Bürgerbrief 38: September 1987

DIE ERGEBNISSE DER LANDTAGSWAHL vom 5. APRIL 1987

Wahlberechtigte:1086 
Wähler ohne Wählschein:804 
Stimmenanteil SPD31539,2%
CDU34542,9%
FDP688,5%
Grüne637,8%
DKP10,1%
ÖDP 
Ungültige121, 5%

Beim Vergleich dieser Ergebnisse mit den beiden Landtagswahlen vom 26.9.1982 und vom 25.9.1983 (s. Bürgerbrief Nr. 23) komme ich zu folgenden Ergebnissen:

die SPD konnte ihren Zugewinn von 1983 von 3,5% gegenüber 1982 nicht nur nicht verteidigen, sondern rutschte noch um 3,5% unter das Ergebnis von 1982. Sie konnte den also den Wählern nicht vermitteln, daß es sinnvoll war, die Koalition mit den Grünen aufzukünden und sich erneut ausschließlich auf eine Neuauflage dieser Koalition festzulegen. Für ihre politische Taktik und politischen Ziele fand sie nicht nur keine Mehrheit, sondern sie war – wie im Land – die Verliererin der Wahl.

die CDU hat zwar gegenüber der Wahl von 1983 2,3% gewonnen, konnte aber ihr gutes Ergebnis von 1982 nicht erreichen. Sie erhielt 3,4% weniger als damals.

die FDP konnte sich gegenüber 1983 geringfügig steigern und hat nach der Wende ihre Position offensichtlich wieder gefestigt.

die Grünen haben 3,4% dazugewonnen und die Verluste gegenüber 1982 mehr als wettgemacht. Ihre Stimmengewinne konnten die Verluste der SPD jedoch nicht ausgleichen.

Helmuth Leichtfuß

DIE MODERNISIERUNG IN DER LANDWIRTSCHAFT

Vor 1900 wurde das Getreide mit Sichel und Sense abgeerntet und anschließend mit dem Dreschflegel ausgedroschen. Meist waren es drei Drescher. Die Körner wurden dann mit einer Wanne von der Spreu getrennt. Um 1900 setzte man schon eine Neuerung ein, es kam eine Maschine, der sogenannte Dresch-Göbel. Dieser wurde durch ein Pferd angetrieben. Pferd und Maschine wurden mit einer Antriebswelle verbunden. Auch eine Windmühle kam hinzu, welche die Arbeit der Körnerreinigung vornahm. Um 1920 kam dann die Dreschmaschine; sie wurde von einem Dampfmobil angetrieben. Die Unterhaltung der Maschine übernahm die Neue Dreschgesellschaft, welche gegründet worden war. Alles Stroh mußte noch mit der Hand eingebunden werden, bis einige Jahre später eine Strohpresse angeschafft wurde (ca. 1930).

Die Dreschmaschine wurde mit Pferd- und Manneskräften von einem Hof zum anderen Hof in die Scheunen geschafft, um das Getreide zu dreschen. Dabei halfen sich die Betriebe untereinander.
Die Dreschgesellschaft stellte einen Maschinenführer, einen Einleger und Garbenaufschneider. 1936 kam ein Lanz-Bulldog (Dieselantrieb) zu der Maschine hinzu. Dadurch war das Rücken der Dreschmaschine von einem Hof in den anderen wesentlich leichter geworden.

Die Drescharbeiten dauerten in den meisten Jahren bis zu 4 Monaten. Solange die Ernte im Gang war, stand die Dreschmaschine auf dem Dreschplatz. Dort konnte jeder soviel dreschen, daß er genug Körner, Saatgut und Stroh bis zum Scheunendrusch hatte. Leute, die nicht in der Scheune droschen, brachten alles dorthin.

1920 kam die erste Mähmaschine. Sie wurde von einem Pferd gezogen. Man nutzte sie zum Mähen von Gras und Getreide. Das Getreide wurde zu Hausten zusammengestellt. Einige Zeit später wurde es mit Erntewagen nach Hause in die Scheunen gefahren.

