

Unter Adolfs Sohn Gerlach wurden die Bauarbeiten nach fast 50 Jahren vollendet. Parallel dazu begann er 1323, Wehen im Bezirk des Klosters Bleidenstadt mit königlichem Privileg zur Stadt auszubauen.

Walsdorf / Walstadt

Einer seiner Söhne hieß wiederum Adolf und war der erste der Grafen, die bis 1605 nur über Wiesbaden-Idstein herrschten (wozu Wehen nicht mehr gehörte). Er versuchte, gleich vier seiner Dörfer zu Städten zu erheben, um damit einen Sicherheitsgürtel um Idstein zu schaffen.

Mit Walsdorf machte er 1358 den Anfang, weil dieser Grenzpunkt in unmittelbarer Nähe seiner Residenz lag und gegen die Diezer befestigt werden mußte, die Gleiches schon lange in Camberg planten. Um dieses zu verhindern, überfielen die Idsteiner zu dieser Zeit Camberg. Doch die Atzeln weckten die eingeschlafenen Wächter, und der Angriff konnte abgewehrt werden.

Ohne königliches Privileg wurde „Walstadt“ bis 1393 um das Kloster herum dem Hügel neu gebaut (Mauer, 2 Tore, 5 Türme) wofür die Walstädter sich wie die Idsteiner und später auch die Heftricher vom Grafen gewisse Freiheitsrechte zusprechen ließen.

Adolfseck – Steckenroth – Heftrich

1367 folgten königliche Urkunden für Adolfseck, Steckenroth und Heftrich nach dem Vorbild des Frankfurter Stadtrechts mit der Erlaubnis, die Orte zu befestigen.

Bei Adolfseck traf der Idsteiner Graf auf vielerlei andere Interessen. Der Ort gehörte ursprünglich dem Erzbistum Mainz und lag direkt an der Grenze zur aufstrebenden Grafschaft Katzenelnbogen, die in der nahen Burg Hohenstein einen Hauptsitz hatte. Auf der anderen Seite (im Osten) waren die Territorien von Nassau-Weilburg und vom Kloster Bleidenstadt.

Gegen die beiden letzteren war auch die geplante, aber nicht realisierte Befestigung von Steckenroth eingerichtet.

Nur 20 km Luftlinie trennten Adolfseck an der Westgrenze und Heftrich an der Ostgrenze, wo gegen die Eppsteiner eine Sicherung nötig erschien. So wie Walsdorf gegenüber Camberg gleichzeitig zur Stadt ausgebaut wurde, wandelte sich östlich von Heftrich das eppsteinische Dorf Born in Schloßborn. Eine kleine befestigte Stadt wurde damals Schloß genannt. In diesem Sinne ist 1479 von der „Gemeinde des Schlosses zu Walsdorf“ die Rede.

Auch in Heftrich wurde viele Jahrzehnte lang gebaut, und auch hier war der gräfliche Freiheitsbrief der Lohn für diese Mühen der Heftricher (1404).

Freiflecken statt Städte

Innerhalb von 106 Jahren waren in dieser kleinen Grafschaft vier „Städte“ und eine Burg entstanden, und es war eine weitere „Stadt“ geplant worden. Eingekreist von mächtigeren Herren, dienten sie vor allem dazu, Rechte des Idsteiner Grafenhauses abzusichern, aber nicht dazu, den Untertanen als Bürgern städtische Freiheiten zu verleihen. Diese wurden nur in beschränktem Maße und erst lange nach Beginn der Bauarbeiten zugestanden, an erster Stelle die Freiheit von der Leibeigenschaft. Die Idsteiner und Walsdorfer erhielten sie nur vom Grafen, nicht aber wie in anderen Fällen auch vom König. Eine wirtschaftliche Sonderstellung, die auch zu einer Stadt gehört, konnte hier natürlich nur ein Ort erlangen: Idstein mit der Residenz. Da nur Teile von Stadtrechten zugestanden oder verwirklicht wurden, wurden diese vier „Städte“ gewöhnlich Freiflecken genannt.

