Bürgerbrief 42: Oktober 1988

In eigener Sache

Die 500. Seite der Bürgerbriefe erreichen wir in dieser Nummer. Seit der 1. Ausgabe im April 1978 hatten wir bis zur vorigen Nummer41 einen stillen Gönner, der uns Druck und Papier für jede Ausgabe stiftete. So hatte der Bürgerverein nur geringe Kosten zu tragen und konnte diese Veröffentlichung an die Mitglieder, alle Walsdorfer und eine Reihe Freunde unseres Ortes kostenlos verteilen.

In Zukunft müssen wir auf diese großzügige Unterstützung unserer Vereinsarbeit verzichten. Für die 10jährige Hilfe, Walsdorfs Gegenwart und Vergangenheit ausführlich darstellen zu können, bedanken wir uns auf das herzlichste.

Erfreulicherweise hat sich ein anderes Mitglied gefunden, das in seinem Betrieb ein zweites Mal unserem Bürgerbrief ein neues Aussehen geben kann. Auch ihm möchten wir für bisherige und künftige Hilfe danken. Auch in Zukunft wird der Bürgerverein dafür sorgen, daß die Zeitschrift an alle Interessierten kostenlos abgegeben werden kann.

Anregungen zum Inhalt des Bürgerbriefes werden von der Redaktion dankbar angenommen. Und wer etwas Selbstverfaßtes beisteuern kann, dem wird gerne eine Seite oder mehr zur Verfügung gestellt.

G. B.

Die Geschichte des Hauses Untergasse 4

Der Kampf um den Bauplatz

Neben der Eingangstür des Hauses Untergasse 4, des Elternhauses von Frau Anni Schiebor, ist die Inschrift zu lesen: „Dises Hus hat gepaut Johannes Pfenning 1717.“ Bis er die Baugenehmigung für diesen Platz erhielt, hatte er manchen Ärger mit der Gemeinde und seinem zukünftigen Nachbarn Schultheiß Johann Adam Lehmann zu bestehen. Und es sollte sich bald zeigen, daß damit der Ärger noch lange nicht ausgestanden war.

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts waren die baulichen Verhältnisse am Obertor ziemlich kompliziert. Es gab ein doppeltes Tor, das innere und das äußere. Die Stadtmauer führte vom Ortsrand des Fleckens auf das innere Tor zu. Zwischen den beiden Toren standen auf der Ostseite der sog. Stracken Gasse, der heutigen Untergasse, die beiden Hirtenhäuser und die ebenfalls gemeindeeigenen Hirtenställe, die in den Auseinandersetzungen noch eine Rolle spielen sollen. Das übrige bis zum Haus des Schuftheißen Lehmann (heute die an das Anwesen Thielmann grenzende Hälfte des Hauses Steinemann) war ein freier Platz, der in den Akten als Zimmerplatz und auch Tanzplatz bezeichnet wird.

Um diesen Platz lagen der Schultheiß und Johannes Pfenning mit der Gemeinde und die beiden auch untereinander jahrelang im Streit. Der Schultheiß hatte schon vor 1714 ein Stück dieses Platzes zum Bau einer Scheune durch Versetzen der Mauer nach Süden auf seine Kosten von der Gemeinde erhalten wollen. Die Gemeinde war aber dazu nicht bereit.

Als sich dann im Jahre 1714 der Maurermeister Johannes Pfenning, der „bey 6 Jahr lang in Walsdorf in gelehrten (leerstehenden) Häusern gesessen“, um einen Bauplatz an dieser Stelle bewarb, unterstützte der Schultheiß nicht zuletzt aus wohlverstandenem Eigeninteresse das Baugesuch des Maurers, weil „dann Walsdorf nicht allein ein besseren Prospect (Aussehen) sondern auch ich dann noch etwas Platz für meine Hofraith gewönne.“

Johannes Pfenning, der bei seinem Tod im Jahre 1739 als „ein eifrigst gewesener papistischer Maurer“ bezeichnet wird, dessen Kinder allerdings alle evangelisch getauft und konfirmiert wurden, war offensichtlich 1708 als bereits verheirateter Mann nach Walsdorf gekommen, wo ihm im Dezember 1708 das erste Kind geboren wurde. Ein Anhaltspunkt über seine evtl. Herkunft findet sich in der Eingabe vom März 1715, wo er schreibt, daß er nicht allein mit dem, was mit der Handarbeit verdient und noch erarbeitet wird, sondern auch mit der Erbschaft seiner Frau aus dem Trierischen sein Haus bezahlen wolle.