Um 1935 kam der Mähbinder, eine große Arbeitshilfe in der Ernte, weil er die Garben selbsttätig mit Sisalkordelband und diese nur noch zu Hausten zusammengestellt werden mußten. In der Erntezeit verwandelte sich die Gemarkung in ein Haustenmeer.

Im Jahre 1938 bekamen wir im Ort einen Kartoffeldämpfer, der einem Privatunternehmer gehörte, mit welchem nun im ganzen Ort die Kartoffeln für die Schweinemast gedämpft wurden.
Diese gedämpften Kartoffeln wurden einsiliert und hielten sich so das ganze Jahre über.
1950 kam die Stromumstellung von 110 Volt auf 220 Volt. Den Strom lieferten nun die Main-Kraftwerke. Nun konnten die Bewohner von Walsdorf und die Betriebe die Arbeitserleichterungen durch Elektrogeräte für Haus und Hof wahrnehmen.

1953 wurde privat eine Dreschmaschine gekauft, welche auf Lohndrusch eingesetzt wurde. Es war eine kombinierte Maschine, mit Dreschwagen und Presse in einem. Sie wurde mit einem Elektromotor angetrieben, was durch das neue Stromnetz möglich war.

1960 kam noch ein Körnergebläse dazu, welches die Körner (Frucht) beim Dreschen gleich auf den Speicher brachte. Man brauchte nun die Körner nicht mehr in Säcken auf den Speicher zu tragen. Dies war ein großer Fortschritt und eine Erleichterung für die Landwirte.

In den Jahren 1950-1965 haben die meisten Betriebe Ackerschlepper und Geräte angeschafft, um ihre Arbeit leichter und schneller machen zu können. Die Schlepper verdrängten nun die Pferde in der Landwirtschaft.

Der erste Mähdrescher kam 1956 privat und brachte eine noch größere Arbeitserleichterung. Er wurde auch als Lohndrescher eingesetzt. Als dann 1958 die Landumlegung kam und die Äcker (Parzellen) größer wurden, haben sich die Mähdrescher bis auf 10 Stück erhöht, welche jetzt die ganze Gemarkung abernten. So kam 1964 die Arbeit der Dreschmaschine zum Erliegen. Sie wurde nicht mehr gebraucht, die Mähdrescher hatten sie verdrängt.

Der Wirtschaftsaufschwung hat die Entwicklung und die Tech­nik in der Landwirtschaft gefördert, dann aber zum großen Teil die Betriebsinhaber gezwungen, ihre Betriebe aufzugeben oder das Land zu verpachten, da Anschaffung und Erhaltung der Maschinen zu teuer waren und die kleineren Betriebe nicht das nötige Einkommen hatten.

Wie geht es aber einmal weiter? Wenn die Regierung unseres Landes nichts dagegen unternimmt, werden wir immer weniger Bauern haben.

Veränderung der Betriebe
1950: 80 Betriebe
1980: 32 Betriebe
davon: 8 Vollerwerbsbetriebe 24 Nebenerwerbsbetriebe
Kleinere Betriebe sind keine mehr vorhanden. Der größte Teil der Betriebe ist viehlos, nur noch Getreide- und Raps-Anbau.
Größe der Betriebe: 30 Morgen bis 150 Morgen.
Ende des Jahrhunderts sind, wenn es so bleibt, vielleicht noch um die 5 Großbetriebe in der Gemarkung Walsdorf vorhanden.

Eberhard Lehmann

ERINNERUNG

Der Bürgerverein trifft sich an jedem letzten Montag eines Monats um 20 Uhr in der „Traube“. Neue Gesichter sind jederzeit herzlich willkommen.

Die Jahreshauptversammlung ist dort am 14. November um 20 Uhr.