Gerhard Buck

DAS KLOSTER WALSDORF UND DAS IDSTEINER GRAFENHAUS

Die Grundlage für die Darstellung der Beziehungen des Klosters Walsdorf mit dem Idsteiner Grafenhaus sind die Urkunden des Benediktinerklosters zu Walsdorf im Band 4 von Wolf Heino Struck: „Quellen zur Geschichte der Klöster und Stifte der mittleren Lahn bis zum Ausgang des Mittelalters, Wiesbaden“ 1962. Leider ist, wie W.H. Struck in der Einleitung (S. XXXIX) anmerkt, die archivalische Überlieferung für das Kloster Walsdorf nicht besonders gut, insbesondere für die Zeit vor 1500. Dennoch läßt sich nach ausgewählten Gesichtspunkten ein Eindruck von den vielfältigen Beziehungen zwischen dem Kloster und dem Grafenhaus vermitteln.

Wenn in diesem Artikel vom Idsteiner Grafenhaus die Rede ist, ist die ältere Linie der Grafen von Nassau-Wiesbaden-Idstein von 1355 bis 1605 und die jüngere Linie von 1629-1721 gemeint.

Es handelt sich um die Grafen Adolf I (1355-1370), unter dem Walsdorf Stadtrechte erhielt, Walram (1370-1393), Adolf II (1393-1426), Johann (1426-1480), Adolf III und Philipp (1480-1511), Philipp (1511-1558), Philipp der Jungherr, Adolf IV und Balthasar (1558-1568), Johann Ludwig (1568­1596) und Johann Ludwig II, der im Alter von 9 Jahren 1605 am Hofe seines Großvaters in Dillenburg verstarb.

Nach dem Tode Johann Ludwigs fiel Idstein an Ludwig II von Nassau-Weilburg. Aber nach dessen Tod wurde der nassauische Besitz 1629 wieder geteilt, und es entstand die jüngere Idsteiner Linie. Zu ihr gehören die Grafen Johann (1629-1677) und Georg August Samuel (1677-1721).

Die Grafen von Nassau-Idstein als Schutzherren des Klosters

Genau einhundert Jahre nach der ersten Teilung der nassauischen Besitzungen in die Walramische und Ottonische Linie teilten 1355 die Söhne Adolf und Johann des Grafen Gerlach, die seit 1344 die Besitzungen der Walramischen Linie in Wiesbaden, Idstein und Weilburg gemeinsam verwaltet hatten, ihr Gebiet erneut. Adolf erhielt Idstein und Wiesbaden und Johann Weilburg.

Schon 1350, also noch während der gemeinsamen Regierungszeit von Adolf und Johann, hatte sich das Kloster, das seit sei­ner Gründung 1156 dem Erzbistum Mainz unterstand, in einem Vertrag dem Schutz des Grafen Adolf unterstellt (1). Äbtissin und Konvent des Klosters, der damals mehr als 25 Nonnen umfaßte, anerkannten den Grafen als Richter, wenn es zwischen ihnen oder den Nonnen untereinander zu Streitigkeiten kommen sollte. Ohne Wissen und Rat des Grafen sollte in Zukunft keine Nonne aufgenommen werden, und es sollte bei der Zahl von 25 bleiben. Im Falle der Veräußerung von Klostergut oder der Aufnahme von Schulden sollte neben das Siegel des Klosters auch das des vom Grafen eingesetzten Vormunds beigedrückt werden. Die Übernahme der Schutzherrschaft über das Kloster Walsdorf entspringt sicher dem gleichen Interesse des Grafen Adolf, das ihn 1358 veranlaßte, Walsdorf Stadtrechte zu verleihen und den Ort befestigen zu lassen. Es ging ihm um die Sicherung seines Besitzes nach Norden gegen Camberg und die Grafschaft Diez.

In vielen Angelegenheiten wurden die Idsteiner Grafen vom Kloster als Fürsprecher, Richter oder Schutzherren angerufen und in Anspruch genommen. Sie sollten sich z.B. für die Rechte des Klosters einsetzen, als Steinfischbach an Stelle einer Geldgülte plötzlich Weidhämmel beanspruchte (2) oder sich die Gemeinden Steinfischbach und Würges Weiderechte im Klosterwald Erbach (3) anmaßten. Ein andermal war ein Streit zwischen dem Kloster und dem Müller auf der Walkmühle (4) wegen Wasserschäden, die an den Wiesen des Klosters entstanden waren, zu schlichten bzw. hatte der Amtmann des Grafen im Jahre 1541 die Äbtissin und den Konvent des Klosters mit der Gemeinde Walsdorf wegen eines Brunnens (5) zu vergleichen, wonach das Kloster und die Gemeinde die Kosten für die Anlage und Unterhaltung des Brunnens je zur Hälfte tragen sollten.

