Häuser – 200 Jahre im Familienbesitz
Vor genau 200 Jahren wurden auf „hochfürstlichen gnädigen Befehl“ die Walsdorfer Gemarkung vermessen und die sog. Bannbücher angelegt, wie das zu dieser Zeit in der gesamten Herrschaft Idstein geschah. Im 1. Tractus (Abschnitt, Gemarkungsteil) sind die Besitzverhältnisse im Dorf dargestellt. Mit Hilfe der zu den Büchern gehörenden Karte und den Eintragungen im Bannbuch lassen sich die Besitzer und die Lage der einzelnen Gehöfte fü r das Jahr 1788 genau ermitteln. Glücklicherweise wurde in den Bannbüchern bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts bei Erbteilung oder Verkauf die Übergabe fortgeschrieben, so daß der Anschluß an die nächsten, im Archiv vorhandenen und für diese Fragestellung wichtigen Dokumente wie das Specialkataster von 1806, das Gebäudesteuerkataster von 1822, die kartenmäßige Erfassung der Brandschäden von 1831, das Brandkataster von 18412 und das Gewerbesteuerkataster von 1849 gegeben ist.
Leider ist die Anordung der Kataster nicht immer gleich. 1788 und 1806 erfolgte die Darstellung nach Straßen und Grundstücksnummern, die sich aber unterscheiden Im Gebäudesteuerkataster von 1822 werden die Bürger alphabetisch mit Straße, aber ohne Nummer aufgeführt. Die Karte von 1831 enthält die Namen der durch den Brand geschädigten Besitzer und die Lage ihrer Gebäude, aber keine Hausnummern. Im Brandkataster von 1842 werden neben den Namen nur Hausnummern, aber keine Straßen angegeben. Diese stimmen aber mit denen von 1788 und 1806 nicht überein. Das Gewerbesteuerkataster von 1849 schließlich ist wieder alphabetisch angeordnet und enthält keine weiteren Angaben über die Lage der Gebäude.
Trotzdem läßt sich durch die Kombination dieser Dokumente miteinander und mit den aus den Kirchenbüchern zu ermittelnden Verwandtschaftsbeziehungen für eine Reihe von Häusern der Nachweis erbringen, daß sie sich in diesem Jahr mindestens 200 Jahre im Familienbesitz befinden, jeweils entweder in der männlichen oder weiblichen Linie weitervererbt.
In diesem Artikel sollen die Häuser der Untergasse betrachtet werden, die von mindestens 1788 bis heute im Besitz ein und derselben Familie waren. Es handelt sich um folgende Anwesen:
HAUS UNTERGASSE 5, bis vor kurzem Gasthaus Zur Traube.
In den ersten 3 Generationen waren Johann Philipp Leichtfuß (1747-1799), der Bauer, Wirt und Krämer Philipp Conrad Leichtfuß (1780-1851) und der Bauer, Wirt und Krämer Philipp Wilhelm Leichtfuß (1816-1875) die Besitzer. Philipp Wilhelm Leichtfuß hatte keine überlebenden männlichen Erben. So übernahm seine Tochter Philippine Karoline (1850-1904) das Haus. Diese heiratete 1875 den Schmied, Gastwirt und Bauern Karl Stubig von Nauheim bei Limburg (1851-1925), der dem Haus bis heute seinen Namen gab. Die nächsten Besitzerwaren Karl Stubigs älteste Tochter Wilhelmine und ihr Ehemann Wilhelm Schmidt von Esch, deren Sohn Karl Schmidt und heute Karl Schmidts älteste Tochter Anneliese und ihr Ehemann Bruno Schuber von Würges.
Für das zweistöckige Haus, Scheuer und Stall war 1806 ein Versicherungskapital von 810 fl. festgesetzt. Das Haus gehörte 1822 zur Steuerklasse II und 1849 wird für den Bauern mit einem Ochsen, Wirt, Brandweinbrenner und Kleinkrämer ein Steuerkapital von 675 f l. angegeben.