FÜNF MONATE FAST OHNE REGEN

Das 1719. Jahr ist ein erschrecklich trockenes Jahr. Es hat von Ostern (9.4.) bis September nicht mehr als zweimal geregnet. Der erste dauerte nur zehn bis zwölf Vaterunser lang. Der zweite aber etliche Stunden und war ein Gewitterregen. Aus Mangel des Regens sind alle Sommerfrüchte verdorben. Der Wald ist aller Orts dürr geworden, und an Teil Enden hat das Gras ausgesehen, als wenn es mit Feuer verbrannt gewesen. Der Wasem (Rasen) hat sich an etlichen orten wie eine Haut lassen abziehen. Die Bäche, welche kein Brunnenwasser hatten, sind ganz ausgetrocknet, und wiewohl es Korn gegeben, so befürchtet man doch Hungersnot und wegen Mangel des Futters Sterben unter dem Viehe.

Am dreizehnten September fing es an zu regnen. Wie aus den Zeitungen verlautet, so klagt man in ganz Europa den Regen. Alles Obst ist verdorben, kein Gemüs in den Gärten. Den 22. September hat es wiederum angefangen zu regnen und etliche Finger tief eingeweichet. Ein gleicher Regen folgte den 24. September nachmittags um 2 Uhr. Im Oktober hat es auch einen Tag von morgens 3 bis abends 2 Uhr brav geregnet, wodurch der Wintersaat sehr geholfen.

Wie man erzählet, so soll das 1666. Jahr diesem ganz gleich gewesen sein. Wie man ferner sagt, so ist das 1684. Jahr auch ein sehr trockenes Jahr gewesen. Doch hat es dazumal um Jacobi (25.7.) angefangen zu regnen und hat etliche Tage contenieret (angedauert), daß die Leut noch ziemlich Krummet eingeführet.

(Dieser Text in modernisierter Sprache wurde entnommen aus Philipp Peter Lauer, Fasti Cambergenses (S. 134), in diesem Jahr als Band 1 der Bad Camberger Archivschriften im Camberger Verlag erschienen. Diese „Camberger Chronik“ von 1779 enthält auch Material über Walsdorf und andere Nachbarorte.)

DER NEUE FRIEDHOF AM ESCHER WEG

Der neue Totenhof, wie es in der Kanzleisprache heißt, wurde 1836 und 1837 gebaut und wird in diesem Jahr also 150 Jahre alt. Das amtliche Kunstwort, das dem Umstand gerecht werden sollte, daß der Gottesacker nicht mehr bei der Kirche lag, konnte das Wort Kirchhof bis heute jedoch nicht aus dem Sprachgebrauch verdrängen.

Erste Planungen

Die Anlage der neuen Begräbnisstätte hat eine Vorgeschichte, die bis in das Jahr 1819 zurückgeht. (1)
1816 war eine Regierungsverordnung erlassen worden, daß neue Kirchhöfe außerhalb der Ortschaften angelegt werden sollten. Der Ortspfarrer Schramm und der Schultheiß Ochs traten zusammen mit dem Medicinalrat Dr. Vitriarius dafür ein, daß die neue Verordnung in Walsdorf rasch ausgeführt werden sollte, weil der alte Kirchhof für den Flecken, wo im Durchschnitt „jährlich 13 3/10 Leichen“ zu beerdigen waren, zu klein geworden war und infolgedessen die Ruhefristen zu kurz waren. Es sollte keine „Unanständigkeit mehr vorkommen wie die, … daß der Totengräber bei der Anlegung eines Grabes auf einen noch unverfaulten Sarg“ stoßen würde.

Im Juli 1819 war von der herzoglichen Landesregierung in Wiesbaden die „Anlage einer Mauer um den neuen Totenhof in Walsdorf“ für 475 Gulden und 47 Kreuzer genehmigt worden. Die Arbeiten wurden 1819 aber nicht mehr ausgeführt, weil die Mittel dazu nicht zur Verfügung standen, die Jahreszeit schon zu weit fortgeschritten war und die Gemeinde hoffte, im nächsten Jahr erhebliche Kosten einsparen zu können, weil dann „die Steine von den unterdessen abzubrechenden Toren des Fleckens“ zur Verfügung stehen würden. (Übrigens wurden das Unter- und Obertor tatsächlich im Frühjahr 1820 abgebrochen, „welches aller Orten stattfand, wo es herzoglicher Hoher Landesregierung zweckmäßig erschien“, wie es auf S.9 der Pfarrchronik heißt.)

