Walsdorfer Häuser im Familienbesitz von 1788 bis nach dem 2. Weltkrieg
HAUS UNTERGASSE 12, vormals O. Weygand, jetzt D. Thielmann
1788 wird der Feldgeschworene, Rechner und Gerichtsschöffe Philipp Caspar Weygand (1761-1837) als Besitzer des Hauses genannt. Er war der älteste Sohn des Schultheißen Philipp Andreas Weygand (1730-1783), dessen Vorfahren Feldgeschworener, Kirchen- und Kastenmeister bzw. auch Schultheiß waren, so daß zu vermuten ist, daß die Weygands das Haus nach dem Brand von 1692 gebaut hatten und seitdem bewohnten.
Auf Philipp Caspar Weygand folgten der Bauer und Feldgerichtsschöffe Johann Philipp (1790-1839), der Bauer und Gastwirt Johann Philipp (1815-1865), der Bauer und Gastwirt Philipp Ludwig Theodor (1841-1919), der Bauer und Gastwirt Ludwig Karl Theodor Heinrich (1870-1937) und bis zum Verkauf des Hauses im Jahre 1978 dessen Tochter Ottilie.
HAUS UNTERGASSE 20, vormals K. Seyberth, jetzt Th. Becker
Auch dieses Haus wurde mit größter Wahrscheinlichkeit von den Seyberths nach dem Brand von 1692 gebaut. Diese Ansicht vertritt auch der Diplomlandwirt Werner Seyberth in der Idsteiner Heimatschau in einem Aufsatz vom Jahre 1943 über eine Seitenlinie der Walsdorter Familie Seyberth in Esch, wo er feststellt, daß die Familie Seyberth seit annähernd 250 Jahren im alten Seyberthschen Haus in der Untergasse wohnt.
Als Besitzer werden von 1788-1960 genannt: Georg Philipp (1730-1817), Philipp Christian (1779-1816), Philipp Christian (1810-1882), Philipp Christian Theodor (1847-1901), Karl Ludwig (1879-1912) und Karl Adolf (1901-1971), der das Haus aufgab, weil er einen neuen Bauernhof am Wörsdorfer Weg baute.
HAUS UNTERGASSE 28, ehemals Metzger Müller, jetzt F. Felgenspahn
Das Haus war von 1788 an 3 Generationen lang im Besitz von Angehörigen der Sippe Lehmann, und zwar von Georg Philipp (1760-1814), Philipp Konrad (17931871) und von Philipp Jacob (1827-1911). Von ihm übernahmen seine Tochter Christiane Johanette Karoline (1857-1943) und deren Ehemann, der Metzger Karl Jakob Müller (1852-1918), das Haus, das sie an ihren Sohn, den Metzger August Müller (1882-1949), vererbten. Die letzte Besitzerin war dessen Tochter Erna Wagner, die es 1973 verkaufte.
HAUS UNTERGASSE 36, ehemals E. Lehmann, jetzt A. Mörig
Die beiden ersten Besitzer waren der Schmiedemeister Johann Philipp Leichtfuß (1745-1808) und der Schmiedemeister und Krämer Philipp Konrad Leichtfuß (1781-1835). Dessen Tochter Maria Elisabeth (1812-1873) heiratete den Bauern, Krämer und Leineweber Philipp Christian Lehmann (1811-1876). Die folgenden Besitzer waren Christian Friedrich Lehmann (1838-1879), August Lehmann (1869-1951) und zuletzt Ernst Wilhelm Ludwig Lehmann (1896-1984), der zusammen mit seinem Schwiegersohn Willi Kilian am Wörsdorfer Weg einen Aussiedlerhof erbaute und deswegen das alte Anwesen 1965 verkaufte.