HAUS UNTERGASSE 21, jetzige Besitzerin Frieda Bücher
Die Mutter der jetzigen Besitzerin wurde von den Walsdorfern „Hewigs Lina“ genannt. 4 ihrer Vorfahren, Bauern und 1 Küfer, gehörten zur Sippe Hedwig und haben die Hofreite vom Vater auf den Sohn bzw. zuletzt auf die einzige Tochter vererbt. Es waren Johann Konrad Hedwig (1744-1796), der Küfer Philipp Caspar Hedwig (1783-1829), der Bauer Philipp Karl Hedwig (1823-1904) und der Bauer Friedrich Ludwig August Hedwig (1857-1892). Friedrich Ludwig August Hedwig starb schon mit 35 Jahren und hinterließ eine Tochter, die 1906 den Bauern Gustav Volkmar von Wüstems heiratete. Von ihnen übernahm die jetzige Besitzerin Frieda Bücher, geborene Volkmar, das Anwesen, das 1806 mit 1070 fl. taxiert und 1822 in die Steuerklasse I eingestuft war. Im Gewerbesteuerkataster von 1849 waren für den Bauern mit 1 Ochsen 75 f l. Steuerkapital festgesetzt.
HAUS KNAPPE GASSE 1, jetzige Besitzerin Mina Althen
Die drei ersten Besitzer waren die Maurer Johann Philipp Pfenning (1749-1818), Johann Georg Pfenning (1780-1843) und Johann Georg Pfenning jun. (1811-1868). Von da an sind es jeweils Töchter, an die das Erbe übergeht. Zuerst an Johanette Philippine Pfenning (1845-1911), die mit dem Leineweber Karl Friedrich Deusinger verheiratet war, dann an deren Tochter Lina, die in erster Ehe mit Franz Josef Beck von Eltvilie und in 2. Ehe mit Wilhelm Eyrich aus Datterode bei Eschwege verheiratet war, und schließlich an Mina Althen, geb. Beck.
Für das zweistöckige Haus, 1/2 Scheuer und Stall waren 1806 670 fl. angesetzt. 1822 gehörte es zur Steuerklasse III. Für den Bauern mit 2 Kühen und Maurer ohne Gehülfen betrug 1849 das Steuerkapital 275 fl.
HAUS UNTERGASSE 46, jetziger Besitzer Helmut Heilhecker
Auch dieses Haus wurde nach der 3. Generation von einer Tochter übernommen. Die Bauern Philipp Caspar Roth (1765-1836), Johann Philipp Roth (1804-1879) und Philipp Jacob Peter Roth (1833-1901) waren die ersten Besitzer. Phil. Jacob Peters älteste Tochter Henriette (1863-1938) brachte das Anwesen mit in die Ehe mit Wilhelm Heilhecker von Esch. Ihnen folgten als Besitzer Sohn Ernst und Enkel Helmut Heilhecker. 1806 warf ür das zweistöckige Haus, die Scheuer und 2 Ställe ein Steuerkapital von 1400 fl. festgesetzt. Bei der Festsetzung der Gebäudesteuer wurde das Haus 1822 in die Steuerklasse I eingestuft. Für den Bauern mit einem Ochsen wurden 1849 75 f l. Gewerbesteuerkapital angesetzt.
HAUS UNTERGASSE 48, jetzige Besitzerin Else Dasbach
Das Schicksal der ersten feststellbaren Bewohner dieses Hauses läßt den Leser selbst nach fast 200 Jahren nicht kalt. Georg Konrad Seyberth (1745-1796) war am 23.1.1796 mit 50 Jahren, seine Frau 4 Tage später mit 49 Jahren gestorben, und am Tag darauf heiratete der älteste Sohn Philipp Bernhard (geb. 1768), der bereits 1813 starb. Aus dieser Ehe stammten 10 Kinder, von denen 1813 noch 4 lebten. Die Witwe Maria Dorothea, geb. Lehmann, heiratete 8 Monate später wieder. Das Haus ging aber an ihre Tochter Maria Christina (1803-1880) aus erster Ehe, die den Bauern Georg Philipp Roth (1799-1869) heiratete. Aus dieser Ehe stammte nur eine Tochter, Katharina Karoline Johanette (1829-1883), die wieder einen Roth heiratete, nämlich den Bauern und Kirchenvorsteher Philipp Heinrich Roth (1829-1885). Von ihnen übernahm der älteste Sohn, der Bauer und Bürgermeister Ludwig Karl Adolf Roth (1857-1918) das Anwesen, das er seinerseits an seinen Sohn Emil vererbte. Dessen Tochter Else Dasbach ist die jetzige Besitzerin.