Unterschriften gegen neue Anlage

Als 1820 der vorgesehene Platz planiert werden sollte – wo er lag, geht aus den Unterlagen nicht hervor; man kann jedoch nicht ohne weiteres annehmen, man hätte von Anfang an den Platz am Escher Weg im Auge gehabt, denn 1836 hatte man zuerst einen Platz am Wallrabensteiner Weg ausgesucht, auf den man jedoch verzichtete, weil „die Äcker sehr zerstückelt“ worden wären – gab es jedoch Schwierigkeiten. Die Gemeindevorsteher erklärten geschlossen, „sie könnten ihre Einwilligung nicht geben, indem die ganze Gemeinde gegen die Anlegung eines neuen Totenhofes protestiere.“ Der Schultheiß berichtet an das Amt: „Ich habe hierauf die ganze Gemeinde versammelt … und suchte sie durch vernünftige Vorstellungen zu ihrer Einwilligung zu bewegen. Allein mein Zureden war vergebens. Dennoch glaubte ich, die Stimme der Gemeinde sey vielleicht geteilt und befahl daher jedem Bürger … auf dem Rathaus zu erscheinen uns seine Erklärung zum Protokoll zu geben … Ich ließ jeden nach freier Wahl unterschreiben, wo denn gegen alles Erwarten auch nicht ein einziger für, sondern alle gegen die Anlegung eines neuen Totenhofes stimmten.“ Die Unterschriftenliste reichte er an das Amt ein. Nun wandte sich das Amt Idstein an Pfarrer Schramm, er möchte „durch einen schicklichen Vortrag die Gemeinde eines besseren … belehren.“ Der Pfarrer lehnte das Ansinnen jedoch ab. Da die ganze Gemeinde der falschen Meinung sei, der alte Friedhof könne erweitert werden und der Bau eines neuen sei nur seine und des Schultheißen Sache, könne er nicht mit Erfolg über diesen Gegenstand sprechen. Vielmehr müsse er befürchten, seine Ansprache könnte „manchem Veranlassung geben, sogar über (seinen) Vorschlag zu spötteln.“ Er äußerte seinerseits den Wunsch, der Amtmann selbst oder „ein anderes Glied herzoglichen Amtspersonals“ möge der Gemeinde die Notwendigkeit der Anlage eines neuen Friedhofs begreiflich machen.

Das wiederum bereitete dem Amtmann Unbehagen. „Diesem Wunsch zu entsprechen, finde ich aber bei der vorliegenden Verordnung von 1816 und ohne besondere Instruktion herzogl. Landesregierung bedenklich und lege deshalb die Sache gehorsamst wieder vor.“

Bericht über alten Kirchhof

Die Regierung in Wiesbaden forderte den Amtmann auf, zusammen mit dem Medicinalrat, dem Pfarrer und dem Ortsvorstand an Ort und Stelle zu untersuchen, ob es notwendig sei, den Kirchhof in Walsdorf zu verlegen, und sich selbst zu bemühen, die Widersprüche von Seiten der Einwohner zu beseitigen, wenn „solche aus Vorurteilen und Leidenschaften herrühren sollten.“

Der Besichtigungsbericht vom 1. Juni 1820 läuft auf einen Kompromißvorschlag hinaus. Man zeigt Verständnis dafür, daß die Bürger die Neuanlage eines Friedhofs der hohen Kosten wegen ablehnen, weil „die Unterhaltung des eigentlichen Kirchhofs in seinen Mauern doch stets notwendig bleibt, weil er sonst von seiner Höhe in die Straßen herabfallen würde und weil die Gemeinde wenig Vermögen hat.“ Auch der Arzt erhebt keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Weiterbenutzung des Friedhofs. Allerdings müßte sichergestellt werden, daß bei der neuen Art, die Toten der Reihe nach zu beerdigen, wie sie seit etwa 6 Jahren, also seit 1814 praktiziert wird, die Gräber übergangen werden, die noch keine 15 Jahre alt sind.