HAUS UNTERGASSE 40, ehemals O. Schauß, jetzt H. Pittner
Dreimal übernahmen jeweils Töchter das Haus und vererbten es dann weiter. 1788 ist der Schreinermeister Philipp Andreas Zeiger (1734-1796) der Besitzer. Auf ihn folgte seine Tochter Susanne Philippine Katharine (1777-1850), die mit dem Bauern und Wagner Georg Peter Leichtfuß (1780-1848) verheiratet war. Es folgte deren Sohn, ebenfalls Bauer und Wagner und auch Georg Peter geheißen, der nur 2 Tage nach seinem Vater verstarb. Da Georg Peter keine Kinder hatte, übernahm seine Schwester Maria Katharina (1806-1876) das Anwesen. Sie war mit Georg Christian Lehmann (1799-1860) verheiratet. Auf sie folgten der Bauer und Metzger Johann Ferdinand Karl (1835-1877) und dessen Sohn Gustav Reinhard (1876-1941). Von ihm übernahm seine Tochter Auguste (1909-1979), die mit dem Bauern Otto Schauß (1909-1977) verheiratet war, das Haus. Otto Schau ß baute zusammen mit seinem Sohn Helmut am Michelsbaum einen Aussiedlerhof und verkaufte die Gebäude in der Untergasse im Jahre 1977.
HAUS UNTERGASSE 7, vormals E. Wicht, jetzt E. Hübschle
1788 ist Johann Christian Schneider (1755-1824) Besitzer des Hauses. Von ihm übernimmt seine Tochter, die Hebamme Maria Katharina (1789-1850) das Haus. Sie war mit dem Drehermeister Philipp Konrad Leichtfuß (1786-1853) verheiratet. Von ihnen erhielt das Haus seinen Namen: „Ammedrersch“. Die folgenden Besitzer waren die Dreher Philipp Caspar Leichtfuß (1814-1889), Friedrich Wilhelm Ludwig Leichtfuß (1844-1917) und Philipp Wilhelm Adolf Leichtfuß (1870-1944). Dieser vererbte sein Haus an seine Pflegetochter Ella Pauline Lina Wolfgang (1909-1974), die mit dem Bauern und Schuhmacher Alwin Wicht (1907-1986) aus Heftrich verheiratet war. Nach ihnen war ihr ältester Sohn Engelbert der Besitzer, der es 1969 verkaufte.
Helmuth Leichtfuß
Die Reparatur der Kirchturmuhr 1651
Als gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges im Oktober 1644 der ganze Flecken Walsdorf von bayrischen Truppen niedergebrannt wurde, waren auch die Kirche und der Kirchturm ein Raub der Flammen geworden. Dabei hatten die Walsdorfer auch ihre Kirchturmuhr verloren, was für die Dorfbewohner ein herber Verlust war, weil sie, anders als heute, über private Zeitmesser noch nicht verfügten.
Drei Jahre nach dem Ende des Krieges und schon bald nach seinem Amtsantritt nimmt Pfarrer Georg Christian Rüger, ein Sohn des Walsdorfer Klosterkellers Michael Rüger, die Reparatur der Kirchturmuhr in Angriff. Er war Ende April 1650 auf die Pfarrstelle in Walsdorf berufen worden, nachdem ihm eine Bewerbung im Jahre 1642 schon einmal abgeschlagen worden war. (Vergl. A. Deißmann: Geschichte des Benediktiner-Klosters und des Freifleckens Walsdorf, S. 187 ff.)
