Bürgerbrief 5: Juni 1979

GAS KOMMT NACH WALSDORF

Seit einiger Zeit sind im Idsteiner Land umfangreiche Erdarbeiten im Gange, die für die Verlegung der Gasleitung nötig sind. Walsdorf ist einbezogen. Bei den meisten Bürgern tauchte eine Reihe von Fragen dazu auf.

  1. Woher kommt das Gas, wie sicher sind die Lieferungen der Vertragspartner?
  2. Warum entschied sich die Stadt Idstein für die MKW?
  3. Wie groß ist das Sicherheitsrisiko?
  4. Wie kommt der einzelne Hauseigentümer an das Gas, und welche Kosten kommen auf ihn zu?

Zu 1. Die MKW beziehen das Gas von der Rohrgas AG, und diese wiederum aus Persien und den Nordseestaaten, Niederlande und Norwegen. Da Deutschland unwesentliche Vorkommen von Erdgas hat, sind wir auch hier vom Import abhängig. Es bestehen zur Zeit aber Ausweichmöglichkeiten, wenn ein Vertragspartner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, wie es kürzlich im Iran geschehen ist. In Deutschland arbeitet man zur Zeit an einem Projekt, aus Steinkohle und Braunkohle ein ungiftiges Gas herzustellen. Im Augenblick sind die Herstellungskosten noch zu hoch. Man glaubt, dieses Problem in spätestens 4 – 5 Jahren in den Griff zu bekommen, so daß wir dann von ausländischen Lieferungen unabhängiger sein könnten.

Weiter laufen Versuche mit der Abwärme der Kernkraftwerke, „Wasserstoffgas“ zu erzeugen. Zur Zeit weiß man nicht, wie das mit den Atommeilern weiter geht. Bleiben die alten? Kommen neue hinzu?

Zu 2. Als Bewerber für die Gasversorgung traten in Idstein auf:

  1. Energieversorgung Limburg GmbH., (EVL)
  2. Hessen-nassauische Gas AG, Ffm.-Höchst, (HNG)
  3. Main-Kraftwerke AG, Ffm.-Höchst (MKW)

Die EVL zog schon vor dem Entscheidungstermin ihr Angebot zurück.
Entscheidungskriterien für die Stadt Idstein waren:

  1. Rechte und Pflichten der Stadt Idstein aus dem Gasversorgungsvertrag
  2. Vorteile aus dem Vertragsabschluss für die Allgemeinheit
  3. Vorteile aus dem Vertragsabschluss für den einzelnen Gasabnehmer
  4. Wirtschaftliche Bedeutung des Gasversorgungsvertrages.

Die MKW erklärten sich bereit, alle Straßen an das Versorgungsnetz anzuschließen, soweit die Wirtschaftlichkeit an­nähernd gewährleistet ist. HNG wollte dagegen bei der Verlegung von Rohren in den einzelnen Straßen eine Investitionskostendeckung nach 10 Jahren.

Die Vertragsdauer beträgt bei MKW 60 Jahre, bei HNG 50 Jahre.

Würde die Stadt Idstein vorzeitig aus dem Vertrag aussteigen, müßte sie bei HNG die Gasanlagen kaufen. MKW verlangt das nicht.

Die MKW erklärten sich bereit, nach Möglichkeit auch abweichend von den geplanten Ausbaustufen im Zuge von städtischen Straßenbau-Maßnahmen Gasleitungen in diesen Straßenzu verlegen. Ferner erklärten sich die MKW bereit, auch die Wasser- und Abwasserrohre der Stadt in die Gasleitungsgräben verlegen zu lassen. Das erspart der Stadt, somit dem Steuerzahler Geld und dem Bürger eine ärgerliche Belastung durch ständig aufgewühlte Straßen. Eine weitere Kostenersparnis von ca. DM 100.000,- ergibt sich für die Stadt, da die MKW die meisten öffentlichen Gebäude kostenlos anschließen wollen.

Gashausanschlußkosten bei MKW ca. DM 1.500,-
Gashausanschlußkosten bei HNG  ca. DM 3.300,-

Die Gaspreise der MKW liegen in den wesentlichen Tarifgruppen erheblich unter denen der HNG, teilweise bis zu 40 %.