Übrigens muß in Walsdorf schon 1763 einmal damit begonnen worden sein, der Reihe nach zu bestatten, wie aus dem folgenden Eintrag im Kirchenbuch vom 22.11.1763 hervorgeht:

„Diese (Johann Wilhem Rügers, gewesenen Schuldieners hierselbsten nachgelassene Witwe) ist die erste, welche nicht in das Erbbegräbnis, sondern in eine fortgehende Reihe, begraben worden, wozu mit dieser auf obrigkeitlichen Befehl demnach der Anfang geschehen.“

Offensichtlich war man zwischenzeitlich aus Platzmangel von dieser Praxis wieder abgegangen.

Pläne für Erweiterung bei der Kirche

Weiter kommt der Besichtigungsausschuß zu dem Schluß, daß der Friedhof leicht und ohne Kosten um etwa 4 Ruthen erweitert werden kann, wenn „1. der Schullehrer von dem Platz (neben dem Kirchturm) mit seinem Holz weg und in seine Scheune verwiesen wird, wo er Raum dazu hat und was er sich umso mehr gefallen lassen muß, als er erst seit einigen Jahren dieses Raumes sich eigenmächtig zum Holzplatz bedient hat, 2. wenn der (rechts neben dem Schulgärtchen, das etwa an der Stelle war, wo sich noch heute das kleine Gärtchen am Zugang zur Kirche von der Knappen Gasse her befindet) unantändig angelegte und dem Schullehrer eingeräumte Schweinestall nach hinten verlegt wird, und 3. wenn der (an das Schulgärtchen grenzende und sich an der Knappen Gasse hinziehende) Holzplatz dem Johann Georg Pfenning abgekauft wird.“ Man muß sich vergegenwärtigen, daß die Schule zur Zeit des Berichts noch unmittelbar neben der Kirche in dem jetzt von Edmund Lehmann bewohnten Haus war und daß der Zugang zur Kirche, von der Knappen Gasse her erst seit 1882 angelegt worden war.
Amtmann Magdeburg schließt seinen Bericht mit folgender Empfehlung: „Wenn die Erweiterungsflächen zunächst belegt werden und später, wenn auf dem alten Friedhof weiter beerdigt wird, das Feldgericht darauf achtet, daß kein Platz vor Ablauf der Ruhefrist neu belegt wird, so dürfte herzogl. Landesregierung sich vielleicht bewogen finden, der Gemeinde Walsdorf zur Anlegung eines neuen Totenhofs einen Ausstand von 10-12 Jahren zu gestatten jedoch unter der Bedingung, daß die … Abänderungen und Verbesserungen alsbald ins Werk gesetzt werden.“
Die herzogl. Regierung gewährte den Aufschub, bis die Gemeinde die Kosten aufbringen kann, empfahl aber, von der Erweiterung des Friedhofs abzusehen, weil dessen Verlegung in Zukunft doch ratsam sein dürfte, und trug dem Amtmann auf, „diesen Gegenstand wieder in Anregung zu bringen“.
(Schluß folgt)

Helmuth Leichtfuß

ÜBRIGENS — WER KENNT NOCH MI SU AUSDRICK
Auf dem Schab liegen

Die Wendung bezeichnet die dreitägige Aufbahrung eines Toten bis zur Beerdigung.
Das Wort Schab, Schabe oder Schaub bedeutete ursprünglich Garbe und hängt mit schieben zusammen, bezeichnet also etwas Zusammengeschobenes (Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 14, Spalten 1947 und 2295). Das Wort ist gemeingermanisch und kommt im Alt- und Mittelhochdeutschen in verschiedener Schreibweise vor. Es bezeichnet aber auch ein Bund Stroh.