Am Epiphaniasfest (6.Januar) 1651 rief er seine Gemeinde auf, „folgenden Sonntag aus freywilligen Hertzen ihre schätz aufzuthun und zu einer schlagenden Uhr, deren man durch die zuvor geschehene Brandbeschädigung beraubt, zu steuem.“ An zwei Sonntagen wurde „das Säcklein umbgetragen und haben folgende Personen nachfolgendes eingelegt“: Pfarrer Georg Christian Rüger, Schultheiß Philipp Mey, Johann Ochs, Philipp Seyberth, Philipp Geiß und Philipp Hofmann je einen halben Königstaler, Caspar Müller 1/2 Reichstaler, Bernhard Leichtfuß 20 Albus, Johann Enders Sauer 18 Alb., 6 Pfennig, Philipp Weißweck 12 Alb., Adam Kreppel, Hans Peter Ullius, Johann Adam Stamm und Matthäus Weygand je 10 Albus, die lahme Schneider Crein, Philipp Ebert Zeiger, Ebert Zeiger, Jacob Kolb, Johannes Kolb, Balthasar Scheurer, der Schulmeister, und Weigand, des Kellers Dienstknecht je 5 Alb. und Georg, des Pfarrers Dienstknecht 2 Alb. „Daneben sind ferner gezahlt worden 17 Albus, 4 Pfennig, dabey kein Brieflein gelegen, thut also sie Summa in allem 7 Reichsthaler, 2 Albus, 6 Pfennig.“
In der anderen damals üblichen Währung gerechnet wurden insgesamt 13 Gulden 5 Albus 6 Pfennig eingenommen. Darauf ist dem „Schlosser und Uhrmacher zu Itzstein die Uhr zu machen verdingt worden.“ Da seine Rechnung auf 13 Gulden 3 Albus lautete, hatte man also genug gesammelt. Relativ teuer waren die „Sail an die schlagende Uhr“: 4 Gulden 4 Albus 4 Pfennig (1 Gulden = 24 Albus). Dieser Betrag wie auch 2 Albus für Baumöl wurden der Kirchenkasse entnommen.
Da der Kirchturm zu diesem Zeitpunkt noch nicht wiederaufgebaut war, mußte man sich um einen passenden Standort bemühen. Welche Lösung gefunden wurde, ist einem Eintrag im Kirchenbuch I S. III durch den Superintendenten Martinus Erytropilus aus Idstein vom 13. Februar 1651 zu entnehmen. Dort heißt es: Demnach bishero bey den sorglichen Kriegzeiten die schlagende Uhr zu Walsdorf, welche der Gemeinde daselbsten eigenthümlich zugestanden und noch zustehet, auch auf ihrem eigenen Kirchturmgestanden, in Abgang geraten, nunmehr aber die Gemeinde sämtliche durch eine freiwillige Steuer wiederumb dieselbige hat reparieren lassen, und in ermangelung ihres eigenen Kirchthurms, keinen Ort haben, wohin sie solche Uhr zum schlagen füglich setzen können, ist es der Gemeinde bewilligt worden, daß sie obgedachte Uhr in die Klosterkirche setzen mögen, umb dadurch die Zeiten des Tages und Nachts bey Ihnen desto besser zu entscheiden. Damit sie aber wegen der Uhren, als welche der Gemeinde und nicht dem Kloster zustehet, künftig nicht mögen streiten, als ist diese condition (Abmachung) von mir … diesem Kirchenbuch inserieret worden, daß in künftig, wan sie wieder Auferbauung einer eigenen Kirche, gedachte Uhr wiederumb auf dem Kloster abfordem werden, … dieselbige ihnen ohne alle Einrede des Klosters williglich soll wiederumb abgefolget werden.“
Zwei Dinge sind an dieser Eintragung von Bedeutung: die Uhr gehörte der Zivilgemeinde, würden wir heute sagen, ebenfalls der Kirchturm: Letzteres ist bis heute so geblieben. So hat die Gemeinde für die Unterhaltung zu sorgen.
Quelle:
Walsdorfer Kirchenbuch, Bd.l, S.III; HStAW 133 R 3197
Helmuth Leichtfuß
Die Waldbegehung
Der Waldbegang am 21. Mal 1989 ersetzte in diesem Jahr die traditionelle Grenzbegehung. Unter der Leitung von Herrn Oberförster Bördner erfuhren etwa 70 Walsdorfer viel Neues über unseren Wald. Ein genauer Bericht folgt im nächsten Bürgerbrief. – Foto: Amanda Grabosch
Die Arbeit des Ortsbeirates in der Legislaturperiode 1985-1989
Am 10.3. 1985 haben die Wähler mit 735 gültig abgegebenen Stimmen über die Zusammensetzung des Ortsbeirates entschieden. 392 Stimmen hat die „BWG“ und 343 Stimmen die SPD erhalten. (4 Sitze „BWG“ und 3 Sitze „SPD“)
In der konstituierenden Sitzung wurden Felix Hartmann zum Ortsvorsteher und Rolf Preußer zum stellv. Ortsvorsteher gewählt.