Das Anwesen war wie folgt eingestuft:1806 mit 990 fl., 1822 zur Steuerklasse Il und 1849 für einen Bauern mit 1 Ochsen 75 fl.
HAUS UNTERGASSE 50, jetziger Besitzer Werner Leichtfuß
Auch in dieses Haus haben dreimal Männer eingeheiratet. 1788 ist als Besitzer der WoIIwebermeister Johann Christian Thiel (1739-1810) eingetragen. Von ihm übernahm die einzige Tochter Maria Katharina (1771-1839) das Haus. Sie heiratete den Schneidermeister Johann Philipp Hirtes (1767-1811). Für 3 Generationen blieb das Haus im Besitz der Familie Hirtes. Auf Johann Philipp folgte sein Sohn, der Bauer Johann Philipp jun. (1794-1854), dann dessen Sohn, der Drechsler Georg Philipp (1818-1884). Die Vornamen Georg Philipp wurden im Alltag entweder zu Jerflip oder zu Jerp abgekürzt. Für die alten Walsdorfer ist der Name „Jerps“ bis heute mit dem Haus und seinen Bewohnern verbunden.
Georg Philipp Hirtes hatte 3 Kinder, von denen aber nur ein Mädchen, Henriette Christine (1846-1925), überlebte. Diese heiratete den Dreher Karl Heinrich Becker von Steinfischbach (1738-1916). Dessen jüngste Tochter Elise übernahm das Haus. Sie war verheiratet mit dem Tüncher und Bauern Adolf Leichtfuß (1885-1916). Auf sie folgten Sohn Otto und Enkel Werner als Besitzer des zweistöckigen Hauses.
1806 waren für das Haus, Scheuer und Stall 870 fl. festgesetzt. 1822 war es in die Steuerklasse III eingestuft, und 1849 wurden für einen Bauern ohne Fuhre 50 fl. angesetzt.
Für alle genannten Häuser ist charakteristisch, daß bis zum Zweiten Weltkrieg jeweils mehrere Generationen in einem Haus lebten und daß die Übergabe des Besitzes, soweit es verzeichnet ist, bis auf einen Fall, wo der frühere Besitzer bei der Heirat seines Sohnes schon 17 Jahre tot war, erst einige Jahre nach der Heirat des Nachfolgers erfolgte.
Der Bericht wird fortgesetzt.
Helmuth Leichtfuß
Der abenteuerliche Lebenslauf des ehemaligen Walsdorfer Lehrers
Karl Friedrich Rath
Lehrer Karl Friedrich Rath hatte in Walsdorf ein halbes Jahr lang die Vertretung für den ersten Lehrer August Wald, der sich nach dem Tode seiner Frau vom August 1863 an vorübergehend vom Dienst hatte beurlauben lassen. Rath war am 2.1.1829 in Münchhausen, Amt Herborn, als Lehrersohn geboren und war zwischen 1848 und 1857 an 5 Stellen als Lehrer tätig. Zum 1. März 1857 wurde er auf eigenen Antrag aus dem Schuldienst entlassen, weil er mit seiner letzten Stelle nicht zufrieden war. Sie bedeutete „eine Beförderung bloß auf dem Papier, in Wirklichkeit aber hatte ich weniger als vorher“. Er übernahm für fünfviertel Jahre Verwalterstellen auf Gutshöfen bei Hadamar und Eltville am Rhein. Dort, in Eltville, faßte er den Entschluß, Deutschland zu verlassen und sein Glück anderswo zu versuchen.
