Bürgerbrief 43: Dezember 1988

Juden in Walsdorf (Teil 3)
Die Familie des Mordge

Nach Mayer, dem ersten Juden in Walsdorf nach dem 30jährigen Krieg, bleiben uns Herkunft und weiteres Schicksal der jüdischen Familien in Walsdorf unklar. Mit Mordge Mayer kommt 1778 ein Jude in unseren Ort, dessen Verwandtschaft und Nachkommen uns genauer bekannt sind, dessen Familie in drei Generationen in Walsdorf wohnte und von dem eine Ururenkelin 1981 hier noch zu Besuch war.
Während andernorts in diesem Jahr des Beginns der Vertreibung und Vernichtung der Juden vor 50 Jahren gedacht wird, können die Walsdorfer einer sehr großzügigen Stiftung gedenken, die ein gleichnamiger Enkel dieses Mordge vor 100 Jahren ihrer Gemeinde machte.

Mordge Mayer

1748 wurde Mordge in Kettenbach als Sohn von Mayer Abraham und Judith geboren. Sein 30. Lebensjahr hatte er bereits erreicht, als sich ihm die Gelegenheit bot, eine Familie zu gründen. Bei seinen Geschäftsreisen hatte er die junge Witwe des 1776 verstorbenen Nathan Salomon in Walsdorf kennengelernt, die er 1778 heiratete. Da sie schon Schutzjüdin war, wurde es Mordge gegen die übliche Gebühr von 10 Gulden gestattet, aus dem nassauischen Kirchspiel Kettenbach in das nassauische Oberamt Idstein zu ziehen. Selbst innerhalb des gleichen Fürstentums war ein Umzug ohne Genehmigung nicht möglich.

Da er sein halbes Leben lang schon geschäftlich tätig gewesen war, hatte er genügend Geld angesammelt, um sich im gleichen Jahr sofort ein Haus von Joh. Conrad Hirthes zu kaufen. Es war die vordere Hälfte des heutigen Anwesens Am Obertor 21 (Bind). Damit konnte er an einer markanten Stelle des Fleckens weiter seinen Geschäften nachgehen.

Im Bannbuch wird das Grundstück so beschrieben: „41/2 Ruten (=117qm). Ein Haus und etwas Hofraum, über welch letzteren jedoch der Besitzer von voriger Hofreite die Aus- und Einfahrt hat.“ Als erster Jude kaufte er in Walsdorf ein Haus und war bei der engen Bebauung und den komplizierten Grundstücksgrenzen sofort in engem Kontakt mit der Nachbarschaft.

Für seine Geschäfte als Viehhändler, Metzger und Krämer war dieses ein sehr kleines Anwesen, da eigene Stall- und Scheunengebäude nicht dazu gehörten. Der Umfang seines Viehhandels läßt sich nicht beurteilen. In der Übersicht der Zivilprozesse im Oberamt Idstein, wo es sehr häufig um Viehhandel geht, taucht er in gut 20 Jahren bis etwa 1800 nur sechsmal als Kläger und dreimal als Beklagter auf.
„Geringer Umfang odergute Abwicklung der Geschäfte?“ muß man sich hier fragen.
Bei einem Viehhändler lag es nahe, sich auch als Metzger zu betätigen. Dieses scheint zeit seines Lebens eine weitere Einnahmequelle für ihn gewesen zu sein. Da er genügend im Lande herumkam, lag es auch nahe, Kurz- und Langwaren (Tuche) anzubieten.