In 28 Sitzungen hat sich der Ortsbeirat mit anstehenden Problemen beschäftigt und versucht, im Interesse der Walsdorfer Bürgerinnen und Bürger ausgewogene Lösungen zu finden.
Gegenstand der Beratungen waren u.a. die Ausbesserung von Straßen und Wegen. So haben die Beratungen dazu geführt, daß der Weg Laubach befestigt und ein Teilabschnitt der Querstraße ausgebaut wurde. Der Weg entlang des Knallbaches, Ausbau der Bruderbergstraße und Ausbau der Bergstraße waren genauso Beratungsgegenstand wie die Neugestaltung der Treppen am Schalenturm und Bomgraben. Auch die geplante Ortsumgehung Bad Camberg hat den Ortsbeirat beschäftigt.
Hinweise von Eltern haben dazu geführt, daß die Spielgeräte auf dem Kinderspielplatz ergänzt wurden. Gleichzeitig wurde zum Schutz der Schulkinder über die geplante Fußgängerschutzanlage in der Idsteiner Straße diskutiert.
Weitere Beratungspunkte waren das Baugebiet Beckersgraben, der Abriß der aften Pumpstation und die Baumaßnahme am Hochbehälter in der Bergstraße.
Mehrmals wurde über die Verwendung des alten Schulgebäudes, den Verkauf von Bauplätzen und Neubau des Feuerwehrgerätehauses beraten. Abwasserprobleme in der Junkerstraße, Neueinrichtung von Sammelplätzen für Gartenabfälle, Trinkwasserverschmutzung in verschiedenen Bereichen und die Verlegung der Schulbushaltestelle sind weitere Beratungspunkte gewesen.
Eine wichtige Koordinationsaufgabe hat der Ortsbeirat geleistet, indem er mit den Walsdorfer Vereinen den örtlichen Beitrag zum Idsteiner Stadtjubiläum organisierte.
Die Gestaltung und Ausrichtung der Weihnachtsfeier für die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger ist eine weitere ehrenvolle Aufgabe der Ortsbeiratsmitglieder.
Beraten wurde auch in mehreren Sitzungen über unsere öffentlichen Einrichtungen. Maßnahmen im Dorfgemeinschaftshaus wie Erneuerung der Holzfenster, Innenrenovierung, Anschaffung einer Beschallungsanlage und Kücheneinrichtungen, Außenrenovierung und Schallschutzmaßnahmen waren auf der Tagesordnung der Ortsbeiratssitzungen zu finden.
Im Bereich Kindergarten waren die Dachsanierung, Außenrenovierung und diverse Reparaturmaßnahmen Beratungspunkte gewesen.
Neue Eingangstore, die Erweiterung, Stromanschluß für die Trauerhalle und diverse Verschönerungsmaßnahmen waren Beratungsgegenstände, was den Friedhof betrifft.
Zum Schluß der Legislaturperiode kann festgestellt werden, daß der Ortsbeirat seine Hausaufgaben erledigt hat. Alle Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, die Institution des Ortsbeirates zu nutzen und sich in den öffentlichen Ortsbeiratssitzungen zu informieren. Außerden sind alle Ortsbeiratsmitglieder für Hinweise dankbar, damit Mängel und Mißstände behoben werden können.
Felix Hartmann
Nachtwächter in Walsdorf
„Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen, unsre Uhr hat Zehn geschlagen! Zehn Gebote setzt Gott ein …“ Ein solch romantischer Stundenansager, der dazu noch fromme Sprüche verkündete, war der Nachtwächter nicht. Er war auch nicht nur in den Städten bei den Herren zu finden, sondem drehte seine Runden selbst in den kleinsten Dörfern.