Von dieser Bedeutung her hat es sich in der genannten Wendung erhalten, denn ein mit einem Leintuch bedecktes Bund Stroh diente früher häufig als Lager für eine Leiche. Auch hier kam das in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts vereinzelt noch vor. Das Wort Schab, dessen Grundbedeutung nicht mehr bekannt war, hat also einen Bedeutungswandel durchgemacht und nahm die oben genannte Bedeutung an und sagte nichts mehr aus über die Art der Aufbewahrung eines Toten.

H. L.

DIE ERSTEN EVANGELISCHEN PFARRER:
VON LIMBURG ERNANNT, VON CAMBERG BESOLDET

Schon mehrmals konnten wir von Besonderheiten berichten, die sich aus Walsdorfs Grenzlage ergaben. In der Reformationszeit führten seine Bindungen nach Süden und Norden dazu, daß Walsdorf wie die übrigen Orte der Grafschaft Idstein evangelisch in der lutherischen Form wurde, die ersten evangelischen Pfarrer aber von den katholischen Stiftsherren in Limburg ernannt und aus Einnahmen der katholischen Pfarrkirche in Camberg besoldet wurden. Um diese Merkwürdigkeit zu verstehen, müssen wir zunächst einmal in das Mittelalter zurückblicken.

Walsdorf als Teil der Pfarrei Camberg

Walsdorfs Christen gingen, so weit wir es verfolgen können, zunächst nach Camberg in die Kirche. Das Recht, dort einen Pfarrer einsetzen zu dürfen, besaß seit 1328 das St. Georgsstift Limburg. Als Walsdorf in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts als „Walstadt“ neu gebaut wurde, errichtete man außer Stadtmauern und -toren auch eine Kirche, die aber keine eigenen Pfarrer erhielt. Stattdessen kam ein Camberger Geistlicher zu den Walsdorfern. Weil sie wünschten, daß er öfters die Messe lesen sollte, als die Stiftsherren zugestehen wollten, kam es zu langen Streitereien, die bis zu Exkommunikation der Walsdorfer führten.

Zur Camberger Pfarrei gehörten auch Schwickershausen, Erbach, Dombach, Niederselters und Würges. Um diesen großen Bezirk versorgen zu können, gab es neben dem Pfarrer noch einige Kapläne. Sie hatten in der Camberger Pfarrkirche eigene Altäre mit eigenen Einnahmen für ihren Unterhalt. From­me Katholiken des Goldenen Grundes hatten diesen Altären Geld, Ländereien und Häuser gestiftet, damit aus deren Einnahmen (Zinsen, Pacht) Geistliche besoldet werden konnten, die dann für ihr Seelenheil beteten.

Der Kaplan des Marienaltares war für Walsdorf zuständig. Von der Existenz dieses Altares erfahren wir schon 1379. (1)

Walsdorf wird evangelisch

Um Walsdorfs Reformationsgeschichte zu schreiben, muß man eine solche Menge von Faktoren berücksichtigen, daß hier nur ein erster Überblick gegeben werden kann, der sich sehr von dem unterscheidet, was Adolf Deißmann in seiner Klostergeschichte berichtet.

Der Religionswechsel hing überall ab von der Überzeugung der Gläubigen, dem Predigen ihrer Geistlichen, deren Ernennung oder Absetzung und dem Willen der Landesherren. Für Walsdorf müssen wir uns anschauen, welche Entwicklung das Stift Limburg als Anstellungsberechtigter für die Pfarrer und Kapläne, Camberg als Pfarrort und Idstein als Regierungssitz durchmachten.