Werkmeister Boger von Wiesbaden wird nach Walsdorf beordert, damit er die Örtlichkeit in Augenschein nehme und das Baugesuch begutachte. Boger kommt zu dem Schluß, daß der Platz für eine Hofraith zu groß sei und schlägt vor, daß sich der Schultheiß Lehmann und Johannes Pfenning über die Teilung des Platzes verständigen sollten. Die beiden Interessenten versprechen, die alte Mauer abzubrechen und ein neues Stück Mauer (166 Schuh lang, 14 Schuh hoch und 3 Schuh breit) auf ihre Kosten in der Weise zu erstellen, daß die Stadtmauer am Ortsrand des Dorfes bis an den jetzigen freien Platz am Kriegerdenkmal verlängert und dann zum vorderen Tor geführt wird.

Die Bürger der Gemeinde legen aber gegen diesen Vorschlag des Werkmeisters Widerspruch ein und bringen alle Gründe vor, daß die Gemeinde nicht auf den Zimmerplatz verzichten könne. In Walsdorf gäbe es nämlich keinen anderen geeigneten Platz. Überdies würde dieser schon seit undenklichen Zeiten für diesen Zweck genutzt. Weiter führen sie an, daß die Ringmauer samt dem inwendigen Tor ruiniert und abgebrochen würden und daß bisher noch kein Haus auf die Stadtmauer gesetzt worden wäre, wie Pfenning es plane. Nach dessen Vorstellungen sollte das Erdgeschoß seines Hauses aus Stein errichtet werden und quasi als Mauer dienen. Außerdem hätte man schon vor 40 Jahren 100 Gulden für den Platz bekommen können, wenn ihn die Gemeinde hätte entbehren können. Im übrigen gäbe es im Flecken nach dem Brand noch genug Plätze, weil dort „wohl noch der dritte Theil zu verbauen ist … Also gelanget demnach an Eure Hochfürstliche Durchlaucht unser unterthänigstes Bitten, dieselben geruhen gnädigst dero landesväterliche Gnad uns angedeyen zu lassen, daß wir bey unserer alten Gerechtigkeit mögten geschützt werden, daß unser Thor, ringmauer und Zimmerplatz in statu quo (wie bisher) ohnruiniert gelassen werden.“

Darauf ordnet die Behörde einen Baustopp an, gegen den nun der Maurermeister Pfenning Widerspruch einlegt und zusammen mit dem Schultheiß Lehmann in der folgenden Anhörung der beiden Parteien versucht, die Argumente der Gemeinde zu entkräften.
Bei dieser Anhörung bringen die Vertreter der Gemeinde neben den schon bekannten Gründen vor, man hätte nicht nur untersagt, auf diesem Platz eine Linde zu pflanzen, weil das sein Funktion beeinträchtigt hätte, sondern dort gäbe es auch eine Schneidkaut, wo man das grobe Holz schneiden könnte. Schließlich habe die alte Mauer eine Brustwehr gehabt, von der aus man hätte mit den Soldaten sprechen können, wenn sie vor das Tor gekommen wären, was von der neuen Mauer aus nicht mehr möglich sei.

Der Schuftheiß und Johannes Pfenning brachten im wesentlichen 4 Gegenargumente vor. Sie erklärten, daß der Platz vor dem Brand von 1692 gelegentlich als Zimmerplatz benutzt worden sei, nach dem Brand aber nicht mehr. Im übrigen gäbe es beim Rathaus genug Platz zum Zimmern. Auch hätte man bei der gegenwärtigen Verordnung (nach der das Tanzen offensichtlich erheblich eingeschränkt war) keinen Tanzplatz mehr nötig. Schließlich betonen sie, im Flecken sei niemand bereit, einen Sauplatz zu verkaufen, obwohl noch genügend vorhanden wären. Zum Schluß führten sie noch an, daß das Aussehen des Fleckens durch die neue Mauerführung wesentlich gewönne.