Bei einem Freiflecken wie Walsdorf läßt sich die Wache bis zu seiner Gründung im 14. Jahrhundert zurückverfolgen, als die Grafen von Idstein die Bürgerverpflichteten, die neu erbauten Mauern und Tore zu bewachen. Wer wie etwa die Nonnen dieser Wächterpflicht nicht nachkommen konnte, zahlte an die Gemeinde eine Ablösesumme. (1)
Tag- und Nachwächter
Die Erfahrungen des 30jährigen Krieges veranlaßten Graf Johannes, in die alte „Rügen-Ordnung“, die sehr viele Bereiche des Lebens regelte, ein Kapitel über Tag- und Nachtwachen neu aufzunehmen. In allen Orten sollte laufend jemand mit dem „Gemeindespieß“ unterwegs sein, wobei es nachts auch ein angestellter Wächter sein konnte. (2)
Reihum mußten nun die Walsdorfer ihre Gassen bewachen, wovon allerdings die Witwen ausgenommen waren. Sie mußten stattdessen ein sogenanntes „Rauchgeld“ bezahlen. Dieser Name zeigt„ daß die Nachtwache vor allem als Feuerschutz gedacht war.
Hirten als Wächter
1674 hatte man sich so weit von den Folgen des 30jährigen Krieges erholt; daß man es sich leisten könnte, einen besoldeten Nachtwächter einzustellen. Genauer gesagt übernahmen von jetzt an bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Hirten zusätzlich diese Aufgabe für 6 Gulden im Jahr. Dieser Betrag änderte sich auch während Inflationszeiten nicht und wurde auf alle Häuser umgelegt.
Bei der Einstellung wurde ein Vertrag geschlossen. Der von 1676 ist typisch für viele andere. Über ihn berichtet das Gerichtsbuch mit folgenden Worten: „Den 24: Dezember 1676 hat die Gemeinde einen Kuhhirten namens Mattheß Williger von Niederems gedingt, soll ihm geben 17 Achtel Korn (6 A. =1 Malter), ein Umgang Brot (1 Brot von jedem Haus) und einen Gulden für ein Paar Schuhe; soll auch die Wacht versehen, dagegen soll er haben das Jahr 6 Gulden. Eodem (am selben Tag) Hilgert den Schweinehirten wiedergedingt, soll haben 15 Achtel Korn, einen Gulden für ein Paar Schuhe, einen Umgang Brot und für die Wacht 6 Gulden. Dieweil der Fleckenschäfer ausgerissen und weggelaufen, hat die Schafgemeinde obgedachten Schweinehirten für einen Schäfer angenommen und dagegen sich Hans Schwartz zu einem Schweinehirten eingestellt.“
Sehr oft stammten die Hirten aus anderen Orten und waren wegen fehlenden Grundbesitzes recht beweglich. Bereits im folgenden Jahr wurde ein neuer Kuhhirt gedungen, dem aufgetragen wurde, er solle „das Tor bei der Nacht fleißig auf und zu machen und verwahren“. Ihm war nicht erlaubt, einen anderen gegen Lohn wachen zu lassen.
Tagesbeginn: 2 Uhr
Wie man diese beiden Ämter, die doch einige Wachsamkeit und damit Wachheit erforderten, verbinden konnte, ist für uns nur schwer vorstellbar. Die ganz anderen Lebensverhältnisse in vorigen Jahrhunderten werden aus einem Briefwechsel zwischen der Stadt Idstein und der Behörde des Oberamts deutlich, in dem es 1780 um die Frage ging, wann die Bürgerwache ihren nächtlichen Dienst beenden konnte. Sie befand sich auf den Gassen, nachdem sich der Nachtwächter nach dem stündlichen Umgang auf die Wachstube begeben hatte, und achtete auf „Unordnungen, Nachtschwärmereien, Diebereien und Feuersgefahr.“ Flüchtenden Dieben sollte sie „die Bein voll Schrot schießen“. Da „in Wintertagen der größte Teil der Bewohner morgens vor 3 Uhr … munter und in Geschäften sich befindet“, könne die Wache um 3 Uhr nach Hause gehen. (3)
Noch 100 Jahre später war der Lebensrhythmus in Walsdorf der gleiche. Der 1882 vom Gemeindevorstand abgeschlossene Nachtwächtervertrag enthielt folgende Abmachungen:
„1. Ludwig Becker übernimmt die Nachtwache in hiesiger Gemeinde vom 1. April 1881 bis zum 31. Dezember 1882.