Das Amt Camberg erlebte im 16. Jahrhundert eine recht bewegte Geschichte, da es immer von mehreren Herren verschiedener Konfessionen gleichzeitig regiert wurde, die auch mehrfach wechselten. 1528 wurde dort erstmals evangelisch gepredigt. Darauf folgten evangelische und katholische Perioden, aber auch solche, in denen der Gottesdienst zugleich nach alter und neuer Weise gehalten wurde. Wie auch in anderen Orten des Taunus stellte sich in den Jahrzehnten nach 1517 nicht die einfache Frage, ob man lutherisch werden oder katholisch bleiben wollte. Erst viel später kam es zu dem scharfen Entweder-Oder.

Als erster evangelischer Pfarrer in Walsdorf ist höchstwahrscheinlich J o h a n n W e i ß anzusehen, der in Walsdorf wohnte und in der Camberger Pfarrkirche einen Altar innehatte. Als 1552 in Camberg die erste von mehreren Vertreibungen evangelischer Christen stattfand, mußte er gehen und fand sogleich eine Anstellung in dem schon länger lutherischen Kirberg. 10 Jahre lang kann er in Camberg und Walsdorf als Kaplan nachgewiesen werden. Es kann aber leider nicht gesagt werden, ab wann er lutherisch predigte. Um 1544 lag er längere Zeit mit der Gemeinde Camberg im Streit, weil er seinen Verpflichtungen gemäß der Stiftungsurkunde für den Altar in Camberg nicht nachkam. Eine Pfändung zeigt, daß es um Materielles, nicht aber um seinen Gottesdienst ging. Der Graf zu Idstein wurde als Landesherr der Walsdorfer Kirche um Hilfe gebeten. (2) Die Tatsache, daß sein vorgesetzter Pfarrer Christian Dapperich 1549 eine Frau hatte, gibt einen gewissen Anhalt dafür, wann die katholische Lehre verlassen wurde. (3)

Die bisherige Darstellung dieser Zeit litt darunter, daß sie allein auf Mechtels „Pagus Logenahe“ aufbaute. Dieses nach 1623 geschriebene lateinische Manuskript ist an dieser Stelle sehr ungenau, liegt dazu nur in einer fehlerhaften Abschrift vor (4) und wurde gewöhnlich nur in einer von dieser Kopie gemachten lückenhaften und falschen Übersetzung benutzt. (5)

Der von Mechtel genannte Chuno mag Johann Weiß gewesen sein: ein aus der damaligen Schrift und Abkürzung möglicher Lesefehler. Die übrigen Angaben stimmen nämlich: sein Pfarrer wird von Mechtel auch an anderer Stelle beschimpft, weil er evangelisch war („eine Pest dieser Pfarrei“) (6), und Chuno wurde wie Johann Weiß 1552 wegen seines evangelischen Glaubens vertrieben.

In vielen Gegenden war es die Obrigkeit, die den neuen Glauben einführte. Für Walsdorf trifft das nicht zu. Die Wende vor rund 440 Jahren kam durch Johann Weiß aus Camberg. Über die Einstellung der Walsdorfer zur Reformation war nichts zu finden. Der damalige Landesherr, Graf Philipp zu Nassau-Idstein, wandte sich erst im Laufe der 40er Jahre der Augsburger Konfession zu, ließ aber beide Glaubensrichtungen zunächst nebeneinander bestehen. (7) 1577 teilte die Idsteiner Regierung dem Reichskammergericht in einem noch zu behandelnden Prozeß mit, ihr Graf habe sich vor 1555 zur Augsburgischen Konfession bekannt und entsprechende Pfarrer eingesetzt. (8)