Weiterhin wurde gewährleistet:

  1. Die MKW-Zweigstelle in Idstein wird für den Gasbetrieb erweitert.
  2. Personelle Ausstattung: 1 Gasmeister, 2 Gasmonteure, 2 Beratungskräfte.
  3. In Idstein wird ein ständiger Störungs-, Bereitschafts- und Kundendienst unterhalten.
  4. 20 % Rabatt auf Hausanschlußkosten, wenn dieser im Zuge der Hauptrohrverlegung errichtet wird.
  5. Die sogenannte DM 400,- Regelung, d.h. Zahlung von DM 400, bei Auftragserteilung und Stundung der Restsumme bis zum Zeitpunkt der Gasabnahme.
  6. Keine Berechnnng der Kosten für Erdarbeiten, Mauerdurchbrüche. sowie für die Wiederherstellung von Straßen und Bürgersteigen.
  7. Die MKW verpflichten sich, nach Aufnahme der Gasversorgung keine Tarif- und Sondervertragspreise sowie keine Hausanschluß- und Baukostenzuschußregelung einzuführen, die ungünstiger als die jeweiligen Versorgungsgebühren der HNG und EVL sind.
  8. Idsteiner Unternehmer sollen bevorzugt bei der Vergabe von Verträgen berücksichtigt werden, soweit sie für die Arbeiten ausreichend qualifiziert sind.

Als Konzessionsabgabe erhält die Stadt Idstein für das Jahr 1985 ca. DM 15.000,-. Dieser Betrag steigert sich bis ca. DM 30.000,- im Jahr 1990. Die Konzessionsabgabe ist der Preis, den z.B.die MKW dafür zahlen, daß sie ihre Versorgungsleitungen in die öffentlichen Straßen legen darf.

Zu 3. Bei den Bürgern taucht immer wieder die Frage auf, wie sicher ist die Gasleitung? Ist die Gefahr einer Explosion nicht zu groß? Die meisten Unfälle mit Gas passieren, laut Statistik, durch veraltete Leitungen und in hohem Maße durch Selbstmörder. Von jeder Nahtstelle im Gasleitungsnetz liegt eine Röntgenaufnahme vor. Diese Überprüfung wird systematisch durchgeführt, protokolliert und geschieht unter Aufsicht des TÜV. Bevor Gas durch die Rohre geleitet wird, werden diese mit Luft unter Druck gesetzt; so kann man evtl. Schadstellen noch aufspüren. Erst wenn das Leitungsnetz auf diese Weise überprüft und in Ordnung befunden wurde, wird Gas eingeleitet.

Für den Gasbrenner und die Leitungen im Haus ist der Hauseigentümer verantwortlich.

Dem geruchlosen Erdgas wird ein Geruchsstoff beigegeben. Sobald es an einer Stelle austritt, rufe man sofort die nächste MKW-Stelle an, die einen Störungsdienst rund um die Uhr hat.

Zu 4. Für Walsdorf ist ein teilweiser Ausbau bis Herbst 79 vorgesehen, bis zum Herbst 80 soll das ganze Netz verlegt sein. Im Zeitplan können Verzögerungen auftreten.

Jeder Hauseigentümer wird von einem Berater aufgesucht, wenn die Leitungen an seinem Grundstück vorbeigelegt werden.

An Kosten fallen an:

Baukostenzuschuß für Straßenlängsleitung DM 45,- pro m Straßenfrontlänge, Hausanschlußkosten DM 15,- pro lfdm. ab Grundstücksgrenze bis zur Hauptabsperrvorrichtung.

Dann gibt es auf diesen Preis einen 20 %igen Einführungsnachlaß zuzüglich der Mehrwertsteuer. Für den Abnehmer fallen weiterhin, als einmalige Kosten, die Auslagen für eine neue Heizzentrale oder die Umrüstung der alten, soweit möglich, an. Der Grundpreis bei Gas richtet sich wie beim Strom nach dem Verbrauch und dem Tarif.