In der Schulchronik berichtet er ausführlich über seine Erlebnisse in den folgenden Jahren. „Einige Zeit wartete ich auf eine günstige Gelegenheit, und da solche nicht bald kommen wollte, beschloß ich sofort mit meinen geringen Mitteln mich nach einem überseeischen Lande einzuschiffen. Ich richtete mein Augenmerk auf Nordamerika und Australien, da beide Länder einem Mann wie mir, der sich hauptsächlich nur auf seinen gesunden Körper verlassen konnte, die meisten Hilfsquellen zu bieten schienen. Zuletzt gab ich Australien den Vorzug, die ausgebreiteten Goldfelder dieses Welttheils entschieden zu seinem Vortheil.
Mit dem Segelschiff nach Australien
Am 16. Juni 1858 reiste ich von Haus, am 22. von Frankfurt ab und erreichte noch denselben Tag Bremen. Hier fand ich ein Schiff, bestimmt nach dem Vorgebirge der Guten Hoffnung, und da dasselbe später nach Sydney in Australien segeln sollte, um daselbst eine Ladung Wolle einzunehmen, so benutzte ich sofort diese Gelegenheit … Schon nach acht Tagen verließ unser Schiff Bremerhafen und steuerte dem Süden zu. Bald waren die Gestade des theuren Vaterlandes in der Ferne verschwunden, doch nur den Augen, dem Herzen wird es umso theurer, je weiter man sich davon entfernt. Mitten im September erreichten wir das Vorgebirge der Guten Hoffnung und liefen nach einem dreitägigen harten Sturm in die unsichere Tafelbai ein … Am 24. November warf unser Schiff Anker in dem herrlichen, wunderschönen Port Jackson dicht vor der Stadt Sydnay.
Als Goldgräber in Australien
In Australien verlebte ich mehr denn 4 Jahre; alle Erlebnisse dieser Zeit niederzuschreiben, würde Bögen füllen … Ich bemerke hier noch, daß ich bei Weitem meine meiste Zeit an den Goldfeldern dieses Landes verlebte und deshalb auch ein wechselvolles, unstätes Leben führte, wie dies bei Menschen, die sich dieser Beschäftigung hingeben, gewöhnlich ist. Auch versuchte ich als Lehrer eine Existenz zu gründen, was jedoch mißlang.
Zu keiner Zeit jedoch verlor ich die Sehnsucht nach dem Vaterlande, war auch nie Willens gewesen, dasselbe für immer zu verlassen; mehrere fehlgeschlagene Unternehmungen trugen dazu bei, mir das neue Heimathland zu verleiden, und ich beschloß zuletzt, den Aufforderungen meiner Verwandten Folge zu leisten und wieder zurück zu den Meinigen zu eilen.“
Die Rückkehr nach Deutschland
Im Februar 1863 trat Karl Friedrich Rath von Sydney aus die Heimreise um das Kap Horn herum an, so daß er auf seiner Reise rund um die Welt gekommen war. Über London und Rotterdam erreichte er Deutschland wieder und kam „am 16. Juni nach Haus; gerade also der Tag, an welchem ich 5 Jahre vorher die elterliche Schwelle überschritt, um nach Australien zu gehen“.
Er bewarb sich, nachdem er es „bald müde war, unbeschäftigt herumzuschlendern“, erneut als Lehrer und hatte das Glück, schon vom 1. August an für ein halbes Jahr mit der Vertretung des Lehrers Wald beauftragt zu werden. Anschließend erhielt er in Fischbach im Amt Nastätten eine Anstellung.
Helmuth Leichtfuß
Wo man singt …
Als ich vor kurzem eine Radiosendung mit Liedern aus dem Raum Wetzlar-Gießen hörte, von denen ich viele kannte, mußte ich an die oft geäußerten Klagen denken, besonders bei der Jugend wären die schönen alten Volkslieder kaum noch bekannt und würden auch nicht mehr gesungen. Daß es so ist, hat viele Gründe. Vor allem der Einfluß und der Gebrauch der Medien haben einen drastischen Geschmacks- und Verhaltenswandel herbeigeführt. Veränderungen im gesellschaftlichen Bereich haben aber auch eine wesentliche Rolle gespielt. Darauf will ich etwas genauer eingehen.
Bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg war es selbstverständlich, daß die wichtigsten Familienfeiern wie Hochzeiten, Kindtaufen, Konfirmationen oder Kommunionen zu Hause und nicht außerhalb in Gaststätten gefeiert wurden, und vor der einsetzenden Motorisierung haben sich die Jugendlichen während der Wintermonate in den sog. Spinnstuben getroffen. Radio, Recorder oder Plattenspieler standen als Unterhaltungsgeräte nicht zur Verfügung. Die Menschen mußten sich selbst unterhalten. Neben Gesprächen spielte vor allem bei Familienfeiern das Singen eine wichtige Rolle.
Da in der ersten Hälfte des Jahrhunderts und vor allem auch vor der Jahrhundertwende in den Volksschulen noch wesentlich mehr Wert auf das Auswendiglernen gelegt wurde, konnten alle Leute, wie man ohne Übertreibung sagen kann, eine große Anzahl von Gedichten und geistlichen und weltlichen Liedern oft mit vielen Strophen auswendig. Bei den genannten Gelegenheiten wurden überall im Dorf im wesentlichen dieselben Lieder gesungen. Dadurch wurden das Gedächtnis immer wieder aufgefrischt und die Texte an die Nachwachsenden vermittelt.
Zum ständigen Repertoire der Generationen aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts gehörten Lieder wie
Im schönsten Wiesengrunde | Ich weiß nicht, was soll es bedeuten | |
Sah ein Knab‘ ein Röslein stehn | In einem kühlen Grunde | |
Am Brunnen vordem Tore | Kein Feuer, keine Kohle | |
Drei Lilien, drei Lilien | Muß i denn, muß i denn | |
Horch, was kommt von draußen rein | Wenn alle Brünnlein fließen | |
Im Wald und auf der Heide | Im grünen Wald |
Gern und häufig wurden auch gesungen:
Morgen muß ich fort von hier | Es, es , es und es | |
Nun ade du mein lieb Heimatland | Hab mein Wage voll gelade | |
Ich bin ein Musikant | Lustig ist das Zigeunerleben | |
Das Wandern ist des Müllers Lust | Das Lieben bringt groß Freud | |
Kein schöner Land | Laß doch der Jugend ihren Lauf | |
In der Lüneburger Heide | Wahre Freundschaft soll nicht wanken | |
Die Gedanken sind frei | Was frag ich viel nach Geld und Gut | |
Ein Vogel wollte Hochzeit machen | Gold und Silber lieb ich seh | |
Es blies ein Jäger wohl in sein Horn | Guten Abend, gute Nacht | |
Der Jäger in dem grünen Wald | Ade nun zur guten Nacht |
Wie man sieht, war es eine beachtliche Zahl von Liedern, die der Durchschnittsbürger ohne Liederbuch in der Gesellschaft, wenn auch nicht immer mit allen Strophen, mitsingen konnte.
Heimuth Leichtfuß
Die Kommunalwahlen vom 12.3.1989
Seit der Gebietsreform 1972 saßen im Walsdorfer Ortsbeirat 4 Mitglieder der Bürgerlichen Wählergruppe und 3 der SPD zusammen. Der neue Ortsbeirat wird aus je 3 Vertretern der BWG und der SPD und einem der Grünen bestehen. Nicht nur die Wahlergebnisse in Hessen und im Kreis, sondern auch die in Walsdorf geben zum Nachdenken Anlaß.
Erstmals versuchte ein Kandidat der Grünen einen Sitz im Ortsbeirat zu erlangen und gewann als Neubürger auf Anhieb 120 Stimmen. Mit 13,8% lag er damit erheblich über dem Durchschnitt seiner Partei in Stadt, Kreis und Land. 67 Zweitstimmen (=7,8%) bei der Bundestagswahl 1987 war das bisher beste Ergebnis der Gründen gewesen.
Die BWG gewann bei den vorhergehenden vier Wahlen dreimal die absolute Mehrheit mit über 50%. Sie hat jetzt mit 46,5% ihr schlechtestes Ergebnis bei allen Ortsbeiratswahlen. Sie verlor einen Sitz.
Die SPD mußte die 39,7% ihr zweitschlechtestes Ergebnis verbuchen, behielt aber bei etwas geringeren Verlusten ihre 3 Sitze.
