Bürgerbrief 50: September 1990

Aussiedler in der Morcher Mühle

Zu zweit machten wir uns am 8. August am frühen Abend auf zur Morcher Mühle, um dort einen ersten Kontakt zu den zahlreichen neuen Bewohnern der ehemaligen Speisegaststätte zu knüpfen. Wir wollten gern wissen, wer diese Menschen sind, die da seit einigen Monaten mit uns in Walsdorf leben, – wenn auch bis jetzt wohl mehr neben uns als mit uns. Hier unser Bericht:

Im Hause leben zur Zeit – außer den bisherigen Bewohnern – 43 Menschen, in der überwiegenden Mehrheit deutschstämmige Aussiedler aus der Sowjetunion, zwei sind aus Polen (Oberschlesien) und vier als Übersiedler aus der DDR und Ostberlin gekommen. Trotz des hohen Anteiles Rußlanddeutscher bereitete es keine Schwierigkeiten, die Unterhaltung mit den zahlreich zu unserer Verabredung erschienenen Bewohnern des Hauses auf deutsch zu führen. Die sprachlichen Probleme liegen nicht so sehr im Verstehen der deutschen Sprache. Es stellte sich heraus, daß es für viele der Aussiedler dennoch Sprachprobleme gibt, besonders beim Schreiben und Lesen und bei der Notwendigkeit, irgendwelche komplizierten Sachverhalte auszudrücken.

Zu den Bewohnern gehören zehn Familien, ein verlobtes Paar und ein Junggeselle. Die Rußlanddeutschen sind alle familienweise gekommen, andere nahe Angehörige wie z.8. erwachsene Kinder mußten teilweise noch zurückbleiben. Die hier zusammen angekommenen Familienmitglieder gehören drei Generationen an, so daß :z.T. hier also Großeltern, Eltern und Kinder zusammen leben. Sie sind jetzt aus dem mittelasiatischen Teil der Sowjetunion ausgereist, aus Taschkent (Usbekistan und aus Kasachstan. Dort waren sie während des Zweiten Weltkrieges zwangsweise angesiedelt worden, nachdem sie ihre angestammten Wohngebiete an der Wolga und in der Ukraine hatten räumen müssen. Voller Trauer erzählen die Älteren davon, wie ihre ehemals schönen Steinhäuser dort verfallen, obwohl sie bewohnt werden.

Nachdem die sowjetischen Behörden früher jahrelang überhaupt keine Ausreiseanträge angenommen oder bearbeitet hatten, lag die Bearbeitungszeit der letzten Anträge, die dann zur Ausreise führten, zwischen einigen Monaten und zwei Jahren. Die meisten der neuen Bewohner sind der Morcher Mühle in den ersten Monaten dieses Jahres zugewiesen worden. Ihnen steht im allgemeinen pro Familie ein Zimmer zu Verfügung, das sie selbst sauber halten, sowie für alle zusammen die Küche und der ehemalige Restaurantbereich als Aufenthalts- und Eßraum, den Frau Ohlenmacher für sie in Ordnung hält, die von den Hausbewohnern „Chefin“ genannt wird.

Zu den zehn Familien in der Morcher Mühle gehören 14 Kinder und zwei schon volljährige Jugendliche (18 und 21 Jahre). Von diesen 14 Kindern waren bisher acht Schulkinder, drei besuchen den Kindergarten. Eins der kleinen Mädchen wird jetzt neu in die Schule nach Wallrabenstein eingeschult.
An diesem Punkt Im Gespräch ergab sich auch das erste Problem, bei dessen Lösung die Bewohner der Mühle Unterstützung benötigen: Es ist das – im übrigen altbekannte – Problem des Fußweges nach Walsdorf! Sollte es nun angesichts der vielen Kinder, die bei nassem Wetter den gefährlichen Weg an der Bundesstraße entlang gehen müssen, nicht endlich möglich sein, dieses Problem zu lösen?
Auch die erwachsenen Bewohner der Mühle wären darüber verständlicherweise – nicht nur wegen ihrer Kinder – froh. Ihre Bezugspunkte sind Bad Camberg und natürlich in erster Linie Idstein, wo sie die für sie zuständigen Behörden finden und dann auch andere Dinge wie z.B. Arztbesuche erledigen. Das Ausfüllen von Formularen u.ä. bereitet ihnen verständlicherweise gewisse Schwierigkeiten. Hierbei hilft ihnen dankenswerterweise ein älterer Herr, der alle zwei Wochen einmal dafür aus Taunusstein zu ihnen kommt.