Grundsätzlich ist die Erweiterung des Angebotes an Primärenergie zu begrüßen. Welche Lösung für den Einzelnen die günstigste ist, darüber muß sich jeder seine eigenen Gedanken machen.

Erarbeitet vom Aktuellen Arbeitskreis

DIE HÖLLE UND DIE BLAUE KREIDE
Walsdorfs Bodenschätze und Bergbau (2. Teil)

„In der blauen Kreide“ (Blookreid) ist für viele alte Walsdorfer, auch die Bezeichnung „Am Ockerloch“ ein fester Begriff für ein Flurstück am Escher Weg an der Holzbrücke über den Emsbach, das eigentlich „Höll“ oder „Hell“ reißt. Das Wort hat mit der Hölle als Ort der ewigen Verdammnis und Wohnung des Teufels nichts zu tun, sondern bezeichnet einen sanft ansteigenden Berghang, der oft mit Gebüsch bewachsen ist. Aber es wurde dafür in Anspruch genommen. Generationen Walsdorfer Kinder haben hier den Weg in die Unterwelt gesehen. Und nicht ohne Furcht haben sie sich bei der Feldarbeit diesem Ort genähert. Die Bedrohung: „Du kommst in die Höll!“ verfolgte sie schon seit frühesten Tagen.

Im Rhythmus der sich jährlich wiederholenden Predigten wurde die kindliche Phantasie noch beflügelt, wenn sie die prophetischen Worte hörten: „Denn er geht umher wie ein brüllender Löwe und suchet wen er verschlinge und wäre der Herr nicht für uns gewesen, als die Mächte der Hölle gegen uns waren, sie hätten uns allesamt verschlungen!“. Wenn wir dann auf dem Kleewagen oder den hohen Heu- und Erntewagen dort vorbeifuhren, dann geschah das mit einem bangen Gefühl,  das sich erst mit zunehmender Entfernung in einem „Wir sind noch einmal davongekommen!“ auflöste.

Näherte man sich aber trotz aller Warnungen dem von Weiden und Erlen umstandenen, uferversumpften und wassergefüllten Krater, dann sah man aus der Tiefe blasenbildende Gasperlen von Methan und Kohlendioxyd aufsteigen. Sollte das nicht wirklich der Eingang zu einer Unterwelt sein, – aus der zu mittlernächtlicher Stunde der Leibhaftige mit seinem höllischen Gefolge herausfuhr, um seine Opfer zu suchen? Die Erinnerungen an die grausamen Hexenverfolgungen, die im 17, und 18. Jahrhundert das Idsteiner Land heimgesucht hatten, waren noch zu lebendig.

Von Generation zu Generation trug der Volksmund die Geschichten und Sagen weiter. Doch in unsere entzauberte Welt passen sie nicht mehr. Darum wollen wir wieder sachlich zum eigentlichen Thema zurückkehren.

Blaue Kreide, auch Blauocker, Blauerde oder Bergblau genannt, ist der Grundstoff für die als Bremer Blau bekannte Anstrichfarbe. Es ist eine verfestigte Tonerde (Bolus), die mit verschiedenen Stoffen angereichert ist. Das sind sowohl bituminösorganische Zersetzungsprodukte, als auch Metallsalze wie Phosphateisen, Kupferlasur, Kupferoxyd u.a., also jene, die auch in Kieselsäurekristallen die Farbgeber vieler Edelsteine sind.

Die Blaue Kreide war zunächst ein Tagebau, von dessen Sohle aus der Abbau seitlich in Stollen und Strecken weitergetrieben wurde, bis man eines Tages mit den primitiven Pumpen des nachdringenden Wassers nicht mehr Herr wurde. Die sogenannte Wasserhaltung war unmöglich geworden; die Grube, wie man bergmännisch sagte, versoff und wurde zum Naturdenkmal. Interessant ist, daß auch bei der Niederbringung des Tiefbrunnens bei der „Siebenmeisterbrücke“ in den Bohrkernen „Blaue Kreide“ zu Tage kam.