Obwohl er vielfältig geschäftlich tätig war, kam er doch nicht zu Reichtum. Er war zwar 1806, als die Amtsverwaltung eine genaue Besitzübersicht anfertigte, außerhalb Idsteins der reichste Jude; aber das lag nur an der großen Armut der anderen. Haus und Güter wurden mit 170 Gulden (=f.) veranschlagt: die Miete für eine mittelmäßige Wohnung in Idstein betrug für ein Jahr 80 f. Sein Besitz an Vieh wurde mit 20, Waren und Mobilien mit 50f. eingeschätzt: 1 Paar Schuhe kostete 2 2/3 f. Rechnet man Soll und Haben gegeneinander auf, dann ergibt sich ein Besitz von 440 f. Die fünf Juden in Breithardt, Esch und Niedernhausen besaßen zusammen 520f., während die zehn in Idstein es zusammen auf 14.270 f. brachten.

Verheiratet war Mordge in erster Ehe von 1778 bis um 1800 mit Fradche Abraham. Mit ihr hatte er die Söhne Mayer (geb. 1786) und Gumbel (geb. 1793) sowie eine Tochter. Seit 1805 war er mit Röschen Nathan aus Schupbach verheiratet. Aus dieser Ehe stammte eine Tochter.

Am 13.8.1819 starb er in Walsdorf als Mordge Löwenstein. 1805 hieß er in einer jüdischen Liste Marcus. In diesen Namensänderungen kündigt sich eine neue Zeit an. Seit 1817 mußten die Juden im Amt Idstein einen sogenannten bürgerlichen Namen ihrem Eigennamen hinzufügen. Offiziell gab man ihnen zehn Tage Zeit dafür – tatsächlich erfolgte die letzte Namensumstellung 1841 (kein Druckfehler!). Die ungewöhnlicheren Eigennamen wurden oft den in Deutschland üblichen Namen angepaßt, so daß aus Mordge (abgeleitet von Mardochai) Mark oder Markus wurde. Mayer, ein hebräisches Wort, war der Eigenname seines Vaters gewesen.

Was ist an diesem Lebenslauf des Mordge Mayer bzw. Löwenstein außer dieser Namensänderung jüdisch und damit anders als bei den lutherischen Nachbarn? Über das Verhältnis der Walsdorfer zu Mordge erfahren wir nichts. Gleichzeitige Beobachtungen in Idstein zeigen, daß eine einheitliche Aussage nicht möglich ist. Aber immer wieder mußte Mordge erfahren, daß er von Staats wegen benachteiligt wurde.

Löste er zu Anfang des Jahres den Erlaubnisschein für das Hausieren mit langen Waren, dann kostete ihn das 8 f., einen Christen aber nur 6. Verließ er das Amt Idstein, so hatte er für jeden Tag den Judenleibzoll zu bezahlen. Bekam er Besuch von den Verwandten in Kettenbach, so mußte dieser täglich 2 Albus Leibzoll bezahlen (30 Albus = 1 f.).

Bürger konnte er in Walsdorf nicht werden, was ihn von den Rechten, aber auch von den Verpflichtungen ausschloß. Land durfte er nicht erwerben. Daher war ihm die Landwirtschaft verschlossen, und er mußte über die genannten Geschäftszweige seinen Unterhalt verdienen. Steuerlich wurde er ähnlich wie die Christen belastet. Eine genaue Darstellung ist aber hier nicht möglich, da die einzelnen Gruppen dieser auf Ungleichheit basierenden Ständegesellschaft verschiedene Steuern und Dienstleistungen entrichteten. Er konnte aber nicht sicher sein, daß die Regierung das von allen Juden gemeinsam zu entrichtende Schutzgeld einfach erhöhte, wie es ab 1807 der Fall war. Er konnte aber sicher sein, daß manche Bestimmungen der noch gültigen Judenordnung von 1732 nicht mehr praktiziert wurden, z.B. der Landesverweis bei Zahlungsunfähigkeit.

Quellen:
HStAW 131 XIVc 31; 133 Vllle 5, IX 18, XIVb 6, R 472-479.
Verschiedene Akten des GA Walsdorf.
Aufzeichnungen von Alice Liefmann geb. Livingston (Urenkelin von Mordge Mayer/Löwenstein)

Gumbel Löwenstein

Er lebte in einer Zeit vielfältiger Veränderungen. Als Gumbel Mordge wurde er am 17.6.1793 als 2. Sohn geboren. Er gehörte mit zu den ersten Juden, die eine beginnende Gleichstellung mit den Christen erlebten. 1815 diente er beim Landsturm, nachdem früher den Juden der Militärdienst versperrt gewesen war.