Obwohl unsere Gesprächspartner durchaus keinen bedrückten Eindruck machen, sondern eher gelassen und fröhlich wirken, haben sie zwei zentrale Probleme: Arbeit und Wohnungsbeschaffung.
Vor der Arbeitssuche steht bei vielen aber der notwendige deutsche Sprachkurs, den einige Bewohner soeben in Taunusstein absolviert haben bzw. andere in absehbarer Zeit beginnen werden. Die Zuweisung zu den Sprachkursen erfolgt über das Arbeitsamt.

In 4 der 10 Familien gibt es bereits jeweils einen Erwerbstätigen. Die anderen leben vorerst von dem sog. Eingliederungsgeld, von dem sie auch ihre DM 80,00 Miete pro Person (inkl. Nebenkosten) bezahlen. Diese Miete zahlen sie an das Land Hessen, das die Unterkünfte von den Eigentümern gepachtet hat.
Bei unsere Frage nach den Wünschen der Mühlenbewohner tauchte die Bitte auf, bei der Beschaffung einer Tennisplatte behilflich zu sein. Wir möchten diese Bitte fürs erste einmal an die Walsdorfer weitergeben: Hat vielleicht jemand eine im Freien benutzbare Tischtennisplatte übrig, die er zur Verfügung stellen könnte?

Zum Abschluß unseres Gespräches luden wir die neuen Mühlenbewohner zum Walsdorfer Gassenfest am 2. September ein, bei dem sie dann Gelegenheit hätten, etwas mehr Kontakt zu finden.

Isolde Buck, Johannes Fleischer

Der grüne Pfad

Die Feldbegehung des Bürgervereins Walsdorf, welche in enger Zusammenarbeit mit dem Ortsbauemverband Walsdorf ausgerichtet wurde, war am Sonntag, dem 17.6.90, ein voller Erfolg. Mehr als 70 Bürger nahmen an der Führung von Herrn Gerhard Heilhecker teil, welcher am Friedhof den „Grünen Pfad“ eröffnete.

An der Begehung nahmen auch einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebensteil, welche die Wichtigkeit zur Aufklärung über die Landwirtschaft unterstrichen, wie z.B. Herr Bürgermeister Müller, der Vors. des Kreisbauernverbandes Herr Herbert Enders mit Frau und Sohn (jüngster Teilnehmer mit einem halben Jahr), der ehem. Geschäftsführer des KBV Herr Werner Krüger mit Frau, Herr. Dr. Brettschneider vom Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung sowie Herr Karl Pulch, Vorstandsmitglied des KBV.
Die „Grüne Pfad“ mit 22 Tafeln beantwortete den Teilnehmern viele Fragen, welche durch Erklärungen von Herrn Heilhecker noch besser ausgeräumt wurden. Eine der Tafeln nahm z.B. Stellung zum Problem der umgepflügten Wiesen, was noch besonders aufgrund ihres Standortes am Escher Weg betont wurde. Eine andere zusätzlich angefertigte Tafel steckte in einem dieser Hügel, welche im Moment überall zu sehen sind mit dem Hinweis, da ß es sich dabei um Dünger (und welchen Dünger) handelte.
Aufgrund von Richtungspfeilen führte der Weg dann am Golfplatz vorbei, von wo ein guter Blick über Walsdorf während des Rückmarsches zum Abschluß im Hof des Vorsitzenden des Bürgervereins, Herr Dieter Thielmann, möglich war. Dort klang dann die Feldbegehung mit Würstchen und Getränken aus. Den Teilnehmern gefiel die Atmosphäre im Hof dieses alten Gehöftes so gut, daß sich erst am Nachmittag die frohe Runde auflöste.

Dieser „Grüne Pfad“ ist besonders interessant für Schulklassen, welche Informationen am Objekt mit einer schönen Wanderung erleben möchten. Herr Gerhard Heilhecker steht bei Rückfragen gerne zur Verfügung.