Aber der Walsdorfer Boden barg und birgt noch andere Schätze. Im Rosengraben (östlich der B8) wurde ein blutroter, haematithaltiger Ton abgebaut und zu roter Anstrichfarbe (Englisch- oder Berlinerrot) verarbeitet. Aus dem im Schafsgraben (auch östlich der B8) gewonnenen weißen Ton, dem Schwerspat oder Bariumsulfat, wurden nicht nur die Tonrohre der ersten Walsdorfer Wasserleitungen von 1543 geformt und gebrannt, sondern auch die als Permanentweiß heute noch gebräuchliche Farbe hergestellt.
In Walsdorf wurde Alaun als Beizmittel in der Textilfärberei benutzt; denn hier bestand einst eine bedeutende Woll- und Leinenweberei.

So hatte also auch Walsdorf Anteil an den vielfältigen Bodenschätzen, die einmal den Reichtum der Nassauer Lande ausmachten und schon im Mittelalter einigen seiner Grafen den Beinamen „der Reiche“ eintrugen.

Gustav Lehmann

DAS KRIEGERDENKMAL Planung – Bau – Finanzierung

Die historisch wertvolle Aufnahme von der Feier der Enthüllung des Kriegerdenkmals am 5. und 6. August 1899, die in einer ausgezeichneten Vergrößerung auf der Fotoausstellung im März gezeigt werden kennte, ver-anlaßte mich nachzuforschen, ob über dieses Ereignis noch etwas in Erfahrung zu bringen sei. Ich hatte Glück bei der Suche; denn zufällig ist von allen Protokollbüchern des Kriegervereins Walsdorf aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg nur das erhalten geblieben, das vom 5.5.1891 bis zum 4.8.1900 reicht, also genau den Zeitraum umfaßt, in dem das Denkmal errichtet wurde. Darüberhinaus gibt es noch einige Nachrichten in den Protokollbüchern des Gemeinderates aus den Jahren 1893 bis 1895. Die Überlieferung ist so ausführlich, daß sich die Vorgänge gut nachzeichnen lassen.

Der siegreiche Feldzug von 1870/71 gegen Napoleon III. von Frankreich und die Gründung des zweiten Deutschen Reiches am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles hatten, wie die Dokumente ausweisen, das Denken und Fühlen der Deutschen nachhaltig beeinflußt. .Besonders die Kriegervereine, die in den 70er Jahren, des vorigen Jahrhunderts zahlreich gegründet worden waren, hielten die Erinnerung an den „glorreichen Feldzug“ wach und machten sich die Pflege der „patriotischen Gesinnung“ zur Aufgabe. Eine Eintragung vom 31.12.98 mag für viele stehen: „Der Vorsitzende hält (anläßlich der Aufnahme eines neuen Mitgliedes) eine Ansprache über das Kriegervereinswesen und fordert a11e Kameraden auf, fest wie eine Eiche treu zu Kaiser und Reich zu stehen, die Liebe zum Landesfürsten und Vaterland zu pflegen und einig zusammenzuwirken für das Wohl unseres Vaterlandes“.

In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts scheinen vielerorts Kriegerdenkmäler errichtet worden zu sein. Mehrfach ist in den Protokollen von Einweihungsfeiern der näheren und weiteren Umgebung die Rede, z.B. auch in Esch am 16.1.1893.

Der Beschluß zur Errichtung eines Kriegerdenkmals in Walsdorf wurde in der Versammlung vom 25.Dezember 1892 gefaßt. Als Zeitpunkt war der Sommer 1894 vorgesehen. Im Laufe des Jahres 1893 kamen noch einmal Zweifel auf, ob man den Plan realisieren könne. Unter dem Datum vom  23.6.93 lesen wir im Protokollbuch: „Wegen der voraussichtlich schlechten Ernte soll die Errichtung des Kriegerdenkmals im Jahre 1894 noch nicht sicher bestimmt sein.“ Da sich, wie es heißt, „die Ernteverhältnisse im Nachsommer und Herbst jedoch besser gestellt haben als man glaubte,“ wurde am 8.10.1893 beschlossen, das Denkmal wie vorgesehen im Sommer 1894 zu erstellen.