Doch bald darauf mußte er bemerken, daß die Juden immer noch eine Sonderstellung zudiktiert bekamen. In 2 1/2 Jahren schrieb er acht Gesuche um „Aufnahme in den landesherrlichen Schutz und Gestattung der Heirat mit Fradge Löwenstein von Camberg“. Ablehnungen erfuhr er am 9.3., 22.6.1821, 18.1., 13.3., 1.11.1822, 28.2., 11.4.1823. Es ist schon bewunderungswürdig, wie hartnäckig er das Amt und die Regierung immer wieder bedrängte, bis er schließlich am 29.8.1823 erfolgreich war.

Bis 1868 mußte jeder, der heiraten wollte, um die Aufnahme als Bürger nachsuchen, worauf er dann auch die Heiratserlaubnis erhielt. Militärdienst (oder Befreiung), gesunde wirtschaftliche Verhältnisse und guter Leumund waren nachzuweisen. Bei den Juden blieb es jedoch bei der mittelalterlichen Formulierung „Aufnahme in den Schutz“ statt der Aufnahme als Bürger.

Die ersten Gesuche seit Januar 1821 wurden abgelehnt, weil der ältere Bruder Mayer schon aufgenommen war. Seit 1814 wohnte dieser mit Ehefrau Klara Manche in Walsdorf. Die neue Bestimmung von 1806 bedeutete für die Juden eine Verschlechterung ihrer Lage gegenüber dem 18. Jahrhundert, als oft ganze Familien Schutzjuden werden konnten.

Im Juni 1821 erklärte G. Löwenstein sich bereit, dem „Schacher zu entsagen, und will das Gewerbe eines Metzgers oder Krämers treiben.“ Mit Schacher bezeichnete das Amt wie damals üblich in verächtlicher Weise den Klein- und Hausierhandel der Juden. Er war also bereit, den Erwerbszweig aufzugeben, in den in früheren Jahrhunderten die Regierungen seine Vorfahren abgeschoben hatten.

Die Aufgabe lag im Zuge allgemeiner Bestrebungen, die Juden in den Staat einzugliedern. Doch weder diese Bereitschaft noch die Walsdorfer Verhältnisse verhalfen ihm weiter. Das Amt schrieb in seinem Gutachten, daß er für das Gewerbe „die nötige Summe besitze, nämlich 1.900 f., die freilich in Walsdorf nicht hinreicht, nur ein geringer Bauer zu werden. Beide Gewerbe fehlen in Walsdorf nach dem eingezogenen … Bericht des Herrn Schultheißen Ochs und werden daselbst oft vermißt.“

Auch als G. Löwenstein im nächsten Jahr Grundeigentum gekauft hatte, erfuhr er Ablehnung, da es „zur Ernährung einer Familie nicht hinreicht.“ Die letzte Möglichkeit für einen Juden, in diesen vorindustriellen Staat aufgenommen zu werden, bot der Kauf von Äckern und der Wechsel in den Beruf des Bauern. Über produktive Tätigkeit versprach sich der nassauische Staat eine „Verbesserung der Juden“, so daß sie zu   „brauchbaren Untertanen“ wurden.

Am 28.2.1823 wurde dieses Gesuch abgelehnt, „da er die zum eigenen Betreiben des Feldbaus erforderliche Kunstfertigkeiten vorerst nicht besitzt.“ Woher sollte er sie auch haben, wenn dieser Beruf den Juden immer verwehrt worden war?