Dem Bürgerverein Walsdorf bleibt nun die Aufgabe, für das nächste Jahr eine neue „Begehung“ zu organisieren.

Dieter Thielmann

Gassenfest 1990

Das Gassenfest des Walsdorfer Bürgervereins e.V., das am 2.09.90 stattfand, lief bei frühherbstlichem Wetter zunächst recht träge an. Zur Mittagszeit kamen nur wenige Gäste, die die hervorragende Gulaschsuppe, den knusprigen Rollbraten oder heiße Rindswürste als Mittagessen zu sich nahmen.
Am Nachmittag fanden sich schon wesentlich mehr Gäste zum Kaffeetrinken im „Café“ in der alten Schule mit seiner reichhaltigen Kuchentheke ein. Allerdings füllte sich erst am Abend das Zelt trotz des schlechten Wetters, und die Nachfrage nach Speis‘ und Trank stieg entsprechend. Das Platzkonzert des Musikzuges fiel wegen Regens buchstäblich ins Wasser. Dafür sorgte später ein Akkordeonspieler für Stimmung im Zelt bis gegen Mitternacht.

Die Kinder hatten am Nachmittag an ihrem Flohmarkt und den Gassenspielen Spaß und Gewinn. An den sechs verschiedenen Spielen beteiligten sich 58 Kinder zwischen 2 und 14 Jahren. In diesem Jahr erhielten die Teilnehmer erstmals eine Urkunde. Diese zierte zusätzlich ein Bild des Spieleteilnehmers, das während einer Spieltätigkeit mit einer Sofortbildkamera aufgenommen worden war. Diese neue Form der Anerkennung bereitete offensichtlich allen Spielern mehr Freude als die bisher üblichen Sachpreise. Ganz besonders erfreulich war, daß diesmal auch „junge Leute“ mit großem Spaß und Engagement einzelne Spiele leiteten.

Monika Kiesau

Der „leichtfüßige“ Dachdecker
(Walsdorfs älteste Familien: Teil 2)

Mit auffälliger Behendigkeit und Sicherheit arbeitete in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein junger Mann auf den Dächern Idsteins, die zum größten Teil noch mit Stroh gedeckt waren. Viele Männer trugen wie er den damals sehr beliebten Namen Clas, und es fiel schwer, sie alle zu unterscheiden. Nur wenige Leute besaßen schon Familiennamen. Da konnte es geschehen, daß aus Besonderheiten Spitznamen entstanden.

Bei Clas, dem Strohdachdecker, wurde mit dem Zusatz „Leichtfuß“ ein prägnanter und vielleicht auch geschäftsfördernder Name gefunden, und man mußte nicht lange überlegen, ob es nun der Clas von Dasbach oder der von Esch war. Aus einem dieser Dörfer war er nämlich nach Idstein gezogen und hatte von dort keinen Familiennamen mitgebracht.

Clas hatte nichts dagegen, daß selbst in amtlichen Rechnungen sein neuer Name erschien. Vielleicht war er sogar ein bißchen stolz auf ihn, den nur er in der Grafschaft Idstein trug und den (was er nicht wissen konnte) auch nur seine Nachkommen besaßen.

Zwischen 1553 und 1583 findet man Clas Leichtfuß in den Rechnungen des Grafen und des ehemaligen Stifts wegen der Reparatur und Neuanlage von Strohdächern auf herrschaftlichen oder kirchlichen Gebäuden. War nicht genug Arbeit da, dann übernahm er auch mal einen Botengang bis nach Limburg oder Mainz oder half zur Dreschzeit beim Fruchtstürzen. Die meisten Aufträge kamen jedoch von privater Seite, von denen es natürlich keine schriftlichen Unterlagen gibt. (1)

Da ein Sohn auch den Namen Clas trug, lassen sich die Aktivitäten und Lebensläufe dieser beiden Personen nicht unterscheiden. Erst der Eintrag der Beerdigung am 1.4.1599 im Idsteiner Kirchenbuch zeigt, daß es auch einen gleichnamigen Sohn gab. Der erste Clas Leichtfuß wird nämlich als „der Alte“ bezeichnet. Der ungewöhnliche Zusatz „Gott geb ihm eine fröhliche Auferstehung“ läßt ein besonderes Ansehen und auch Alter vermuten. (2)