Der Vorsitzende wurde beauftragt, mit dem Steinhauer Dötzel von Camberg Verhandlungen zu führen. Dieser legte dem Verein in der Versammlung vom 21.1.1894 eine Zeichnung vor, die sämtlichen anwesenden Mitgliedern gefiel. Nur sollte der Adler eine freiere und bessere Stellung haben als auf dem Kriegerdenkmal in Esch. „Hierauf wurde von dem Verein zum Accord geschritten. Der Accordant bekommt für den Bau und Aufstellung des Denkmals 708 Mark…..“.

Auf das Denkmal sollten folgende Schriften kommen:“ Zur Erinnerung an den glorreichen Feldzug 1870/71″, der patriotische Spruch: „In Treue fest, im Sturme treu, Gott war mit uns, ihm sei die Ehre“, die Namen der Schlachten von Weißenburg, Wörth, Sedan und Paris, weil die meisten hiesigen Krieger diese 4 Schlachten mitgemacht hatten, und schließlich die Namen der 26 Kriegsteilnehmer und 25 Mitglieder.
Über den Standort gab es einige Diskussionen. Zuerst entschied man sich für den Platz auf dem Damm. Dann aber haben viele Mitglieder den Platz vor dem Hause der ehemaligen Gastwirtschaft Weygand in der Untergasse vorgeschlagen. Im Protokoll der Sitzung vom 29. April 1894 heißt es dazu jedoch: „Unser Ehrenmitglied Bürgermeister Ochs erklärte dem Verein, wie schwierig der Platz an dem Hause des Weygand zu bekommen sei. Daraufhin beschloß der Verein einstimmig, an dem alten Platz am Damm festzuhalten.“ Die Gemeindegremien hatten dem Kriegerverein die Aufstellung des Denkmales auf dem Damm „mit dem Bemerken genehmigt, daß die Gemeinde in späteren Jahren in keine Kosten durch Unterhaltung des Denkmals kommen kann.“ (Beschluß vom 10.6.1894)

Die Fundamentierungsarbeiten machten Christian Baum, Friedrich Baum und Ludwig Keller für 10 Mark. Am 10. Juli 1894 war die Grundsteinlegung. Folgende Urkunde wurde in einer Flasche versiegelt und eingemauert: „Der Grundstein zu diesem Denkmal wurde am 10. Juli 1894 gelegt. Das Denkmal wurde errichtet von dem Kriegerverein Germania Walsdorf zur Erinnerung an den glorreichen Feldzug 1870/71, den Gefallenen zum Gedächtnis und den Lebenden zur Nacheiferung. Ein Wahrzeichen, das noch die späteren Geschlechter Walsdorfs an die Siegestaten ihrer Vorfahren erinnert……Das Reich errungen mit deutschem Schwert, im Frieden halt es hoch und wert, dem Feinde die Stirn, dem Kameraden die Hand, das Leben, wenns sein muß, dem Vaterland. Geschehen zu Waldorf, den 10. Juli 1894. Der Vorstand des Kriegervereins Germania Walsdorf, W. Capito, Vorsitzender.“

Der damalige Bürgermeister Ochs fügte folgendes Schreiben bei: „Beurkunde hiermit, daß das Kriegerdenkmal, wozu heute der Grundstein gelegt wird, zur Zierde unseres alten Flecken gereicht. Der Grundstein des Denkmals wird auf Felsen gelegt und fest auf Felsen liegt auch der Grundstein des deutschen Vaterlandes.

Sollte einst das Denkmal und das Vaterland von Feinden angetastet werden, so bewahrheitet folgende Worte: Mit festem Mut und starker Hand beschützen wir das Vaterland. Gustav Ochs, Bürgermeister.“
Am 31.7. wurde das Denkmal mit Pferdefuhrwerken in Camberg abgeholt und am gleichen Tage unter Böllerschüssen errichtet.

„Mit Gottes Hilfe ist alles gut zu Ende gekommen“ heißt es im Protokollbuch. Sämtliche Vereinsmitglieder, die in Walsdorf wohnten, hatten sich zu beteiligen. Der Vorsitzende führte über alle Arbeiten, „welche ausgeführt werden mußten, ein Journal und kommandierte die Kameraden zur Arbeit. „Leistete ein Mitglied nicht Folge, so konnte die Arbeit auf seine Kosten ausgeführt werden. Diejenigen Mitglieder, die nicht zu Hause waren, hatten einen Mann auf ihre Kosten zu stellen.