Gumbel Löwenstein ließ sich von diesem Urteil nicht erschüttern, besorgte sich Zugtiere und nahm eigenes und gepachtetes Land unter den Pflug. Zur Erntezeit 1823 stellte er den achten Antrag. Sein Können beeindruckte den Ortsvorstand von Walsdorf so sehr, daß sein Bericht am 29.8.1823 zur Aushändigung des Schutzbriefes und zur Heiratserlaubnis führte.

Am 7.1.1824 konnte er endlich Fradge Löwenstein aus Camberg heiraten. In dem bereits 1819 geerbten elterlichen Haus wurden ihnen bis 1840 zehn Kinder geboren, von denen vier schon nach wenigen Wochen oder Monaten starben. Bei der letzten Geburt am 2.4.1840 starb die Mutter, die Tochter lebte nur bis zum 18.7.

Gumbel Löwenstein (geborener Mordge) starb am 29.9.1843. Er hinterließ drei Töchter (Sara, Jachel, Judith) und drei Söhne (Mordge, Löw, Feist), die zwischen 4 und 19 Jahren alt waren. Mordges Biographie folgt hier. Das Schicksal der anderen ist im Augenblick noch unklar.

Das Haus Am Obertor 21 kaufte 1847 Gumbels ältester Bruder Mayer (1786-1851/ 52), der dort mit seiner 2. Frau Sara und den Kinder Mordge und Gutheid einzog. Als Pfarrer Deißmann 1855 nach Walsdorf kam, lernte er die Witwe Sara Löwenstein noch kennen. Sie starb 1858/59. In seiner 1863 erschienenen Klostergeschichte findet sich auf Seite 37 die (bisher) einzige Schilderung über das Verhältnis von Juden und Christen in Walsdorf. In einer Fußnote zu den Wirtschaftsgebäuden des ehemaligen Klosters schreibt er: „Namentlich ist das heutige Haus des Juden (dieses Wort steht nur im Manuskript, nicht aber im gedruckten Buch) Meier hervorzuheben, unter dessen „Lauberhütte“ (mit Ranken bewachsener Vorbau) dem beliebten Versammlungsort und Rendezvous der Walsdorfer, heute noch der breite Eingang zu dem großen Keller des Klosters deutlich zu sehen ist.“

Quellen:
HStAW 229/155, 484. Gemeindearchiv Walsdorf und A. Liefmann (s. Mordge).

Gerhard Buck

Mordge oder Markus Löwenstein genannt Marks Livingston

Mordge oder Markus Löwenstein – der Vorname wechselte in den ersten Jahren häufig – hinterließ in Walsdorf die deutlichsten Spuren von allen Juden, die je hier lebten. Er war am 29. November 1824 als ältester Sohne des Handelsmannes Gumbel Löwenstein in Walsdorf geboren. Schon als Sechzehnjähriger betätigte er sich im Viehhandel. Am 22. Januar 1841 kaufte er nach Ausweis des Viehhandelsprotokollbuchs selbständig eine tragende Kuh und unterschrieb in Gegenwart des Oberschultheißen Ochs den Kaufvertrag. Insgesamt acht Geschäfte tätigte er als Sechzehnjähriger. Zweimal bestätigte sein Vater den Kauf durch seine Unterschrift, und einmal wird verzeichnet, er habe mit Zustimmung seines Vaters eine tragende Kuh gekauft.

Nach dem Tode seines Vaters am 29. September 1843 – die Mutter war bei der Geburt ihres 10. Kindes bereits 1840 gestorben – führte er das Handelsgeschäft weiter. Er muß trotz seiner Jugend ein anerkannter Vieh händlergewesen sein, denn er macht in den Jahren 1844/451/3 aller in Walsdorf protokollierten Viehgeschäfte. Auch Oberschultheiß Ochs war mehrfach sein Geschäftspartner. Markus Löwen­stein handelte mit Rindern, Kühen, Fahrochsen und gelegentlich auch mit Pferden.