Vielleicht war der zweite Clas das „Leichfußgen“, das 1566 auf den Dächern und auch beim Fruchtstürzen half. (3) Dann könnte man annehmen, daß er um 1550 und Clas sen. um 1525 geboren wurde. Falls Clas jun. in Idstein starb, dann geschah das vor 1594. Seine Frau Catharina starb 1614. (2)
Drei ihrer Kinder sind namentlich bekannt: ihre Tochter Christina (erscheint nur 1594 als Patin) und ihre Söhne Jacob und Bernhard.

Jacob wurde auf erstaunliche Art vom Grafenhaus gefördert. So wie sein Großvater Clas besondere körperliche Geschicklichkeit gezeigt hatte, muß er früh durch geistige Fähigkeiten aufgefallen sein. Von 1580 bis 1588 erhielt er jährlich 2 und später 3 MaIter Korn aus der Präsenz, dem Vermögen des ehemaligen Stifts Idstein, wodurch ihm wohl eine gute Schulbildung ermöglicht werden sollte. Als er 1589 mit seinem Studium in Marburg begann, wurde das Stipendium in eine Geldzahlung umgewandelt.
Nach Ablegung der Magisterprüfung kehrte er 1594 nach Idstein zurück, wo er am 19.7. examiniert und als Pfarrer nach Michelbach geschickt wurde. (4) Dort trat er seinen Dienst jedoch erst Anfang 1595 an, weil er in den vorhergehenden Monaten in Breithardt als Kaplan und Lehrer Vertretungsdienste leisten mußte. (5) Die sofortige Übertragung einer Pfarrstelle nach Abschluß des Theologiestudiums war damals nicht das Übliche. Gewöhnlich wurde der junge Geistliche zunächst als Schulmeister beschäftigt.
Auch familiär ging es bei Jacob schnell weiter. Bereits am 20.5.1595 heiratete er Catharina Clauer aus Breithardt, (2) die jedoch bald danach zur Witwe wurde.

Weitergetragen wurde der Name Leichtfuß von Bernhard, Jacobs Bruder. Aber obwohl er in 2 Ehen 9 Kinder hatte, wäre in dieser 3. Generation der Familienname fast verschwunden. Vor allem eine hohe Kindersterblichkeit, aber auch die Pest und der 30jährige Krieg waren Gründe, weshalb nur ein Sohn, nämlich Johann Bernhard die Familie fortsetzte.

Bis zur Gründung seiner eigenen Familie durchlebte er einige harte Jahrzehnte. Seine Mutter war Else Hirthes, die sein Vater nach dem Tode seiner ersten Frau 1613 geheiratet hatte. Zwei Kinder dieser Ehe waren schon im ersten Lebensjahr gestorben, als Johann Bernhard 1618 geboren wurde. Mit knapp 9 Jahren verlor er seine Mutter (1627) und mit 13 seinen Vater (1631). So stand er in der schlimmsten Zeit des 30jährigen Krieges elternlos da. (2)

Obwohl er in Idstein Haus und Ackerland geerbt hatte, sah er dort keine Zukunft für sich. (6)1639 finden wir ihn als Einwohner von Walsdorf. (7) Seitdem ist die Familie Leichtfuß hier ununterbrochen zu Hause. Nachdem Ende des Krieges vermählte er sich 1649 mit Anna Maria vom Stein. Damit heiratete er in eine seit über 100 Jahren in Walsdorf ansässige Familie ein. Als Johann Bernhard Leichtfuß zwischen 1692 und 1696 in Walsdorf starb, lebten von seinen 11 Kindern noch 1 Tochter und 4 Söhne, auf die alle heute in Walsdorf und Umgebung lebenden Träger des Namens Leichtfuß ihren Stammbaum zurückführen können.