Als Ergebnis der Anhörung erhält Johannes Pfenning durch ein Dekret vom 3. April 1715 einen Bauplatz zwischen den beiden Obertoren zugewiesen.

Streit zwischen Schultheiß Lehmann und Johannes Pfenning

Nach dieser Entscheidung der Behörde werden aus den gemeinsamen Streitern erbitterte Gegner, die sich allerdings auch dann wieder zusammenfinden, wenn sie gemeinsam gegen die Gemeinde vorgehen.
Aus einem Prototkoll vom 4. Februar 1713 erfahren wir, daß der Schultheiß dem Johannes Pfenning bisher nicht gestattet hat, mit dem Bau zu beginnen, weil weder er noch die Gemeinde etwas von der Zuweisung des Platzes wüßten. Wenn der Platz verkauft würde, wolle er ihn behalten und Scheuer und Stallungen darauf bauen. Nachdem aber Pfenning nichts dagegen einzuwenden hat, daß der Schultheiß den an sein Grundstück grenzenden Teil des Platzes erhält, einigen sich beide am 12.2.1716, den Platz gemeinsam zu bebauen, wenn es ihnen erlaubt würde. Beide erhalten die Genehmigung am folgenden Tag unter der Bedingung, daß sie die Stadtmauer auf ihre Kosten wie vorgesehen bauen. Da sich die beiden aber über die Grenzziehung nicht einigen konnten, erwies es sich als nötig, den Werkmeister Boger zu beauftragen, den Platz so zu teilen, „wie sichs am besten schickt“.

Jetzt endlich konnte Pfenning anfangen, sein Haus zu bauen, das er, wie die Inschrift aufweist, bis 1717 vollendete.

Das hartnäckige Eintreten des Schultheißen für seine eigenen Interessen gegen die Gemeinde blieb nicht ohne Folgen für ihn. Er hatte sich „gar vil Feinde“ geschaffen. Man hat ihm die Fenster eingeschlagen, Bäume geschält und auch abgebrochen. Das ganze hat ihn so genervt, daß er im März um seine Entlassung einkommt, die ihm aber nicht gewährt wird. (1721 wird er „wegen seines starken Brandweinsaufens degradiert“.)

1721 flammt der Streit zwischen der Gemeinde und den beiden Anliegern Pfenning und Lehmann wieder auf. Die beiden wollen sich nicht mit den beiden zugeteilten Plätzen begnügen, sondern verlangen, daß die gemeindeeigenen Hirtenställe auf die andere Seite der Straße gestellt werden, was auf den Widerstand der Gemeinde stößt. Die Gemeinde macht geltend, dadurch gingen Bauplätze für wenigstens 6 bis 7 Hofraithen verloren, welche man „unumbgänglich bei anwachsen der Gemeindsleute anderst nöthig“ hätte.

Die Ställe wurden offensichtlich nicht versetzt, was besonders nachteilig für Johannes Pfenning war, der, wie es scheint, keine eigene Einfahrt zu seinem Grundstück hatte, sondern über Lehmanns Eigentum fahren mußte. Aus dem Jahre 1726 berichten die Quellen von heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Nachbarn. Adam Lehmann und sein Schwiegersohn Daniel Schwarz hatten dem Johannes Pfenning durch einen Misthaufen und Holz die Einfahrt versperrt.

Schultheiß Weygand wurde aufgefordert, dem Pfenning zu seinem Recht zu verhelfen, notfalls die Einfahrt räumen zu lassen. Nach seinem Bericht vom 12. Februar 1726 haben Adam Lehmann, seine Frau und seine 3 Töchter ihm gegenüber, als er den Befehl zur Räumung der Einfahrt überreichte, „lesterliche meuller“ gebraucht, ihn bedroht und ihm vorgeworfen, er wolle mithelfen, daß ihnen der Platz gestohlen würde.