Die letzten Einträge im Viehhandelsprotokollbuch über die Geschäfte des Markus Löwenstein stammen vom 27.,28. und 29. Oktober 1845. Er hatte einen Farren (Stier), 2 tragende Rinder und 2 tragende Kühe gegen „baare Zahlung“ gekauft. Es wird schon so gewesen sein, wie Anni Jacob in einem Aufsatz mit dem Titel „Drei Walsdorfer Wohltäter“ (Idsteiner Heimatschau Nr. 11, 1926) berichtete, daß er dieses Vieh auf dem Hochheimer Markt verkaufte, einen Teil des Geldes im Homburg verspielte und mit dem Rest nach Amerika auswanderte. Die Daten sprechen dafür und auch die Mitteilung von Anni Jacob und dem Lehrer Wissenbach in der Schulchronik im Jahre 1867, Markus Löwenstein habe bei seinem Aufenthalt in Walsdorf seine Schulden getilgt.

Ein Walsdorfbesuch 1867

Markus Löwenstein ist in Amerika offensichtlich schnell zu ansehnlichem Reichtum gekommen. Im Frühsommer 1867 war er das erstemal wieder in Walsdorf. Einträge in der Pfarr- und Schulchronik und eine Überlieferung durch den Männergesangverein geben davon Zeugnis. In der Pfarrchronik heißt es auf S. 53 f.: „Kurz nach Pfingsten war ein ehemals hier wohnender Jude, Markus Löwenstein, aus San Francisco, auf einige Zeit Deutschland besuchend, auch hieher nach Walsdorf gekommen, und der Ort freute sich, seinen früheren Bewohner wieder zu sehen und dieser ebenfalls. Für seinen Willkommen, den ihm die Walsdorfer erwiesen, wollte er sich erkenntlich zeigen und spendete nicht nur an Bedürftige reiche Gaben, sondern man kam auf den unglücklichen Gedanken, an demselben Sonntag Abend sämtliche 5 Wirtshäuser hier für den ganzen Ort aufzuthun, daß Jedermann auf Herrn Löwensteins Kosten essen und trinken konnte! Da gab es dann eine schandbare Nacht voll Fressens und Saufens und wenige mögen sich daran unbeteiligt gelassen haben. Und diesen Sündenabend und Südennacht 14 Tage nach dem heiligen Pfingstfest …“

Lehrer Wissenbach berichtet auf S. 89 der Schulchronik, daß Markus Löwenstein durch seine, des Lehrers, Vermittlung der Schule „am 16.7.1867 eine längst gewünschte Uhr, … eine schön gearbeitete Wanduhr,“ schenkte.

Schließlich stiftete Markus Löwenstein dem Männergesangverein „Germania“ eine neue seidene Fahne, die am 18.8.1867 auf einem Fahnenfest eingeweiht wurde.

Auch in späteren Jahren erwies er sich als großzügig. So berichtet der Pfarrer in der Pfarrchronik S. 76 und 82f., daß Markus Löwenstein im Jahre 1887 für die Reparatur der Kirche 400 Mark und seine Tochter Rosa 1896 für die Anschaffung eines Harmoniums für den Kirchenchor 200 Mark spendete.

Die Livingston-Stifung 1888

Am 7. Januar 1888 stiftete Markus Löwenstein, der seinen Namen in Amerika anglisiert hatte und sich seitdem Marks Livingston nannte, seiner Heimatgemeinde 50.000 Reichsmark und traf, wie der Schenkungsurkunde zu entnehmen ist, genaue Bestimmungen über die Verwendung der Zinsen. „Die Zinsen … sind seitens des Bürgermeisters und der Vorsteher… der Gemeinde Walsdorf, wenn und soweit ein Bedürfnis vorhanden ist, für bedürftige und kranke Angehörige der Gemeinde Walsdorf, ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts oder der Confession zu verwenden, sofern dieselben mindestens ein Jahr sich in der Gemeinde aufgehalten haben …“