Die Finanzierung des Denkmals übernahm der Verein. Das war keine leichte Aufgabe, wenn man, sich die finanzielle Situation vor Augen führt. Die Jahresrechnung von 1898 beispielsweise schloß bei Einnahmen von 176,35 Mark und Ausgaben von 96,73 Mark mit einem Überschuß von 79,82 Mark ab. 1896 erzielte der Verein bei einem Theaterabend mit anschließendem Ball 21,67 Mark Reinertrag. Es gehörte schon Mut dazu, unter diesen Bedingungen ein Projekt in Angriff zu nehmen, das über 700 Mark kosten sollte. Daß man sehr genau rechnete und auch kleinere Beträge zu schätzen wußte, ist unter diesen Umständen nicht verwunderlich. Noch in der Versammlung, in der der Beschluß über die Errichtung des Denkmals gefaßt worden war, wurde „der erste Fond zur Erbauung des Denkmals durch Verkauf einer Zigarre nach amerikanischer Auktion gebildet. Es ergab sich der Kassenbestand zum Denkmal von 5,46 Mark.“ Im Februar 1893 kamen durch die Versteigerung einer Bretzel, die von dem Mitglied Eul zu Kaisers Geburtstag gebacken worden war, 4,70 Mark hinzu. Natürlich wurde auch bei den Ausgaben sparsam gewirtschaftet und darauf geachtet, daß man sich ja nicht vergibt. Unter dem Datum vom 22. Juli 1894 findet sich folgender Eintrag, der das schlagend belegt: „Für die Namen, welche mehr auf das Denkmal kommen als bestimmt war, ging dahin Vereinigung, daß Herr Dötzel 18 Mark mehr bekommt als der Vertrag lautet. Sollte aber der Tag der Weihe bezüglich der Einnahmen ein günstiger sein, so bekommt Herr Dötzel statt 18 Mark 20 Mark.“ Man beachte: statt 726 Mark 728 Mark! Schließlich ließ der Vorsitzende am 29. Juli 1894 von jedem Vereinsmitglied ein von ihm verfaßtes Schriftstück unterschreiben, das folgenden Wortlaut hatte: „Nachstehende Vereinsmitglieder verpflichten sich durch ihre eigenhändige Unterschrift, daß sie die Kosten von 708 Mark für die Errichtung des Kriegerdenkmals sowie die entstehenden Kosten bei der Einweihung des Denkmals und die Einfriedung desselben tragen helfen. Weiter verpflichten sie sich, daß dasjenige Mitglied vom Tage der Unterschrift ab bis zum 1. Januar 1899, welches ohne genügende Gründe aus dem Verein austritt (ob der Grund genügend ist und ob ein Austreten zu erachten sei, entscheidet nur der Verein durch eine geheime Abstimmung mit Zettel), hat eine Strafe resp. Buße von 10 Mark binnen 14 Tagen an die Vereinskasse zu bezahlen nach seinem Austritt. Im Weigerungsfalle wird der Betrag, sobald der Verein den Grund für nichtig erklärt, wo Stimmenmehrheit entscheidet, gerichtlich beigetrieben, ein Recurs an dem Amtsgericht steht demselben nicht zu.“ Der Bürgermeister, der zugegen war, beglaubigte die Unterschriften.

An Spenden gingen 285 Mark ein. Unter den Spendern befinden sich auch Markus Livingston und Landgerichtsrat Hermann Düssel, die durch ihre Stiftungen an die Gemeinde Walsdorf in Höhevon 50.000 und 26.000 Mark bekannt geworden sind. Die Einnahmen am Fest betrugen 357,97 Mark. Leider sind die Ausgaben nicht verzeichnet, so daß über den Reinertrag keine Klarheit besteht. Spenden und Überschuß vom Fest reichten jedenfalls zur Finanzierung des Denkmals nicht aus. Das geht aus dem Eintrag vom 27.1.95 klar hervor. „Herr Steinhauer Dötzel erhält am 10.2.d.J. den Restbetrag von 388,80 Mark. Das fehlende Geld wird durch Gönner des Vereins ohne Zinsen gegeben.“