Adam Lehmann und seinem Schwiegersohn werden Gefängnisstrafen von der Obrigkeit angedrocht, wenn sie sich den Anordnungen nicht fügen und davon Abstand nehmen, dem Pfenning die Einfahrt zu versperren. Aufgrund der „eingelegten Vorbitte“ durch seinen Sohn und einen anderen Schwiegersohn wird die dem Adam Lehmann zugedachte Strafe jedoch ausgesetzt, wenn „dieser sich gehorsamb aufführet und der ergangenen Verordnung, kraft dessen er die Straße und Einfahrt sauber und rein halten soll, die schuldige Folge leistet.“ Mit deutlichen Worten wird er zurecht gewiesen. Er habe die obrigkeitliche Ahndung umso mehr verdient, heißt es, „als ihm nicht gebühret, mit Drohungen und Verfluchungen sich der herrschaftlichen Verordnung zu widersetzen, sondern wenn er berechtigt zu seyn vermeynet, solches gehörig anzuzeigen und im wege rechtens Hülfe zu erwarten.“ Ob damit die Spannungen beigelegt waren und die Schikanen aufhörten, läßt sich nicht mehr ermitteln.

Die Hauseigentümer bis heute

Das Haus Untergasse 4 blieb rund hundert Jahre im Besitz der Familie Pfenning. Nach dem Tode des Johannes Pfenning übernahm sein ältester Sohn Johann Josef (1708-1783) das Haus, das er wieder an seinen Sohn Johann Philipp (1749-1818) vererbte. Beide waren wie der Großvater Maurer. Dann übernahm der älteste Sohn Johann Philipps, der Schneidermeister Johann Christian (1777-1816) das Haus. Er hatte 1805 Maria Susanne Seyberth geheiratet, die nach seinem Tode am 23.11.1817 in zweiter Ehe Johann Philipp Schwarz heiratete. Da aus der ersten Ehe der Maria Suanne Seyberth keine männlichen Erben da waren, ging das Haus an ihren Sohn aus der zweiten Ehe, an Ludwig Wilhem Schwarz (1827-1861) und dann an dessen Sohn Hermann August (1857-1926), von dem der ortsübliche Name „Schwarzehermanns“ herrührt. Ihm folgt seine Tochter Elise, die das Haus mit in die Ehe mit Karl Hofmann brachte. Von diesem ging es an die jetzige Besitzerin, Anni Schiebor, geborene Hofmann, über.

Quellen:
HStAW 133 Walsdorf 59; Kirchenbücher der ev. Kirchengemeinde Walsdorf

Helmuth Leichtfuß

Eine Steinbrücke über den Emsbach unterhalb des Ortes
(Schlußteil)

Der Bau der Brücke

Am 4. Juni 1839 besichtigten der Amtmann und der Ortsvorstand noch einmal das Gelände. Dabei wurde „beschlossen und fest bestimmt“, wie es in dem Protokoll über die Ortsbesichtigung hieß, daß die Brücke nach dem Plan von Bauaccesisten Rock gebaut und daß der Weg von der Chaussee über die Brücke bis zur Einmündung in den alten Fußpfad 16 Fuß breit werden soll, damit er auch zum Fahren benutzt werden könne. Für diesen abgeänderten Plan erteilte die Landesregierung am 12. Juni 1839 „in Abweichung von dem früher schon genehmigten Plan“ die Genehmigung.

Im September wurde mit dem Bau begonnen. Der Maurermeister Pauli von Würges sollte sie ausführen. Bald tauchten nach dem Bericht des Oberschuftheißen jedoch Schwierigkeiten auf, weil Wasser in die Brückenfundamentlöcher drückte. Um die aufgetretenen Hindernisse zu beseitigen, ordnete der Aufsicht führende Bauaccesist Maurer von Idstein an, und diese Anordnung wirft ein bezeichnendes Bild auf die Schwierigkeiten und Anforderungen, denen sich die Menschen häufig bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben in der vorindustriellen Zeit gegenüber sahen, daß in der Nacht vom 14. zum 15. September „um 2 Uhr früh 10 Mann anfangen Wasser zu schöpfen. Bis 5 Uhr ist die Baustelle wasserfrei. Der Maurermeister Pauli ist beordert mit wenigstens 12 Mann gleich zu mauern anzufangen und bringt … die Fundamentmauern der einen Seite über den Wasserstand, und so sind an diesem Tag bei Beschleunigung der Arbeit alle Hindernisse zu beseitigen.“