Von der Zunahme der Zahl der Wähler konnten BWG und SPD nicht profitieren. Bei beiden ging die Zahl der für sie abgegebenen Stimmen zurück.
Die Ergebnisse für Stadt und Kreis sind auch erstaunlich. Die CDU-Wähler verhielten sich sehr unterschiedlich. Dagegen war der Anteil der SPD-Stimmen fast immer gleich, bei beiden Wahlen auf allen Ebenen. Bei den Grünen fällt die stark zunehmende Stimmenzahl vom Kreis über die Stadt bis zum Ortsbeirat auf. Die Erfolge von Republikanern und NPD sind bemerkenswert.
Es zeigt sich, daß viele Walsdorfer differenziert gewählt haben und – wie man beim Blick über die Schultern der Auszähler am Sonntagabend sah – nicht immer drei gleiche Kreuze gemacht haben.
(Zahlen zu den vorhergehenden Kommunalwahlen finden sich in den Bürgerbriefen Nr. 13 und 28.)
Gerhard Buck
KREISTAG (ohne Briefwähler) | STADVERORDNETEN- VERSAMMLUNG (ohne Briefwähler) | ||||
1985 | 1989 | 1985 | 1989 | ||
Wahlber. | 1037 | 1111 | Wahlber. | 1035 | 1111 |
Wähler | 775 (74,6) | 843 (75,9) | Wähler | 773 (74,7) | 841 (75,7) |
CDU | 349 (45,0) | 287 (34,0) | CDU | 369 (47,7) | 373 (44,4) |
SPD | 314 (40,4) | 334 (39,7) | SPD | 309 (40,0) | 322 (38,2) |
Grüne | 37 (4,8) | 62 (7,3) | Grüne | 41 (5,3) | 80 (9,5) |
FDP | 36 (4,6) | 38 (4,5) | FDP | 41 (5,3) | 33 (3,9) |
Rep. | ______ | 55 (6,5) | |||
NPD | ______ | 27 (3,2) | |||
FWG | 28 (3,6) | 20 (2,4) | |||
Ungültig | 11 (1,4) | 20 (2,4) | Ungültig | 13 (1,7) | 33 (3,9) |
ORTSBEIRAT (mlt Briefwählern) | |||||
1985 | 1989 | ||||
Wahlber. | 1033 | 1111 | |||
Wähler | ……… | 912 (82,1) | |||
BWG | 409 | 404 (44,3) | |||
SPD | 349 | 345 (37,8) | |||
Grüne | ——- | 120 (13,1) | |||
Üngültig | ……… | 43 (4,7) |
In Klammem die Prozentangaben
………. Angaben liegen nicht vor
72 Briefwähler 1989
Woher kommen die kleinen Kinder?
Würfelzucker und Judenbörnchen
In der Zeit vor der sexuellen Aufklärung war es üblich, die neugierigen Fragen der Kleinen nach der Herkunft der Kinder mit Bildergeschichten zu beantworten. Wenn Nachwuchs erwartet wurde, bereitete man in Walsdorf kleine Kinder in der Weise vor, daß sie sich mit einem Stück Würfelzucker auf der Fensterbank beim Klapperstorch ein Schwesterchen oder ein Brüderchen bestellen sollten. War der Zucker am nächsten Morgen verschwunden, konnte die Vorfreude beginnen.
Auch auf die Frage, woher der Storch die kleinen Kinder nehme, hatte man eine Antwort: „Sie schwimmen im Jüdenbörnchen“, hieß es, und man wußte auch genau, wo das Judenbörnchen war, nämlich im Keller des ehemaligen Judenhauses neben der Schule. (Heute Klaus Bind)
Mit diesen Antworten konnte man freilich auch damals die Wißbegierde kleiner Kinder nur bis zu einem bestimmten Alter befriedigen.