Zum Dank und zur dauernden Erinnerung an diese Schenkung ließ die Gemeinde im August 1888 von dem Steinhauermeisier Falk eine Gedenktafel für 40 Reichsmark und 7 Pfennige für jeden Buchstaben anfertigen, die jetzt im Sprechzimmer der Stadtverwaltung im Feuerwehrgerätehaus hängt und folgenden Inhalt hat: „Zum bleibenden und ehrenden Gedächtnis dem Herrn M. Livingston zu Frankfurt am Main, welcher seiner Heimatgemeinde Walsdorf am 8. Januar 1888 in Gegenwart des Bürgermeisters Ochs und des Gemeinderats zur Unterstützung von armen, kranken und bedürftigen Personen jeder Confession eine Schenkung von 50.000 M überwiesen hat, gewidmet und errichtet von der dankbaren Gemeinde Walsdorf. Sprüche 19,17 Wer sich der Armen erbarmt, der leihet dem Herrn, der wird ihm wieder Gutes vergelten.“

Armenunterstützung aus dem Livingston-Fond

Die Schenkung warf jährlich 1750 M Zinsen ab. Im Bürgerbrief Nr. 6, September 1979, wurden die Ausgaben für das Rechnungsjahr 1895 schon einmal detailliert zusammengestellt. Die dort gemachten Angaben sind weitgehend repräsentativ für die Jahre 1889 bis zur Inflation 1923. Die Zinsen wurden durchweg fast vollständig ausgegeben und hauptsächlich für ständige Geldunterstützung, Armenbrot, Ankauf von Brennholz, Bezahlung der Wohnungsmiete, Anschaffung von Kleidung und Schuhen, besonders für bedürftige Konfirmanden, Bezahlung von Arztkosten und Arzneimitteln und schließlich zur Begleichung der Beerdigungskosten für Ortsarme verwandt. Vor der Schenkung betrugen die öffentlichen Ausgaben für die Armenunterstützung etwa 800 Mark, nachher bis zur Inflation durchweg um 2000 Mark jährlich. Es läßt sich leicht erkennen, daß die Livingston-Stiftung merklich zur Linderung der Not der Ortsarmen beitrug, konnte man doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit 20 Mark fast einen Anzug und ein Paar neue Schuhe bezahlen.

Ehrenmitglied des Kriegervereins

Markus Löwenstein machte auch dem Kriegerverein Geldgeschenke. Z.B. ließ er ihm 1895 100 Mark zukommen. Da er sich, wie es im Protokollbuch des Vereins vom 18.4.1896 heißt, „um den Verein verdient gemacht hat,“ wurde er zum Ehrenmitglied ernannt. Nachdem M. Livingston seine Zusage gegeben hatte, wurde ihm am 7.6.1896 das Diplom für die Ehrenmitgliedschaft durch den Vorsitzenden des Vereins übersandt.

Helmuth Leichtfuß

Ww. Josepha Jette Strauß

Als die letzte jüdische Familie nach Walsdorf kam, wohnten dort schon seit einiger Zeit keine Juden mehr. 1885 oder früher zog Josepha Jette Strauß geb. Rosenthal von Idstein mit ihren Kindern hierher. Sie war die Witwe von Jacob Strauß, dessen Familie in 5. Generation seit 1731 in Idstein zu Hause war.
1873 war ihr Mann gestorben und hatte vier zwischen 1864 und 1870 geborene Kinder hinterlassen. Dazu kam 1876 noch ein außereheliches Kind von einem christlichen Vater. Die Beziehungen zwischen den Konfessionen begannen sich zu entspannen. Die Akzeptierung der Juden als Mitbürger schien endlich möglich zu sein. Doch einige Jahrzehnte später zeigte sich, daß das ein Trugschluß war.

Quellen:
Verschiedene Listen im Stadtarchiv Idstein.