2. Er muß die Stunden pünktlich blasen und die halben Stunden pünktlich durch Pfeifen anzeigen und zwar von abends 10 Uhr bis morgens 3 Uhr. Vom 1. März bis 31. Oktober hat er nur bis morgens 2 Uhr auf der Straße zu sein zur Ausübung der Nachtwache.
3. Sollte der Nachtwächter seinen Dienst vernachlässigen, so steht dem Gemeinderat allein das Recht zu, hierüber anderweitigen Beschlu ß zufassen und wenn es für nötig befunden wird, den Nachwächter ohne alle Klage seines Dienstes zu entlassen.
4. Für die Dienstleistung erhält derselbe aus hiesiger Gemeindekasse eine Vergütung von jährlich 165 M, welche ihm ratenweise ausbezahlt werden. Außerdem erhält er noch 4 Raummeter Holz alljährlich.“
In den Jahrzehnten vorher war das jahrhundertealte System geändert worden. Seit 1848 erhielt der Nachtwächter 50 Gulden pro Jahr und hatte zur Unterstützung noch 2 Blaswächter, die zunächst noch den alten Lohn von 6 Gulden, ab 1858 aber 9 erhielten. Seit 1877 war Walsdorfs nächtliche Sicherheit nur noch einem Mann anvertraut.
Quellen:
(1) Struck, Quellen IV, 1734-1742.
(2) HStAW 133 XIVa, 2.
(3) Stadtarchiv Idstein Loc. 12/33.
(4) Gemeindearchiv Walsdorf: Gerichtsbuch 1665-1762;
Gemeinderechnungen; Urkunden zur Gemeinderechnung 1881/1882.
Gerhard Buck
Die Schultheißen-Mahlzeit
Wenn ein Pferd bis zum Bauch im Hafer steht, um sich satt zu fressen, dann ist das nicht nur für das Tier ein unvergeßliches Ereignis. Zu solchen aus dem Rahmen fallenden Besonderheiten griff man in früheren Jahrhunderten gerne, um Rechtsansprüche jedem einprägsam zu machen. Dazu gehörten auch Grenzbegehungen mit einem eigenen Zeremoniell.
Im Westen Walsdorfs war die Grenzziehung dadurch kompliziert, daß sich Gemeinde- und Landesgrenze nicht deckten. Das Gebiet links (westlich und nördlich) des Färberbachs gehörte teils zur Grafschaft Idstein, teils zum Amt Camberg. Reibereien gab es hier lange Zeit. So waren Grenzbegehungen, die Ansprüche verdeutlichen sollten, eine wichtige Angelegenheit.
1770 hielt die Verwaltung des Amtes Camberg diesen Gang bzw. Ritt für so wichtig, daß sogar eine vereidigter kaiserlicher Notar aus Runkel eingeladen wurde, um ein genaues Protokoll anzufertigen. Mit ihm konnte man dann in der folgenden Zeit die eigenen Ansprüche und die Reaktion der idsteinischen Nachbarn nachweisen.
Als der Walsdorfer Schultheiß Phil. Caspar Loeder eine gute Woche vorher davon erfuhr, fragte er das Oberamt Idstein, wie er sich verhaften sollte, da die Gesellschaft am Ende eine Mahlzeit bei ihm einnehmen wollte, wie es alter Brauch war. Vor 39 Jahren war diese Art Grenzbegang letztmals erfolgt. Seitdem hatten er und seine Vorgänger statt der jährlichen Mahlzeit einige Gulden nach Camberg geliefert.