Clas der Ältere (beide Clas
gest. 1599 tätig 1553-1583)

                     Clas oo Catharina,
                     gest. 1614

Jacob Bernhard Christina
(1580-1595) gest. 1631 (1594)

  1. 00 1602 Eva Göbel————-3 Kinder
    gest. 1607

2.00 1613 Else Hirthes————6 Kinder
gest. 1627

Johann Bernhard
1618-1692/96

Quellen:
(1) HStA Wiesbaden 36111; 5-7;133 R9;133111,1.
(2) Kirchenbuch Idstein.
(3) HStAW 133 R9.
(4) HStAW 36 III, 7-9.
(5) HStAW 133 Breithardt 3;133 R 3012, 3169.
(6) HStAW 360 Idstein 34, 376.
(7) Gerichtsbuch Walsdorf S. 93.

Gerhard Buck

Aus dem kirchlichen Leben in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts

Neben den Kirchenrechnungen ist das Kirchenbuch eine wichtige Quelle zur Erforschung des kirchlichen Lebens in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, der ersten 50 Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg. Es gibt Aufschluß über die amtierenden Pfarrer, die Taufpraxis, die Konfirmation, Eheschließungen, Beichte und Abendmahl, Beerdigungen und anderes mehr. Oft sind es nur zufällige Anmerkungen, die wichtige Rückschlüsse erlauben.

Die Pfarrer

Die Gemeinde wurde in dem genannten Zeitraum von drei Pfarrern betreut. Johannes Henckel verzeichnete selbst, daß er „Anno 1647 uff das Osterfest naher Walstorf kommen und hernach Dominica (Tag des Herrn/Sonntag) Exaudi daselbsten zu einem pfarrer introduciert (eingeführt)“ wurde. Er stammte von Wetter bei Marburg und blieb bis Sonntag Misericordias Domini 1650 in Walsdorf. Von hier wechselte er auf die vakante Pfarrstelle in Steinfischbach. In seiner Walsdorfer Zeit wurde dem Pfarrer ein Sohn geboren, den er am 11. Sonntag nach Trinitatis 1648 selbst taufte, „weil er keinen anderen (Pfarrer) hat haben können.“

Auf ihn folgte Georg Christian Rüger, der am Sonntag Misericordias Domini (28. April) als Pfarrer hier eingeführt würde. „Bei deßen damahlß beschehner introduction (ist ihm) ein junges Söhnlein getauft worden, so der Pfarrer selbst getauft“. Einer der Taufpaten des Kindes war der „wohlehrwürdige Hochgelehrte Herr Martinus Erythropilus, wohlverodneter Superintendent damahls zu ftzstein.“
Georg Christian Rüger war ein Sohn des Klosterkellers Michael Rüger von Walsdorf und hatte schon 1642 einmal versucht, nach Walsdorf zu kommen. 1649 war er von Hohenweisel nach Wörsdorf (mit Wallrabenstein) gezogen, von wo aus er auch die Idsteiner Schule leitete. Dabei war gleich ein Wechsel nach Walsdorf oder Steinfischbach ins Auge gefaßt worden. (Vergl. Deißmann/Buck: Gesch. des Benediktinerklosters und Freifleckens Walsdorf S. 187 f.) Die Pfarrstelle versah er bis zum Jahre 1683. Der letzte Eintrag von seiner Hand erfolgt am 11.9.1683. Das genaue Sterbedatum Georg Christian Rügers ist nicht zu ermitteln, weil die Sterberegister von 1674 bis 1705 fehlen. Es liegt wohl zwischen Weihnachten 1683 und Ostern 1684, denn am 2. Weihnachtstag erscheint Anna Elisabeth Rüger, des Pfarrers Ehefrau, unter den Abendmahlsgästen ohne Zusatz, Ostern 1684 dagegen als Witwe.
Georg Christian Rügers Nachfolger wurde sein Sohn Johann Bernhard. Nachseinen Angaben ist er am 2. Advent 1683 „zu der Pfarrei nach Walstorff kommen und … Feria divi Thomae (Fest des HI. Thomas, 28. Januar) allhier öffentlich zum Pfarrer introduciert worden“. Schon in früheren Jahren hatte er seinen Vater in Walsdorf vertreten. 1671 vollzog er erstmal eine Trauung hier.