Schlußbemerkung:
Diese Artikelserie kann nur einen ersten Überblick bieten. Zum 19. Jahrhundert und speziell zur Familie Mordge läßt sich noch einiges Material finden. Doch eine vollständige Darstellung hätte den Rahmen gesprengt, den dieser Bürgerbrief bietet.

Gerhard Buck

Veranstaltungen im Winterhalbjahr

25.02.89 im Dorfgemeinschaftshaus Dia-Abend
Thema: „Bilder aus den Kalkalpen“ auf der Großleinwand

01.03.89 im Dorfgemeinschaftshaus
Allparteien-Abend anläßlich der Kommunalwahl in Hessen mit einer Einführung von Helmuth Leichtuß zu Rechten und Pflichten des Ortsbeirates

15.04.89 im Evangelischen Gemeindehaus Schäufele-Essen
(Spezialität aus dem Badischen, zubereitet von Frau Friedrich)

Die obigen Veranstaltungen stehen allen interessierten Bürgern offen. Der Vorstand hofft, daß diese Veranstaltungen von möglichst vielen Bürgern besucht werden.

Neue Foto-Sammelaktion

Trotz des beachtlichen Umfangs gibt es noch manche Lücken in unserer Foto-Sammlung. Wir haben uns vorgenommen, speziell zu folgenden Themen in nächster Zeit Fotos zu suchen:

1. Landwirtschaft seit 1945
2. „Amtspersonen“, d.h. Mitbürger, die irgendein Amt in der Gemeinde innehatten.

Wir hoffen, daß die bisherige bereitwillige Mitarbeit der Walsdorfer fortgesetzt wird. Fotos zum Kopieren nehmen entgegen: Amanda Grabosch (Idsteiner Str. 27) und Dieter Thielmann (Untergasse 12).

Wechsel im Vorsitz des Bürgervereins Walsdorf e.V.

Am 12.11.1988 fand die diesjährige Jahreshauptversammlung des Bürgervereins Walsdorf e.V. im Dorfgemeinschaftshaus statt. Daran nahmen 27 der 153 Mitglieder teil. Die Wahl des Vorstandes war ein wesentlicher Teil der Tagesordnung.

Der langjährige erste Vorsitzende des Bürgervereins, Herr Gerhard Buck, kandidierte nicht wieder. Er begründete dies damit, daß nach 11 Jahren ein Wechsel im Vorsitz dem Verein neue Impulse geben kann und er selbst Raum für andere Aktivitäten seines Interessengebietes (geschichtliche Forschungsarbeit) braucht.

Er wird jedoch auch in Zukunft dem Verein als Mitarbeiter zur Verfügung stehen und weiterhin verantwortlich für die Herausgabe des Bürgerbriefes sein.

Der neue Vereinsvorstand setzt sich nun folgendermaßen zusammen:

1. VorsitzenderDieter ThielmannTel.-Nr. 6109
2. VorsitzenderErich RothTel.-Nr. 8562
SchriftführerinMonika KiesauTel.-Nr. 6723
KassiererFelix HartmannTel.-Nr. 8915
Sprecher der Arbeitskreise:
Aktueller ArbeitskreisJohannes FleischerTel.-Nr. 4436
Foto-ArbeitskreisAmanda GraboschTel.-Nr. 8508
Historischer ArbeitskreisHelmuth LeichtfußTel.-Nr. 8563

Der neugewählte erste Vorsitzende wünscht sich eine aktive Mitarbeit mehrerer Vereinsmitglieder in den einzelnen Arbeitskreisen. Denn je mehr Mitglieder aktiv an der Vereinsarbeit beteiligt sind, umso mehr kann der Verein den Walsdorfer Bürgern bieten.

Der gesamte Vorstand bittet interessierte Mitglieder, sich mit den Sprechern der Arbeitskreise oder den Vorsitzenden in Verbindung zu setzen.

Dieter Thielmann

Verantwortlich:
G. Buck