Regierung und Oberamt mußten die Rechtmäßigkeit der Camberger Forderung nach Verpflegung für Beamte, Pferde und Hunde anerkennen, obwohl in den Archiven nichts darüber zu finden war. Die Regierung in Wiesbaden schlug dem Oberamt vor, den Beamten in Camberg „in einem höflichen Schreiben“ vorzuschlagen, sich „lieber wie bisher mit einer modiquen (mäßigen) Geldabgabe als mit einer schlechten Bauernmahlzeit begnügen zu wollen.“ Wenn das erfolglos sei, solle man eine Mahlzeit und Fourage für 10-12 Gulden bereitstellen. Wollten sich die Nachbarn damit nicht begnügen, sollte der Schuftheiß „erklären, wie auf einem schlechten Dorf eine bessere Bewirtung nicht veranstaltet werden könne.“
Schüsse an der Grenze
Angeführt von den beiden Amtmännern ritt am 28. November 1770 um 9 Uhr eine größere Gesellschaft von Beamten, Jägern, „verschiedenen Jagdliebhabern“ und Zeugen durch das Camberger Untertor und erreichte westlich von Würges die Hohe Straße. Als sie auf ihr die Walsdorfer Gemarkung erreicht hatten, begannen sie sogleich, in den Rothen Gräben auf Feldhühner zu schießen. Der fehlende Jagderfolg störte sie nicht, da es auf das Schießen an sich zum Beweis des Jagdrechts ankam. Als sie nämlich über den Wörsdorfer Schlag ins Gebück gekommen waren, dienten einige Eichen als Zielscheibe für ihre Schüsse. Als auch einige Kugeln ins Feld gefeuert wurden, war ein Hase ein wohl mehr zufälliges Opfer.
Mitten durch das Gebück ging der hier recht unbequeme Ritt bergab zum „Knell- oder Färberbach“ beim Bürgerwald. Ihm folgte die Gesellschaft abwärts und blieb auch hier trotz aller Hindernisse so genau wie möglich an der Grenze. Verschiedene Gärten stießen bis an den Bach. Sie wurden durchritten, und wo Gartentüren in den Zäunen verschlossen waren, wurden mit Hirschfängern Öffnungen geschnitten.
Direkt unter Walsdorfs Mauern wurden wiederum akustische Grenzzeichen gesetzt. Zunächst schoß der trierische Oberamtmann mit einer naussau-oranischen Flinte in einen jungen Weidenstamm auf der Camberger Seite des Bachs, dann der nassau-oranische Amtmann mit einer trierischen Flinte in eine Weide beim Grenzsteg.
Von Walsdorfs Hügel hatte jeder sehen und hören konnen, welche Ansprüche die Herren von Camberg stellten. Sie protestierten keineswegs, sondem bestätigten in einer althergebrachten und ebenfalls eindrucksvollen Form die Rechtmäßigkeit der Grenzbegehung.
Hafer bis zum Bauch
Um halb zwölf zogen die Camberger durch das Untertor zum Hause des Schultheißen. Sie erklärten ihm, „daß sie zu Wahrung hohen herrschaftlichen Gerechtsamen die Atzung für dieses Jahr einnehmen wollten, welche in einer stattlichen Mahlzeit für Herren, Jäger und Diener bestehe, dabei die Pferde auch Hafer bis an die Bäuche haben und die Hunde satt gefüttert werden müßten.“ Wegen der schlechten Zeiten gestanden die Gäste gleich zu, daß dieses Mal nur bei einem Pferd ein Haufen Hafer bis zum Bauch aufgeschüttet zu werden brauchte. Damit sollten alle 17 gefüttert werden.
„Der Schultheiß dankte für diese hohe Gnadenbezeigung und bat untertänig, mit den Traktamenten, so aufgetragen werden würden, zufrieden zu sein, und versicherte, in allen Stücken das Seinige getan zu haben. Man ging sodann zu Tisch.“ Schultheiß Loeder war nicht gesonnen, sich vor den Nachbarn zu blamieren und sein Walsdorf als armes Dorf hinzustellen, wie es seine Regierung erwartete.