Der Streit um die Breite des Weges

Als nach der Fertigstellung der Brücke der neue Weg abgesteckt werden sollte, gab es wieder Schwierigkeiten. Oberschultheiß Ochs berichtet am 26. Oktober 1839 an das Amt in Idstein: „Nachdem ich die Frage an die Anwesenden (2 von den 4 Orstvorstehern und das Feldgericht) gestellt hatte, wie breit wir den Weg abstecken wollten, erklärten die Feldgerichtsschöffen Lehmann und der Vorsteher Peter Ochs, wozu die übrigen ihre Zustimmung durch Stillschweigen gaben (!), daß der Weg nicht breiter werden solle, obgleich er in der Zeichnung breiter genommen sei.“

Was wie ein Schildbürgerstreich anmutet, daß man nur einen zum Gehen und Reiten geeigneten Weg von 9 Schuh Breite bauen wollte, obwohl die Brücke auf 16 Schuh ausgelegt war, verliert viel von seiner Kuriosität, wenn man den Fortgang der Dinge betrachtet.

Auf die Weigerung des Ortsvorstandes schickte das Amt den Oberförster Krückeberg nach Walsdorf, der den Weg nach dem Plan und der Absprache vom 4. Juni abstecken sollte. Aber auch ihm gegenüber „protestierte der Ortsvorstand und gab keine größere Breite als 9 Schuh nach“, worauf der Oberförster den Weg in dieser Breite absteckte. In seinem Bericht an das Amt vom 8. November 1839 erklärte und rechtfertigte er sein Vorgehen. Er führte an, daß auch die Breite eines Weges von 16 Schuh für einen Fahrweg nicht ausgereicht hätte, weil der Boden zu bruchig, d.h. naß und sumpfig sei, folglich soviel Platz für Gräben zur Trockenlegung und Böschungen erforderlich sei, daß kaum für eine Fuhre Platz bleibe, geschweige denn fürs Ausweichen. Außerdem könne der Weg zum Flecken wegen seiner Steilheit ohnehin nicht viel befahren werden. Das alles wird erst jetzt von amtlicher Seite richtig erkannt und gewürdigt. Oberförster Krückeberg sieht aber noch eine Möglichkeit, wie man aus der verfahrenen Situation einigermaßen vernünftig herauskommen kann. Wenn die Untergasse, die ab 1840 neu gepflastert werden soll, was schon beschlossen sei, von der Mitte des Dorfes bis ans Untertor um 1 1/2 bis 2 Schuh tiefer gelegt würde, könnte der Stich vor dem Tor ziemlich gebrochen werden, und so könnte der Ortsvorstand vielleicht davon überzeugt werden, daß der Weg ins Feld nach Würges zu als Fahrweg benutzt werden könnte und schließlich so seine Zustimmung noch erreicht werden.

Man sieht also, daß sich der Ortsvorstand nicht nur aus fortschrittsfeindlicher Knauserei in die Zukunft weisenden Plänen entgegenstellte, sondern daß er mit seinem hartnäckigen Widerstreben auch offenbar werden ließ, daß die behördlichen Planungen und Entscheidungen erhebliche Schwachstellen hatten und daß bei aller formalen Bekundung des Gehorsams gegenüber den Behörden Widerspruch nicht nur möglich, sondern letztlich auch erfolgreich war.

Quelle:
HStAW 2291155

Helmuth Leichtfuß

Juden in Walsdorf (Teil 2)

Korrektur zu Mayer aus Camberg

Interessant wird Geschichtsforschung dadurch, daß man immer wieder neue Funde macht und man dadurch mosaikartig ein Bild der Vergangenheit zusammensetzt. Diese Mosaiksteinchen sind bei den Juden recht klein und weit verstreut. Leicht hat man einige nicht gefunden, wenn der Termin eines Redaktionsschlusses naht. So geschah es bei der Darstellung des Mayer im letzten Bürgerbrief. Über ihn fand sich noch einiges, wofür ich Herrn Hans Schmitt in Köln danken möchte.