Auch in der Reformationszeit, als nach dem Augsburger Interim der Erzbischof von Trier das Kloster Walsdorf mehrfach zu den Landtagen des Erzbistums lud bzw. die Zahlung von Steuern forderte, suchte die Äbtissin Unterstützung beim Grafen als ihrem Landes-Schutz- und Schirmherren. Graf Philipp empfahl nicht nur, der Ladung zu den Landtagen nicht zu folgen und die Zahlung von Kontributionen zu verweigern, sondern die Nassauer haben in den Jahren 1557 und 1558 „die türckensteuer, so Trier aus closter gefordert, selbsten erhoben“ (6). Auch wurden „anno 1551 bis anno 1561, als Trier reichscontribution vom closter gefordert, … etliche reißige zur beschützung des closters darin gelegt“. (7)

Ähnlich verhielt sich das Idsteiner Herrscherhaus, als nach 1629 Kurtrier auf der Grundlage des Restitutionsediks des Kaisers den Versuch machte, im Walsdorfer Kloster wieder den katholischen Glauben einzuführen. Das Restitutionsedikt sah vor, alle Stifte und Klöster, die von den Landesherren nach 1552 eingezogen worden waren, wieder zurückgegeben und katholisch werden sollten. Der Graf lehnte die Rechtmäßigkeit der Rückforderung jedoch ab, da er die Reformation im Kloster nicht eingeführt habe, sondern die Nonnen sich selbst der neuen Lehre angeschlossen hätten. Er ordnete an (8), daß Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden sollten und das äußerste Tor des Klosters sowie alle Ein- und Ausgänge und die Kirche geschlossen gehalten werden sollten. Alle Fremden, insbesondere kurtrierische Kommissare, sollten dem Klosterkellner gemeldet werden, der sie an die gräfliche Kanzlei nach Idstein verweisen sollte.

Das Herrscherhaus konnte letztendlich zwar nicht verhindern, daß Kommissare des Kaisers von Mainz aus das Kloster einzogen. Die gräflichen Beamten bedienten sich aber einer Hinhaltetaktik und wiesen den Klosterkellner an, bei seiner Vorladung nach Mainz sich keines Rechtes seiner Herrschaft  begeben und die geforderte Rechnungslegung nicht im Namen der Herrschaft sondern der Äbtissin (9) vorzunehmen.

Hatten die Schutzherren bis dahin verhindern können, daß das Kloster wesentlich beeinträchtigt wurde, so konnten sie ihm die geforderte Hilfe nach seiner Zerstörung im Jahre 1634 durch spanische Truppen nicht mehr gewähren. Im Gegenteil, Graf Johann mußte nach der Niederlage der Evangelischen bei Nördlingen 1634 selbst das Land verlassen. Das Hilfegesuch der Äbtissin vom 28. Oktober 1634 ist das letzte Schreiben aus dem Kloster und bezeichnet dessen Ende.

Befreiung des Klosters von Diensten und Leistungen

Der mittelalterliche und frühneuzeitliche Mensch war in unvergleichlich stärkerem Maß um sein Seelenheil besorgt als der moderne. Um an dem Gnadenschatz der Kirche teilzuhaben und der Fürbittgebete der Priester, Mönche und Nonnen für Lebende und Verstorbene sicher zu sein, machten Privatleute und Herrscher der Kirche und den Klöstern zahlreiche Schenkungen an Land oder sie befreiten kirchlichen Besitz von Dienst- und Naturalleistungen. Das taten auch Graf Johann und Gräfin Maria. Sie befreiten 1461 das Kloster Walsdorf mit seinen Gütern für immer „von allen Diensten, Beten, Steuern, Atzungen, Schatzungen, Lagern und Beschwerungen“. (10)