Der Augsburgische Religionsfrieden

Als 1552 der evangelische Pfarrer vertrieben war, ergab sich die Frage, woher sein Nachfolger kommen sollte. Der evangelische Graf in Idstein hatte kein Recht zur Einsetzung. Vom katholischen Georgenstift in Limburg konnte man schlecht einen evangelischen Pfarrer erwarten. Außerdem würde Camberg seit seiner Besetzung durch den Kurfürsten und Erzbischof von Trier im Vorjahre keine Besoldung liefern.
Doch dieses Problem bestand nur kurze Zeit. Der Augsburger Religionsfriede brachte 1555 die Gleichberechtigung der katholischen und der lutherischen Form des Christentums und verpflichtete alle zur Achtung der anderen Konfession. Die Wiedereinführung des Katholizismus in Walsdorf von Camberg, Limburg und Trier her war damit verboten. Ausgeschlossen war auch die Einsetzung eines katholischen Pfarrers in einer lutherischen Gemeinde aufgrund alter Patronatsrechte. Dagegen blieben die Einkünfte des Pfarrers so bestehen, wie sie von altersher geliefert wurden.

Erster eigener evangelischer Pfarrer

„J a c o b E r n n s t gemeiner Kirchendiener und Predicant Gottliches Worts Inn unserm Flecken Walstorff“ – so erscheint 1561 in einem Brief von Graf Philipp zu Nassau-Idstein der erste Pfarrer in Walsdorf, der nicht gleichzeitig Kaplan in Camberg und dazu lutherisch war.

Der Zeitpunkt seiner Ernennung ist unbekannt, dürfte aber nach 1555 legen, als die rechtliche Lage im deutschen Konfessionsstreit geklärt war. In der Zwischenzeit war Walsdorf wohl ohne eigenen Pfarrer. In der Liste der lutherischen Pfarrer, die vom Stift ernannt wurden, ist dieser Jakob Ernst, der wegen seiner Herkunft aus Hadamar auf Lateinisch auch Jacobus Hadamarius heißt, immer der erste.

1561 wollte ihn der Stift entlassen. Dieses Recht wurde vom Grafen nicht bestritten, er sah aber keinen Grund zur Kündigung. Er meinte, daß „seine Kirchenkinder von ihm sich Unfleiß und Unehrbarkeit nicht zu beschweren oder zu beklagen wissen.“ Aus „Neid und Haß“ sei wohl die Kündigung eines Pfarrers erfolgt, der nur um die volle Auszahlung seines geringen Gehalts in dieser Inflationszeit gebeten habe.
J. Ernst blieb durch die gräfliche Fürsprache Pfarrer, kündigte jedoch selber am 24.8.1563, weil er mit seinem Gehalt unzufrieden war – ein Thema, das hier beginnt und sich durch alle folgenden Jahrhunderte zieht. Auch ein vier Wochen vorher erreichtes Abkommen über seine Einkünfte hatte das nicht verhindern können.

Als Anfang des folgenden Jahres das Stift immer noch nicht auf die Kündigung reagiert hatte, wurde Graf Philipp ungeduldig, weil er als „Christliche Obrigkeit“ nicht zulassen konnte, daß bei den schweren und gefährlichen Zeiten ein Ort ohne Pfarrer war. Mit vielen Worten drängte er auf Eile. (9)

Katholisch-evangelische Zusammenarbeit

J o h a n n P f e i l l aus Mühlhausen wurde den Stiftsherren als Nachfolger für J. Ernst von Graf Philipp vorgeschlagen. Der Graf wäre auch zufrieden gewesen, wenn sie von ihrem Ernennungsrecht Gebrauch gemacht und selbst jemanden ausgewählt hätten. Er behielt sich aber vor, diese Person dann in Idstein von dem lutherischen Theologen examinieren und ordinieren zu lassen.

Wären die Stiftsherren dem großen Drängen des Grafen nicht sofort nachgekommen, hätten sie ihre Rechte in Walsdorfs Kirche ganz verlieren können. So ernannten sie J. Pfeill, der nur kurze Zeit Pfarrer in Walsdorf war: 1564-1565. Die Pest, die 1564 die Nonnen zum Verlassen des Fleckens zwang und den Camberger Pfarrer zum Weggang veranlaßte (10), wurde ihm vielleicht zum Verhängnis. (9)
(Fortsetzung folgt)

Gerhard Buck

Verantwortlich:
GERHARD BUCK