Die Taufe

Der erste Eintrag stammte vom 5. Dezember 1646. In dem Zeitraum von 1647 bis 1699 wurden 535 Kinder getauft. In den Jahren 1647 bis 1659 betrug die durchschnittliche Jahrgangsstärke 6,4 Kinder, in den kommenden drei Jahrzehnten 10,4 und von 1699 14,0 Kinder. Getauft wurde an Sonntagen oder an kirchlichen Feiertagen in der Kirche, seltener auch in der Betstunde. Mußte ein Kind wegen Schwäche, was verhältnismäßig häufig vorkam, oder wegen kriegsbedingter Unsicherheiten im Hause getauft werden, so wird das jedesmal vermerkt.

Bis zum Oktober 1685 hatten alle Kinder drei Taufpaten. Jungen zwei männliche und einen weiblichen, die Mädchen umgekehrt. Jeder der gleichgeschlechlichen Taufpaten gab dem Kind einen Namensteil, so daß jedes Kind einen Doppelnamen erhielt. Das führte dazu, daß immer wieder die gleichen Namenskombinationen vorkommen. Offensichtlich wurde dieser Brauch streng gehandhabt, was sich aus folgendem Eintrag schließen läßt: „Anno 1678, den 11. Februar nahmittag umb vier Uhr Helena Katharina weiylandt Matthes Lehmann hinderlassene Wittib einen jungen Sohn zur Welt geboren, so den 17. Februar uff Dominica Invocavit getauft worden, Gevattern waren Matthäus Michel, Hans Philipp Zeigers Söhnlein, weil aber solches noch minderjährig (d.h. noch nicht konfirmiert, geb. 1671, H.L.), hats der Vatter vors Söhnlein gehoben, weils der Mutter umb den Nahmen zuthun gewesen, anstatt ihres verstorbenen Ehemanns“. Zwei Dinge sind an diesem Eintrag von Interesse. Einmal, daß die Mutter offensichtlich nicht einfach einen gewünschten Namen angeben konnte, und zum andern, daß die Paten schon damals das Kind aus der Taufe hoben.

Ab Oktober 1685 haben alle Kinder nur zwei Paten, seit 1690 gelegentlich wieder drei. Von den beiden Gevattern gab jeweils der gleichgeschlechtliche Pate dem Kind den Doppelnamen.

Ausnahmsweise wurden auch einmal vier Paten zugelassen, wie im Falle des Kuhhirten Bernhard Trink. Im Eintrag von Sonntag Rogate 1655 heißt es: „weil er als ein armer Mann darumb gebeten, ist auch das vierte zugelassen worden,“ was darauf schließen läßt, daß die Kinder ein Taufstück und zu bestimmten Festtagen Patengeschenke erhielten, wie das heute noch üblich ist.

Einmal gab es auch Schwierigkeiten aus religiösen Gründen. Unter dem Taufdatum vom 19.6.1648 findet sich folgender Eintrag: „dießen Sohn hat er, Thönges Alcken wollen zu Camberg taufen lassen, deswegen er auch drei Papisten zu Gevattern gehabt, ist ihm aber vom damaligen Pastor abgeschlagen worden und wieder naher Walsdorf, weil das Kind daselbst gebohren, gewiesen worden. Und obwohl der Pfarrer zu Walsdorf nicht alle drey papistischen Gevattern uff einmal hat zulassen wollen, sondern sich dessen geweigert hat, hat er doch, Thönges, weil er sie allbereit gebeten, daß sie möchten zugelassen werden, damit weder er noch auch die Gevattern Schimpf davon haben möchten, ist ihm also zugelassen worden.“ Da Thönges Alcke mindestens bis 1661 in Walsdorf war, -am 22. September wird ihm das sechste Kind getauft – weder er noch seine Frau aber unter den Abendmahlsgästen erscheinen, ist mit Sicherheit anzunehmen, daß beide katholisch waren. Bei den fünf folgenden Kindern waren die Taufpaten fast ausschließlich aus Walsdorf. Unter ihnen waren auch die Frau des Pfarrers und die Tochterdes Superintendenten von Idstein, was darauf schließen läßt, daß die religiösen Gegensätze nach dem Dreißigjährigen Krieg nicht unüberbrückbar waren.