Sie wollten der guten geistlichen Werke der Nonnen teilhaftig werden, und die Nonnen sollten fleißig für ihre Eltern und Nachkommen beten. 1495 und 1509 bestätigten die Grafen Philipp und Adolf diese Befreiung „in allen stucken und articulen“. (11)

Angehörige des Grafenhauses im Kloster

Nachgeborene Söhne und unverheiratete Töchter aus Herrscherhäusern fanden im Mittelalter sehr häufig ihre Versorgung als Geistliche oder in Klöstern. Das war in Nassau-Idstein nicht anders. Zwischen 1355 und 1605 gingen aus dem Herrscherhaus vier Mainzer Erzbischöfe, drei Domherren, vier Äbtissinnen und zwei Nonnen hervor. Außerdem bot das Walsdorfer Kloster auch Aufenthalt für enge Verwandte des Grafenhauses. So lebten dort drei Töchter der Anna von Nassau-Idstein, die 1464 den Grafen Otto von Solms-Braunfels geheiratet hatte, als Nonnen. Für jedes Kind hatten Graf und Gräfin von Solms dem Kloster 25 Gulden jährlich verschrieben. Auch Verwandte des Grafen von Solms finden sich unter den Insassen des Klosters.

Auch aus dem Haus Nassau-Saarbrücken, mit dem verwandschaftliche Beziehungen bestanden, stammte eine Äbtissin des Klosters, Glada von Saarbrücken, und Nonnen als Mitglieder des Konvents.
Aus dem Idsteiner Grafenhaus direkt kamen die Äbtissin Margarete, die dem Kloster von 1555 bis 1596 vorstand, und ihre Schwester Anna als Priorin. Sie waren Töchter des Grafen Philipp und seiner Frau Adriane von Bergen und Schwestern von Philipp dem Jungherrn, Adolf IV und Balthasar. Sie waren laut Urkunde vom 18. August 1559 (12) von ihrem Vater zu Ehren Gottes und zum Wohl ihrer Seelen in das Kloster Walsdorf gegeben worden. Dem Willen ihres Vaters folgend, verzichteten sie auf Ersuchen ihres Bruders, des Grafen Philipp, zu Ehren des Namens und Stammes Nassau-Idstein-Wiesbaden, vornehmlich aber zum besten ihres Bruders, der ihnen alle Ehre, Treue, Freundschaft und vielfältige Wohltaten bewiesen habe, auf ihr Erbrecht an den Graf- und Herrschaften Nassau, Wiesbaden und Idstein, was auch vom Konvent gebilligt wurde.

Wirtschaftliche Beziehungen zwischen dem Grafenhaus und dem Kloster

Die Grafschaft Idstein war klein. Dementsprechend waren die Einkünfte der Herrschaft auch nur bescheiden. Es verwundert deswegen nicht, daß die Grafen öfter gegen Zinsen oder die Überlassung anderweitiger Einkünfte kleinere oder auch größere Summen (13) vom Kloster liehen. Auch die Grafen von Solms haben vom Kloster Geld geliehen. (14)

1576 verkaufte andererseits das Kloster dem Grafen Johann Ludwig Wiesen bei der Altenburg für 430 Gulden. (15)

Ein Beweis für die überwiegend herzlichen Beziehungen zwischen dem Kloster und den Höfen in Idstein und Braunfels sind die häufigen Lieferungen von Wildbret für die Kloster-Küche. In den Klosterrechnungen erscheint recht häufig Botenlohn für die Lieferung eines Rehs, eines Wildschweins, eines Hirschschlegels o.ä.

Als nach dem dreißigjährigen Krieg das Kloster wegen seiner Zerstörung nicht wieder eingerichtet wurde, besorgten die gräflichen Beamten die Verpachtung der Äcker und Wiesen des Klosters und überließen schließlich in einem Erbleihvertrag die Klostergüter an 20 Walsdorfer Bauern.