Mayer wurde 1656 wahrscheinlich in Camberg geboren. 1665 wohnte er hier. Sein Vater hieß Hirtz und seine Mutter Gelge. Er hatte mindestens einen drei Jahre jüngeren Bruder (Mardgen) und eine sechs Jahre jüngere Schwester (Güdtle). Als er herangewachsen war, kam er mit dem Vater und anderen Camberger Juden öfters auch nach Walsdorf und in die anderen benachbarten idsteinischen Orte. Sie gehörten zu einer Reihe Juden, die seit dem Friedensschluß von 1648 wegen ihres Handels diese Gegend besuchten, wo noch keine Juden wohnten. (1)

(Dieser Text ersetzt den vorletzten Absatz auf Seite 9 des Bürgerbriefes 41, d.h. den Text vordem Satz: „Damit hatte er den höchsten Rechtsstatus erreicht.“ Der auf der Seite 10 erwähnte Aberle war nicht Mayers Bruder.)

Salomon Mayer

Vier Jahrzehnte lebte Salomon Mayer, der gewöhnlich Jud Salomon genannt wurde, in Walsdorf. Aber trotz dem wissen wir nur recht wenig von ihm. Seine Steuerzahlungen und einige alltägliche Gerichtsverfahren sind die einzigen Quellen für eine Biographie. (2)

Seit 1687 hatte in Walsdorf kein Jude gewohnt, als er am 11.3.1733 den fürstlichen Schutzbrief erhielt, der ihm den Aufenthalt in Walsdorf sowie die Gründung einer Familie und eines Geschäftes erlaubte. Woher er kam, bleibt unklar. Sein Name gibt an, daß sein Vater den hebräischen Eigennamen Mayer trug; denn anders als bei den Christen gab es bei den Juden nur einen einzigen Eigennamen, an den manchmal der Eigenname des Vaters angehängt wurde. Die Namen Salomon und Mayer waren in unserer Gegend sehr häufig.

Da Salomon nicht aus dem Oberamt Idstein stammte, mußte er 10 Gulden „Einzugsgeld“ bezahlen. Doch zwei Jahre später hatte er sie noch nicht bezahlt, da er nur „von mittelmäßigem Vermögen“ war. Daher wurden ihm 2 1/2 Gulden erlassen. Er gehörte damit zu den vielen Juden, die als „Schutzjuden“ aufgenommen wurden, obwohl sie über keine Reichtümer verfügten.

Dazu brachte es Salomon auch in den folgenden Jahren nicht, in denen er den wenigen den Juden erlaubten Geschäften nachging. Der Viehandel scheint ihn nur in die benachbarten Dörfer geführt zu haben. Handel mit Kramwaren darf angenommen werden. Schlachten und der Verkauf des Fleisches von Kühen, Rindern, Kälbern und Hämmeln wurden von ihm bis ins fortgeschrittene Alter betrieben. 1743-1754 war er sogar der einzige Metzger in Walsdorf. Aber in einem Ort, in dem fast jeder Haushalt Vieh besaß, waren hiermit keine großen Geschäfte zu machen. Gefragt war Salomon, wenn eine Kuh für eine Familie zu viel war, und er den Rest für den Weiterverkauf übernahm.

Das fehlende Glück im Geschäft zeigte sich darin, daß er immer wieder Schwierigkeiten bei der Bezahlung seiner Steuern hatte. An die Gemeinde Walsdorf mußte er das „Beisassengeld“ von jährlich 3 Gulden entrichten. Als er schließlich seit 1747 in neun Jahren diese Abgabe nur dreimal bezahlt hatte, kam es 1756 zu einer Abmachung, nach der er von dieser Schuld über 18 Gulden nur 10 in zwei Raten zu zahlen hatte. Das Jahr 1756 hatte er dazu noch frei. Als er 1768 auch wieder nichts zahlen konnte, wurde das Beisassengeld für immer auf die Hälfte herabgesetzt.