Unten im Haus speisten die acht besseren Herren mit dem Notar. Als Speisenfolge notierte er: „Die Mahlzeit bestunde in zweierlei Suppen, zweierlei Gemüsen, Rindfleisch, etlichen Bei-Essen, verschiedenen Braten, Torten, Gebäcks, Ratonkuchen, Wein und Kaffee, so daß alle und jede damit zufrieden waren.“ Der Schultheiß trug allein auf, ohne die aus Camberg mitgekommenen Bediensteten einzusetzen.
Auch die Leute in der oberen Stube hatten reichlich und gut zu essen. Nur eng wird es hier gewesen sein; denn hier befanden sich „Bediente, Jäger, Kutscher, Dorfschultheißen und zwar die beiden zu Würges mit den beiden zu Erbach und eine Compagnie von siebzehn bis achtzehn Personen.“
Erst um vier Uhr war dieses Mittagessen beendet, das sicherlich auch für die besseren Herrschaften vom Gewohnten erheblich abwich. Der Schultheiß bat beim Abschied darum, ihn in Zukunft zu verschonen. Das mußte natürlich von den Amtmännern abgelehnt werden, daß die Mahlzeit Teil einer rechtlichen Handlung war, die im Geiste des Mittelalters besonders anschaulich ausfallen mußte.
Etwa 100 Meter vom Untertor entfernt erreichte die Gesellschaft mit dem Grenzsteg über den Färberbach das Gebiet des Amtes Camberg (heute Walsdorfs Großer Garten). Hier wurden ein letztes Mal einige Schüsse abgegeben. Zufrieden konnten die Camberger Beamten später im offiziellen Protokoll nachlesen, daß weder vom Oberamt Idstein noch vom Walsdorfer Schultheißen irgendein Widerspruch oder eine Behinderung erfolgt sei.
So war also durch die Anwesenheit der Beamten und ihres Gefolges, durch deren Schießen und die Mahlzeit in Walsdort sehr anschaulich und hörbar der Verlauf der Grenze zwischen den Ämtern Idstein und Camberg in der Walsdorfer Gemarkung dokumentiert worden.
Die Bezahlung der Kosten
Wegen der Bezahlung dieses opulenten Mahls, das 71 1/2 Gulden gekostet hatte, brauchte sich Schultheiß oeder keine Sorgen zu machen. Die Gemeinden Würges, Oberselters und Erbach waren verpflichtet, ihm zu diesem Zweck jährlich 3 Malter Weizen und 1/2 Malter Roggen zu liefern, was damals einen Wert von 33 Gulden darstellte.
Es war üblich geworden, dieses Mahl nur gelegentlich einzunehmen, zuletzt vor 39 Jahren. In der Zwischenzeit zahlte der Walsdorfer Schuftheiß an die zwei Camberger Amtmänner 7 1/2 Gulden, die zwei Schuftheißen 3 und die zwei Amtsdiener 1, zusammen also 11 1/2 Gulden jährlich. Nach der Berechnung des nassau-oranischen Amtmanns hatte er in den vergangenen 30 Jahren einen Profit von 645 Gulden gemacht. Das entsprach den Einnahmen der Gemeinde Walsdorf während zweier Jahre im 18. Jahrhundert.
Den Briefen beigelegte ältere Akten seit 1649 zeigen, daß diese Einnahmen der Idsteiner Seite, die unter dem Namen Peter- oder Hubenweizen liefen, wohl in das Mittelalter zurückgehen. Nach dieser Mahlzeit von 1770 begannen Verhandlungen zwischen Nassau-Usingen (in Wiesbaden) und Nassau-Oranien (in Dillenburg) über einen Austausch von Abgaben, die im jeweils anderen Territorium fällig waren. In diesem Zusammenhang kam es 1784 zu einem Ende dieser „Schultheißen-Mahlzeit“, dem sich Trier anschloß.
Quellen:
HStAW 133 Walsdorf 35; 356 VIII 89, 92.
Gerhard Buck
Terminänderung
Das Fischerfest kann nicht am 22.-23. Juli 1989 stattfinden. Es wurde verschoben auf den 26.-27. August 1989.
Verantwortlich:
G. Buck