Quellen:
Struck, Quellen IV (1) Nr.1646, (2) 1722, (3) 1793, (4) 1726, (5) 1735, (6) 1801, (7) 1816, (8) 1950, (9) 1966, (10) 1663, (11) 1689+1696, (12) 1808, (13) 1670+1677, (14) 1671, (15) 1647

Helmuth Leichtfuß

INVESTITIONEN IN WALSDORF 1972-1987

Die folgende Tabelle gibt einen zusammenfassenden Überblick über die Investitionen, die seit der Eingemeindung Walsdorfs nach Idstein durchgeführt wurden. Hier sind alle die Maßnahmen aufgeführt, durch die in Walsdorf neue Einrichtungen geschaffen wurden. Unberücksichtigt blieben dabei die Unterhaltskosten und Gehälter, die jährlich für alle öffentlichen Einrichtungen anfallen. Erst wenn man sie zu den Zahlen der Tabelle hinzurechnet, erhält man einen Eindruck von den jährlichen Ausgaben der Stadt Idstein für ihren Stadtteil Walsdorf.

Karl-Heinz Wendelmuth

Investitionen in Walsdorf‘

Hhj. 19721973197419751976197719781979198019811982198319841985198619871972 1987
Feuerwehr TDM551027150410607
Kindergarten  215135350
Sportplatz  6313572
Kinderspielplatz – Grillplatz 3316123
 Dorfsanierung      11 7 24 128 114 44 28 58 120 38  9 80 661
Straßen + Beleuchtung 2586314525287712954121617701047
 Kanal   38 26      400 476 312 185 126 78  6  1648
Friedhof  735131931188
DGH  7452125172
Feldwege u.ä.  16621413453330213
Wasser  302864521465692765814805
Wohnhäuser  6612
Gesamtausgaben  3321553793067314260564575706341359438615561915598
Abwasserbeseitigung: Stand 31.12.1984 (Abwasserverband Mittlere Ems, Bad Camberg; Baukosten Sammler + Kläranlage) 1530
Gesamtinvestitionen 1972 – 1987: 7128
Alle Zahlen in TDM 

WALSDORF ALS STADTTEIL VON IDSTEIN

Der vorangegangene Artikel enthält die hauptsächlichen Finanzmittel, die in der Zeit der Zugehörigkeit Walsdorfs zur Stadt Idstein für unseren Stadtteil ausgegeben wurden. Es handelt sich um beträchtliche Summen, die deutlich machen, wie vielfältig die Bedürfnisse und Leistungen in den zurückliegenden Jahre waren.

In den folgenden Zeilen will ich als Walsdorfer Bürger, der von Anfang an an den Verhandlungen über die kommunale Neugliederung unseres Raumes beteiligt war und während drei Legislaturperioden als Ortsvorsteher Erfahrungen mit der Neukonstruktion sammelte, meine ganz persönlichen Ansichten über die Gebietsreform und ihre Praktizierung in Idstein darlegen.

Von Beginn an, als die Kommunalreform infolge der Koalitionsvereinbarung von SPD und FDP politisch diskutiert wurde, gab ich wie die übrigen Mitglieder des Gemeindevorstands und der Gemeindevertretung dem Anschluß an Idstein den Vorzug vor den anderen Alternativen Nord-Ost-Gruppe (heute Hünstetten) und Bad Camberg, weil mir eine Großgemeinde Idstein als die politisch und wirtschaftlich stärkste erschien und ein freiwilliger Anschluß leichter zu erreichen schien als ein Überwechseln in den Kreis Limburg. Nach der Vorstellung des Landes und des Kreises sollten wir zusammen mit anderen Gemeinden die Nord-Ost-Gruppe bilden.

Auch nach mehr als 15jähriger Erfahrung bin ich noch davon überzeugt, daß die damalige Entscheidung der Walsdorfer richtig war. Wenn ich mir die Problemfelder Wasserversorgung, Abwasser- und Müllbeseitung, Energieversorgung, Datenverarbeitung und Dorferneuerung anschaue, bin ich nach wie vor davon überzeugt, daß die kommunalpolitischen Aufgaben auf Dauer mit den herkömmlichen kleinen ehrenamtlichen Verwaltungen nicht befriedigend hätten gelöst werden können. Die Kommunalreform war eine notwendige Folge der Änderungen der Wirtschafts- und Versorgungstrukturen und der anspruchsvolleren Lebensgewohnheiten der Bürger.

