Bürgerbrief 4: März 1979

Erfahrungen mit der Erneuerung eines alten Hauses
oder: Aktive Ortskernsanierung

 Nachdem wir schon sehr lange nach einem alten Haus gesucht hatten, fanden wir in Walsdorf in der „Guckgass“ ein Haus das uns gefiel. Alter zwischen 30 und 300 Jahren.

Der erste Eindruck eines solchen Hauses ist meistens nicht sehr erfreulich, so war es auch hier. An die hohen Wände im Hof und an die dunkle Hofdurchfahrt müssen wir uns erst noch gewöhnen. Auf den zweiten und genaueren Blick sah es dann doch besser aus. Unser Fachmann aus der Familie riet uns zum Kauf und gab uns auch gleich einige gute Anregungen. Bei der Finanzierung gab es keine Schwierigkeiten; eine Sparkasse in Idstein hat uns da sehr geholfen. Um einen besseren Überblick zu bekommen, wurden die Räume ausgemessen, und ein guter Freund versuchte sich an einer Zeichnung. Dieses gelang ihm nicht, da es im gesamten Haus kaum einen Raum gibt, der rechteckig oder quadratisch ist. So mußte fast überall die Diagonale gemessen werden.

Anfang Oktober 1978 begannen die Renovierungsarbeiten. Alle noch vorhandenen Lehmfelder (ausgemauertes Fachwerk mit Lehm) wurden entfernt und neu ausgemauert. Sämtlicher Lehmputz (3 – 5 cm dicker Lehm mit Stroh vermischt und mit den Füßen gemischt) wurde abgeschlagen- Eine staubige Arbeit, bei der man keine 2 Meter sehen konnte. Inzwischen haben wir 9 Wagen Bauschutt abgefahren.
Alle Räume mit Fachwerk wurden von innen mit Leichtbauplatten mit Styropor isoliert und möglichst gerade verputzt, was nicht immer ganz einfach war, da sie bis zu 6 cm aus dem Lot waren. Nach Meinung des Schornsteinfegers konnte der alte Kamin noch benutzt werden, aber da er schon sehr versottet war, haben wir einen neuen hochgezogen. (Eine der Arbeiten, die nicht geplant waren). Die Fachwerkbalken sind teils aus Eiche und teils aus Fichte. Die Eichebalken sind hart wie Eisen, dagegen die Fichtebalken vom Holzwurm zerfressen. Die Balken haben bei Schlitzen, die in die Wände sollten, stark gestört, so daß man manchen Kompromiss eingehen mußte.

Dagegen bestehen die alten Böden nur aus Eichebalken und Dreck dazwischen. Diese sind durch ihre Unebenheit ein Problem, aber mit Perlitte Trockenschüttunq und aufgelegten Spanplatten kann man auch das ausgleichen. (Das ist wegen des geringen Gewichtes die beste Lösung). Die alten Fenster werden durch Fenster mit Isolierglas ersetzt. In die noch guten Eichefenster wird nachträglich Isolierglas eingebaut.

Den Hof wollen wir bepflanzen und uns in einer Ecke einen Freisitz einrichten. An den hohen Wänden werden wir versuchen, Efeu oder ähnliches hochzuziehen.

Nachdem wir die Scheune von außen etwas renoviert haben, wollen wir sie irgendwann ausbauen und eine Garage, einen Sportraum mit Tischtennisplatte u.s.w. und einen Arbeitsraum einrichten. Es wäre auch noch genug Platz für eine Sauna.

Zur Erhaltung der Außenfront (das ist alles, was man von der B 8 aus sehen kann) kann man einen Zuschuss von 30% der Kosten, maximal DM 15.000,- erhalten. Dazu stellt man einen formlosen Antrag an die Stadt Idstein und legt einen Kostenvoranschlag eines Handwerkers oder Architekten vor. Bezuschußt werden: Wand, Fenster, Türen, Dach, Wärmedämmung und alles, was mit der Renovierung zu tun hat. Der Antrag muß in 1979 als letztes Jahr gestellt werden.

Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die Stadt Idstein die Eigenarbeit der Besitzer mit einem höheren prozentualen Zuschuss als nur 30% anerkennen würde. Mit DM 15.000,- kommt man sowieso nicht weit.
Zuletzt eine kleine Erinnerung an die gute alte Zeit, die man am Haus noch sehen kann: In der Wand zum Nachbarn, der auch früher schon Schreiner war, war ein Loch, durch das beim Hobeln das Holz geschoben wurde, so daß es in unseren Hof hineinragte. Nachbarschaftshilfe anno 1900.

Die gröbsten Arbeiten am und im Haus sind inzwischen abgeschlossen, der Einzugstermin kommt immer näher. Wir freuen uns schon auf unser Haus und unsere neuen Nachbarn!

Dieter Thielmann

Bepflanzung des Walsdorfer Grillplatzes am 11.11.1978

Zugegeben: Der Walsdorfer Grillplatz ist windanfällig. Aber er ist nun mal da, und das Beste daraus zu machen, das war der Gedanke beim Bürgerverein.

Man beschloß kurzerhand, die leider spärlich vorhandene Bepflanzung mit einheimischen Gehölzen zu verdichten, um so der besonders abends oft störenden Zugluft Einhalt zu gebieten.

Vom Rathaus in Idstein kam die Zustimmung hierzu, der Forstrevierleiter gab Tips, wo im Walsdorfer Wald geeignete Pflanzen geholt werden können, und die Vorsitzenden der übrigen Walsdorfer Vereine sagten ihre Unterstützung zu.

Wenn auch zwischenzeitlich alte Meinungsverschiedenheiten über die „Standortfrage“ auflebten, am Pflanztage standen dann doch viele Helfer zur Verfügung.

Schnell bildeten sich zwei Arbeitsgruppen, und während die eine auszog, um Weißdorn, Pfaffenhütchen, Weide, Haselnuß, Birke und vieles andere im Wald auszugraben, den Wurzelballen fachgerecht zu verpacken und alles zum Grillplatz zu transportieren, bereitete die zurückgebliebene Gruppe vorbildlich die vorgesehenen Pflanzlöcher in dem harten Schieferboden vor.

Bis in die Nachmittagsstunden wurde so eine beachtliche Anzahl von Pflanzen rund um den Grillplatz gesetzt, in Muttererde gebettet und angegossen. Zwischendurch sorgten einige Vereinsfrauen mit Grillwürstchen und Getränken für das leibliche Wohl der Helfer.

Die Pflanzaktion mag als bescheidener Anfang gewertet werden. Es bleibt nur zu hoffen, daß die mit so viel Liebe und Eifer gesetzten Pflanzen. gedeihen, um so nach und nach den Grillplatz zu einem lauschigen Plätzchen werden zu lassen, das zu manch frohem Verweilen einlädt.

Allen Helfern bei der Pflanzaktion hier ein besonderes Dankeschön!

Uwe Rohnstock

Bergbau in Walsdorf – Die Ockerlöcher

Erdfarbengewinnung und Verarbeitung

„Es ist nicht leicht, die Vergangenheit zu schildern,
ohne ihr die Färbung der eigenen Gefühle zu geben.“

Heinrich Heine

In dem immer mehr zur baum- und strauchlosen Kultursteppe werdenden Walsdorfer Feld liegt, als eine der wenigen noch vorhandenen grünen Oasen, am Beginn des Mittelhangwegs das „Ockerloch“. Ja, die Bezeichnung „Am Ockerloch“ ist zum Begriff geworden, obwohl die Flur ganz anders heißt.

Ocker – das Wort kommt von dem griechischen ochra = gelb – ist ein aus verwittertem, oberdevonischem Schiefer entstandenes, abgeschwemmtes und wieder verfestigtes Ton – Quarzgemisch, das mit Eisenhydroxyd und Eisenoxyd angereichert ist. Verunreinigungen mit Manganoxyd verfärben ihn in manchen Schichten von hellgelb bis dunkelbraun. Strukturell ist er ein weiches, kreideartiges Gestein. Schon die Menschen vorgeschichtlicher Zeiten benutzten ihn als Malfarbe, und die Ägypter der ältesten Dynastien bauten ihn bergmännisch ab.