Helmuth Leichtfuß
Das Süße Brünnchen
Ein Spaziergang um den See im Park gehörte in meiner Heimatstadt Burgsteinfurt zu jedem Sonntagnachmittag. Das Wasser stammte aus einer Quelle, die im 18. Jahrhundert in einer unterirdischen Grotte gefaßt worden war, deren Bruchsteingewölbe aber inzwischen teilweise eingebrochen war. An diesen romantischen Ort zog es alle Kinder, die sich ein Geschwisterchen wünschten. Wenn man nämlich ein Stück Zucker in das „Süße Brünnchen“ warf, sollte der Wunsch in Erfüllung gehen.
War eine Familie groß genug geworden, dann bestand die Kunst der Eltern darin, diesen Ort mit irgendwelchen Vorwänden zu meiden, z.B. durch den Hinweis auf Einsturzgefahr.
Gerhard Buck
Das Koppensteiner Gretchen
In Gemünden im Hunsrück kommen die kleinen Kinder aus dem Burgbrunnen der nahegelegenen Burgruine Koppenstein. Das „Koppensteiner Gretchen“ bringt die kleinen Babys nach Hause aus dem Brunnen, doch wenn neue Geschwister zum Brunnen kommen und nachschauen wollen, wo die Kinder herkommen, ist der Brunnen wieder zugewachsen.
Ulrich Graeff
Quarkbrot mit Zucker
Im After von vier/fünf Jahren wünschte ich mir sehnlichst Geschwister. Meine Großmutter, die selbst 15 Kinder geboren hatte und daher nach meiner kindlichen Meinung auf diesem Gebiet sehr kompetent sein mußte, empfahl mir, am Abend ein Quarkbrot mit Zucker bestreut auf den Fenstersims zu legen. „Solche Quarkbrote liebt der Klapperstorch und als Dankeschön bringt er kleine Kinder“, erzählte sie mir. Ich legte des öfteren solche Brote hinaus. Der Klapperstorch hatte sie wohl nicht gefunden, denn sie lagen am nächsten Morgen immer unberührt an derselben Stelle, und ich bekam kein Geschwisterchen!
Kurz nach dem Krieg brauchte man für fast alle Anschaffungen Bezugscheine. Ich wünschte mir noch immer Geschwister und bedrängte mit diesem Wunsch meine Eltern. Mein Vater bedauerte, daß er mir diesen Wunsch nicht erfüllen könnte mit der Erklärung, daß derzeit für unsere Familie kein „Bezugschein für Babys“ bewilligt würde.
So blieb ich zu meinem Bedauern ein Einzelkind, das mit neun Jahren seine Eltern zur wahren Auskunft über die Herkunft von Babies zwang.
Monika Kiesau
Rückblick und Vorankündigung
Der Dia-Abend zum Thema Kalkalpen auf unserer Großleinwand ist sehr gut angekommen. Wir werden einen solchen Vortrag im Herbst 1989 bzw. Frühjahr 1990 mit Dias unserer alten Bilder aus der Fotosammlung fortsetzen.
Weiterhin wurde auch der Allparteien-Abend am 1. März gut besucht, was aber zum großen Teil auf die Begleiter der Kandidaten aus Idstein zurückzuführen war. Ich hätte mich gefreut, wenn mehr Walsdorfer Interesse gezeigt hätten.
An diesem Abend wurde viel über die Landwirtschaft in der heutigen Zeit diskutiert. Wir werden das große Interesse an diesem Thema zum Anlaß nehmen, in den Herbst- bzw. Wintermonaten einen Diskussionsabend dazu anzubieten.
Sollten Sie selbst noch weitere Ideen haben, lassen Sie es mich wissen.
Dieter Thielmann
Aktivitäten des Bürgervereins
15. April 1989 „Schäufele-Essen“ im Pfarrhaus um 19.30 Uhr
Anmeldung dazu umgehend tel. an Frau Friedrich (ab 19.00 Uhr) Telefon-Nr. 8722 oder an Dieter Thielmann Telefon-Nr. 6109.
21. Mai 1989 „Waldbegehung“ anstatt Grenzbegehung
ab 9.00 Uhr mit Herrn Förster Bördner, Wörsdorf. Selbstverständlich endet auch dieser Margen mit Eintopfessen auf dem Grillplatz.
4. Juni 1989 Gassenfest auf dem Platz vor der alten Schule.
Verantwortlich:
G. Buck