Wenn ich also grundsätzlich die Notwendigkeit und die Auswirkungen der Kommunalreform positiv beurteile und anerkenne, daß sich das, was in den letzten 15 Jahren in Walsdorf getan wurde, sehen lassen kann, so bedeutet das nicht, daß ich mit allem einverstanden bin, so wie es sich entwickelt hat. Zwei Punkte sind es vor allem, die nach meiner Meinung nicht optimal geregelt sind: die Arbeit mit den Ortsbeiräten und die Vermittlung der Absichten der beschlußfassenden und ausführenden Gremien.
Ich bin bis heute davon überzeugt, daß es nicht gut war, daß für die Kernstadt Idstein kein Ortsbeirat eingerichtet wurde. Das mindert ganz deutlich das Gewicht dieser Institution. Ich kenne die Einwände der Zuständigen, teile sie aber nicht. Natürlich ist auch mir klar, daß durch die Beteiligung von Ortsbeiräten politische Entscheidungen nicht so zügig getroffen werden können wie ohne ihre Beteiligung und im Endeffekt manchmal auch anders aussehen, als sie ursprünglich geplant waren. Aber nach meinem Demokratieverständnis muß die Artikulation der Bürgerwünsche Vorrang vor dem zügigen Ablauf und der Effizienz der Verwaltung haben.

Daß die Verwaltung und die Fraktionen des Stadtparlaments die Mitwirkung der Ortsbeiräte bei der politischen Willensbildung nicht hoch genug einschätzen, ist für mich daran ersichtlich, daß trotz wiederholter Einsprüche und Verweigerung der Stellungnahme zu Magistratsvorlagen Ausschußberatungen und -beschlußfassungen durchweg stattfinden, bevor die- Stellungnahmen der Ortsbeiräte vorliegen. Eine einfache Änderung der Terminierungspraxis könnte diesem Übelstand abhelfen und verhindern, daß erst gar nicht die Gefahr entsteht, daß die Befragung der Ortsbeiräte zu einer bloßen Formalität degeneriert und keine politische Substanz mehr hat. Wenn die Ortsbeiräte ihre Funktion als Hilfsorgane der Stadtverordnetenversammlung erfüllen sollen, müssen ihre Stellungnahmen so rechtzeitig eingeholt werden, daß sie auch in den Willensbildungsprozeß des Parlaments einfließen können. Jeder, der auch nur ein bißchen Ahnung von parlamentarischer Arbeit hat, weiß, daß nach erfolgter Ausschußberatung und -empfehlung eine Meinungsänderung im Plenum nur noch schwer zu erreichen ist.

Erst jüngst hatten wir in der Frage der Schulorganisation ein Beispiel dafür, daß die Vermittlung der Absichten der politischen Gremien nicht reibungslos klappt. Zwei Dinge muß man m.E. klar sehen: es ist nicht nur das gute Recht, son­dern auch die Pflicht, der gesamten Verwaltung und der gewählten Vertreter, ihren Sachverstand und ihre Initiativen in die politische Diskussion mit einzubringen und für sachgerechte Ausführung gefaßter Beschlüsse zu sorgen. Andererseits müssen die hauptamtlich Tätigen, die naturgemäß einen erheblichen Kenntnis- und Informationsvorsprung vor den ehrenamtlichen Mitarbeitern haben, ihr Herrschaftswissen sehr fair einsetzen. Hier handelt es sich um eine der demokratischen Grundtugenden. Unter diesem Aspekt wäre es sinnvoll, die Einrichtung der ersten Jahre, daß ein Magistratsmitglied bei sehr wichtigen Diskussionen an den Ortsbeiratssitzungen teilgenommen hat, wieder zu beleben. Dadurch hätte die Verwaltug die Möglichkeit, die übergeordneten Gesichtspunkte sehr frühzeitig in die Diskussion einzubringen, aber auch die konkreten Wünsche der Bürger vor Ort direkt kennenzulernen.

Wem es am Herzen liegt, daß in der kommunalen Selbstverwaltung neben den Parteimeinungen auch vielfältige Bürgerwünsche wirksam werden, muß sich für Bürgerbeteiligung so öffnen, daß kommunalpolitisches Engagement, gleich in welcher Form, auch in Zukunft als sinnvoll und effektiv erlebt wird.

Helmuth Leichtfuß