Auch hier in Walsdorf war er der Grundstoff einer örtlichen Industrie. Wann der Ockerbergbau in Walsdorf begann, weiß man nicht. Aber in den alten Walsdorfer Akten, deren systematische Durcharbeitung noch jahrelanger Arbeit bedarf, befinden sich verschiedene Hinweise auf Verträge (2. Hälfte 19., bzw. Beginn 20. Jahrhundert) mit den bergmännischen Abbau betreibenden Unternehmen. Außer dem Ockerloch am Mittelhangweg gibt es in der Walsdorfer Gemarkung noch mehr verlassene Schürfstellen und Stollen, überwiegend entlang des durch den Bürgerwald zur Alteburg führenden Fürstenweges, der sich dort mit der „Hohen Straße“ vereinigt. Deutlich erkennbar ist noch das Ockerloch etwa 200 m hinter dem 2. Querweg (Wendeplatz) rechter Hand. (Siehe hierzu die Karte auf Seite 10) Die letzte Ockergrube, die ich im Betrieb erlebt habe, befand sich am Fürstenweg links vor dem Bürgerwald (Das Grundstück gehört heute zum Kadesch-Besitz).

In den Walsdorfer Personenstandsregistern des vorigen Jahrhunderts finden wir wiederholt auch den Beruf des Bergmannes, Grubensteigers, Obersteigers und Farbmüllers. Zu diesem Personenkreis gehört auch die heute in Walsdorf ansässige Familie Becker, in Walsdorf „Ockerbeckers“ genannt. Ihr Ahnherr ist der 1849 in Hirschhausen bei Weilburg geborene Grubensteiqer Wilhelm Becker. Seine Söhne Emil und Wilhelm waren es, denen wir einmal vor dem 1. Weltkrieg bei ihrer Arbeit am Bürgerwald zusahen. Hauptlehrer Jacob erklärte uns Betrieb und Zusammenhang. In die Erde führte ein etwa 15 – 20 m tiefer Schacht, von dem aus Stollen bzw. Strecken abgingen, in denen der Ocker abgebaut wurde. Als Förderturm diente ein 5 – 8 m hoher Dreibock mit Flaschenzug und Winde, mit deren Hilfe das Fördergut hochgeleiert wurde. Wilhelm Becker arbeitete mit den Brüdern Karl und Wilhelm Rühl „Untertage“, Emil Becker leierte und schüttete das gewonnene Material auf Halde. Ein auffälliges Requisit war der Windfang. Er bestand aus einem großen Windtrichter, der von einem Dreibock gestützt, sorgfältig gegen die Windrichtung gedreht wurde. Ein Rohr, wie eine Regenröhre, führte von ihm durch den Schacht in die Stollen und sorgte für die Belüftung, „Wetterführung“ genannt. Emil prüfte von Zeit zu Zeit mit erhobenem, feuchten Zeigefinger, woher der Wind wehte.

Zu dem Duo gehörte als Dritter im Bunde der Alte Bücher, ein kleines Männchen mit bis zur Brust reichendem grauen Gabelbart, langer blauer Schürze (in Walsdorf sagte man „Schaffschürz) und dunkler, 8-eckiger Mütze (Kapp). Hätte er statt ihrer eine rote Zipfelmütze getragen, der Zwerg aus dem Märchen vom Schneewittchen wäre fertig gewesen. Mit seinen zwei Kühen fuhr er den Ocker zum Camberger Bahnhof, wo er zuerst gelagert und dann, wenn der Haufen groß genug war, von der Laderampe in einen Waggon geschaufelt wurde, um nach Oberlahnstein zur Weiterverarbeitung zu rollen. Teilweise gelangte das Material auch zur Morchermühle. Sie hatte, nach der Aufhebung des Bannrechtes, ihre Funktion als Mahl- und Lohmühle verloren und war zur Farbenmühle geworden. In Walsdorf führte sie deshalb den Namen „Ockermühle“, weil dort der Ocker durch Mahlen, Schlämmen, Trocknen, Brennen und wieder Mahlen mit noch anderen Rohstoffen aus der Walsdorfer Gemarkung, über die wir noch später hören werden, zu Anstrichfarben vieler Tönungen verarbeitet wurde. Als sie diese Funktion mit dem ersten Weltkrieg verlor, erhielt sie mit einer neuen Aufgabe auch einen neuen Namen: die „Kaffeemühle“.