Ähnlich verlief es beim „Schutzgeld“, das an die Staatskasse abgeführt wurde. 1752 wurde es von den üblichen 30 Gulden auf 20 ermäßigt und 1754 bis zu seinem Tode 1773 auf 10 Gulden.

Bei vielen Juden lassen sich zunehmende Zahlungsschwierigkeiten mit fortschreitendem Alter feststellen. Sie hatten immer nur so viel verdient, daß es für das tägliche Leben, nicht aber für Rücklagen reichte. Wenn die Kräfte im Alter nachließen, setzte eine starke Verarmung ein. Nur in Ausnahmefällen drohte die Regierung die Vertreibung aus dem Lande bei Zahlungsschwierigkeiten an, wie es der Text der Schutzbriefe vorsah. Durchgeführt wurde das zu dieser Zeit nicht mehr.

Als Salomon Anfang 1773 starb, war er um die 70 Jahre oder älter. Verheiratet war er seit 1734 mit der Tochter des Juden Hirtz aus Esch. Sie hatte es ihm ermöglicht, nach Walsdorf in das Oberamt Idstein zu ziehen. Begraben wurde er auf dem jüdischen Friedhof bei Esch an der Straße nach Heftrich, den 90 Jahre vorher ein älterer Hirtz für seine Familie angelegt und den Salomon zusammen mit anderen Juden in und um Idstein zu einem Friedhof für alle Juden umgestaltet hatte.

Die deutsche Schrift hatte Salomon nie gelernt. Er beherrschte aber die hebräische, in derer, wie es damals üblich war, auch deutsche Texte schrieb. Auch auf offiziellen Dokumenten war diese Art zu schreiben erlaubt. So bestätigte er die genannte Abmachung von 1756 im Walsdorfer Gerichtsbuch mit

„Salmen Walzdroif wiehe oben steht“.

 Daß sein Name nicht genau festgelegt war, zeigt eine andere, gleichzeitige Unterschrift (auch hiervon rechts nach links zu lesen und in Originalgröße):

„Salm Jut von Walzdroif“.

Nathan Salomon

Da bereits 1768 ein Nathan in Walsdorf wohnte, der wegen eines Kuhhandels angeklagt wurde, ist anzunehmen, daß der nächste Schutzjude, der den Namen Nathan Salomon trug, ein Sohn des gerade beschriebenen Salomon war. Er bekam am 11.5.1774 den Schutzbrief, heiratete im gleichen Jahr und starb bereits am 29.2.1776.

Seiner Witwe wurde das Schutzgeld auf 15 Gulden halbiert. Vom folgenden Jahr 1777 an wurde das Schutzgeld anders berechnet. Es richtete sich nach der Größe des Besitzes. Das brachte Nathans Witwe eine Ermäßigung auf 4 Gulden. Im Durchschnitt zahlten die Juden um 9 1/2 Gulden Schutzgeld pro Jahr. Nathans Witwe gehörte also zu den recht Armen.

Da sie noch jung war, kann vermutet werden, daß sie Mordgen Mayer, Walsdorfs nächsten Schutzjuden heiratete. Sie konnte ihm einen Platz als Schutzjuden bieten, während ihr zweiter Mann ihren Lebensunterhalt sichern konnte. (2)

Quellen:
(1) HStAW 171 V, 5151.
(2) HStAW 133 R 317ff, 404ff;133 IX,18;133 XIVb 5, 15; GA Walsdorf Bürgermeister-Rechnungen, Gerichtsbuch.
(3) HStAW 133 R 359ff, 444ff; 133 Vllle 5; GA Walsdorf Bürgermeister-Rechnungen

Gerhard Buck

Termine

12.11.1988 – 20.15 Uhr – Dortgemeinschaftshaus
Jahreshauptversammlung  Da in diesem Jahr der Vorstand neu gewählt wird, erhoffen wir ein möglichst zahlreiches Erscheinen.

28.11.1988 – 20.15 Uhr – Dorfgemeinschaftshaus
Monatliches Vereinstreffen wie üblich am letzten Montag eines Monats.

Verantwortlich:
G. Buck