Gegen Ende des Jahres wandte sich der Verein mit einem Gesuch „um Bewilligung eines Beitrages zur Deckung der noch restierenden Schuld des Kriegerdenkmals“ an die Gemeinde und erhielt auf Beschluß des Gemeinderates vom 4.11.1895 100 Mark aus der Gemeindekasse. Am 17.11.1895 heißt es im Protokollbuch: „Der Verein hat noch 60 Mark Schulden. Dieselben sind bei dem Spar- und Darlehnskassenverein dahier gelehnt und müssen bis zum 25.2.1896 zurückbezahlt sein.“ Der Vorsitzende beantragt, daß jedes Mitglied, dessen Name auf dem Denkmal eingraviert wurde, 3 Mark bezahlt, wie es am 14.7.1894 beschlossen worden war. Darüber entspann sich eine Debatte, die mit Abstimmung endete, daß die 3 Mark vorläufig nicht bezahlt werden sollen bis nach dem Konzert…“ Die Veranstaltung am Fastnachtsdienstag 1896 erbrachte, wie oben schon mitgeteilt wurde, jedoch nur 21,67 Mark Reinertrag. „Mithin sind von den Mitgliedern, die auf dem Denkmal sind, noch rund 40 Mark zu zahlen, wird auf das Mitglied 1,40 Mark ausmachen. Der Vereinsrechner erhält eine Liste, erhebt den Betrag und bezahlt ihn bis zum 1. März mit Zinsen an die Spar-und Darlehnskasse aus.“

So konnte das Denkmal mit Hilfe von Spenden, durch den Erlös aus Veranstaltungen, durch die Unterstützung der Gemeinde und ohne große finanzielle Belastung der Mitglieder errichtet werden. Eigenhilfe hatten die Mitglieder allerdings in größerem Umfang zu leisten.

(Ein Bericht über die Enthüllungsfeier folgt)

Helmuth Leichtfuß

Der Galoppschuster

Es war im Herbst, bald nach der Jahrhundertwende. Die Felder waren abgeerntet, und die Jäger rüsteten sich für  die Hubertusjagden. Auch in Walsdorf war eine Treibjagd angesetzt. Da es bei der Jagd und noch im anschließenden „Schüsseltreiben“ lustig hergeht, durfte ein Spaßvogel wie der „Schmiedskarlschuster“ nicht fehlen. Daß er gerne aß und einen guten Schoppen trank, war nicht zu übersehen; er war so rund wie ein Fäßchen. Er kannte Land und Leute, kam überall herum und war, wie man so sagt, nicht auf den Mund gefallen und immer zu Späßen aufgelegt. Solche Leute sind bei der Jagd zu gebrauchen, und so war sein Angebot, die Strecke mit seinem Kuhfuhrwerk zu fahren, bereitwillig angenommen worden.

Die Jagd war abgeblasen, Jäger, Treiber und Fuhrmann hatten sich an der Morcher Mühle versammelt und zum Aufwärmen noch ein paar Gläser getrunken. Als einer der Treiber auf sein Fahrrad steigen und die Heimfahrt antreten wollte, ritt den „Schmiedskarlsschuster“der Teufel. Er bot dem Radfahrer eine Wette an, er wäre mit seinem Kuhgespann schneller im Dorf als er. Die Wette wurde gehalten, und ab ging’s wie die Feuerwehr. Der Fuhrmann schwang die Peitsche, die Kühe streckten die Schwänze und rannten im Galopp dem Dorf zu. Anfangs sah es für den Fuhrmann gar nicht schlecht aus. An der abschüssigen Strecke „am Brückelchen“ passierte es aber; der Radfahrer überholte das Gespann und setzte sich ab. Der „Galoppschuster“ hatte zwar die Wette verloren, dafür aber einen Namen gewonnen, der ihm bis über das Grab hinaus blieb.

Text: Helmuth Leichtfuß

Zeichnung: Herbert Teige