Diese Art des Ockerabbaus und die mehr handwerkliche Verarbeitung waren der Konkurrenz des Westerwaldes mit dem Tagebau in mächtigeren Schichten wirtschaftlich nicht mehr gewachsen. Sie gingen, wie auch andere Walsdorfer Wirtschaftszweige, über die wir gelegentlich einmal plaudern wollen, ein.

Das Alte stirbt, es ändert sich die Zeit, aber wir wollen, gerne noch einmal daran denken und darüber nachdenken, was unsere Väter taten, deren Fleiß wir unser Dasein verdanken.

Die Familie Becker wohnt heute noch auf der „Ockermühle“. Emil Becker, dem einmal ein Eimer durch die zurückschnellende Winde die Schädeldecke eingeschlagen hatte, die durch eine silberne Platte ersetzt wurde, verunglückte im September 1926 tödlich. Der Eintrag im Kirchenbuch lautet: „Der Bergmann Becker wurde auf der Landstraße Camberg – Würges morgens tot aufgefunden. Der Gerichtsarzt hat festgestellt: verstorben an inneren Blutungen. Todesursache wahrscheinlich: „überfahren durch Auto“. Willi Becker, der die Mühle bis zum zweiten Weltkrieg betrieb, verunglückte ebenfalls. Er geriet 1945 in die Mühle.

(Eine Fortsetzung über die Blaue Kreide u.a. Erdfarben folgt.)

Gustav Lehmann

Die Kuh im Gasthaus zum Taunus

Man schrieb 1943 oder 44; an das Jahr erinnere ich mich nicht mehr so genau, umso deutlicher aber an den Vorfall, von dem die Rede sein soll.

Am „runden Tisch“ in der Gastwirtschaft Schauß saß eine Gruppe Fronturlauber mit Mädchen und jungen Frauen zusammen. Die Gläser klangen, das Bier schmeckte, und je reichlicher der Gerstensaft floß, umso übermütiger wurden die Reden und ausgelassener das Lachen.

Weiß der Teufel, wie sichs ergab, in vorgerückter Stunde wurde eine verrückte Idee geboren: Eine Kuh sollte herbeigeschafft und mit einem Eimer Bier getränkt werden – was bekanntlich ja die Milchleistung steigern soll – und die mutigste der Damen sollte auf ihr durch die Kegelstube ins Freie reiten. Ein taugliches Objekt war bald gefunden. W.P. war bereit, für Freibier für den Rest des Abends eine Fahrkuh zu Hause zu holen. Auch der Erntewagen unter der Toreinfahrt konnte ihn von seinem Vorhaben nicht abbringen. Ein paar Gläser Bier im Bauch und die Aussicht auf ein Riesengaudi machten erfinderisch. Wenn die Kuh nicht durch die Toreinfahrt geht, wird sie halt durch die Küche geführt. Das Abenteuer gelingt, ohne daß einer der schlafenden Hausbewohner etwas bemerkt, und die Kuh ist offensichtlich bereit und willig, ihren ersten Wirtshausbesuch trotz Störung ihrer Nachtruhe ohne Widerstreben und Fisimatenten hinter sich zu bringen. Ohne Zögern steigt sie über die Treppe und steht mit den Vorderfüßen schon im Hausgang, als der Wirt herbeispringt und sich ihr entgegenstemmt. Mit dem Ruf: „Loßt mer das Dejer (Tier) aus em Haus, das versaut mer jo die ganz Wertstubb“ Versucht er, sie zurückzudrängen, während andere ihr den Schwanz drehen, um sie zum Weitergehen zu bewegen.
Der Wirt packte nicht nur die Kuh bei den Hörnern, sondern auch die Gelegenheit beim Schopf, den „Buben“ mal zu zeigen, daß er nicht nur mit Worten stark war, wie er es ihnen oft an Taten aus der Zeit illustrierte, in der er selbst noch jung war, sondern auch wenn es galt. Er blieb Sieger über den ungebetenen Gast.

Wenn auch die Krönung des Abends nicht erreicht wurde, ha­ben doch alle, mit Ausnahme der beiden „Kämpfenden“ Tränen gelacht und sich vor Freude fast gewälzt.

Text: Helmuth Leichtuß

Zeichnung: Herbert Teige