Konfirmation

Die Konfirmationen fanden fast ausnahmslos zu Pfingsten statt. Konfirmiert wurde am Sonntag Exaudi (letzter Sonntag vor Pfingsten) oder am Pfingstsonntag. Die Konfirmanden gingen dann entweder am Pfingstsonntag oder bei der Konfirmation am Pfingstsonntag am Pfingstmontag zum Abendmahl. Das Konfirmationsalter war im allgemeinen niedriger als heute. Meist waren die Konfirmanden zwischen 10 und 12 Jahren alt. Einmal wurde ein Mädchen auch schon mit 9 Jahren konfirmiert. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, daß in mehreren Fällen unter den Konfirmanden auch Kinder von auswärts waren, die als dienend bei Walsdorfer Bürgern bezeichnet wurden. Es handelt sich um Mädchen – zwei von ihnen kamen aus den Taunusdörfern Mauloff und Finstemthal -,die sicherlich als Kindermädchen eingestellt waren und daneben auch zu leichteren Arbeiten in Haus, Hof und Feld herangezogen wurden, wie das auf dem Lande in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts noch selbstverständlich war.

Konfirmationen fanden nicht jährlich statt. In den 53 Jahren von 1647 bis 1699 wurden 31 mal Kinder konfirmiert. 1652 gab es in Walsdorf erstmals nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges wieder drei Konfirmanden; 1653 waren es zwei. Wenn zwei Jahrgänge zusammengefaßt wurden, waren die Konfirmanden manchmal auch 13 oder 14 Jahre alt. Insgesamt erreichten ungefähr zwei Drittel der Neugeborenen das Konfirmationsafter.

Heiraten

Im genannten Zeitraum wurden in Walsdorf 107 Ehen geschlossen. 14mal wurden zwei Nicht-Walsdorfer getraut, die auch hier nicht dauernd seßhaft wurden, und neunmal heiratete eine hiesige Person nach auswärts. Von den 168 verbleibenden Brautleuten stammten je 22 Männer und 22 Frauen von auswärts. Der Anteil der Auswärtigen betrug demnach etwa ein Viertel.

Bis 1682 wird im Heiratsregister neben dem Datum meist auch der Wochentag der Trauung angegeben. Danach fanden fast alle Trauungen an Dienstagen statt. Das geht wahrscheinlich auf die jüdische Tradition zurück, daß der Dienstag deswegen als Tag der Eheschließung gewählt wurde, weil im Schöpfungsbericht beim dritten Schöpfungstag als einzigem Schöpfungstag zweimal die Wendung vorkommt „Und Gott sah, daß es gut war.“ (s. 1. Buch Mose Kap.1, V.9-13) Darin sah man offensichtlich ein gutes Omen für die Brautleute.

In einem Fall, in dem sich die Brautleute vor der Eheschließung „ohngebührlich zusammen gethan und fleischlich vermischt“ hatten, wird berichtet, daß sie in der Betstunde „ohne schapell und Krantz“ zusammengeben wurden. Unter Schappel ist eine mit Flittern versehene Brautkrone zu verstehen. Die öffentliche Kirchenbuße war ihnen erlassen worden. Insgesamt wird von drei Fällen berichtet, in denen das voreheleiche Verhalten der Brautleute von der Kirche mißbilligt wurde.

Abendmahl

1647, als Pfarrer Henckel nach Walsdorf kam, war nach seinen Angaben die „privat Beicht … nicht in der Kirche daselbsten gebräuchlich gewesen, sondern die Leute haben sich nur um den Altar angezeigt.“ Er hat es deswegen auch für unnötig gehalten, die Zahl der Abendmahlsgäste festzuhalten. Ab 1650 bis 1687 werden die Teilnehmer an Beichte und Abendmahl namentlich festgehalten. Aus einem Eintrag im Sterberegister vom 13.8.1659 geht hervor, daß am Abend vor dem Abendmahl die Beichte abgehalten wurde. Dort heißt es: „Uff Sambstag bie der Beicht Merten Heelers verstorbenes Töchterleichn, so durchs Feuer sich verderbt und fast drei Wochen lang große Schmerzen ausgestanden, … christlich und ehrlich zur erden bestattet.“

Beichte und Abendmahl wurden an Ostern, Pfingsten, ein- oder zweimal in der Zeit nach Trititatis und an Weihnachten gehalten. Neben den Walsdorfern nahmen fast regelmäßig auch evangelische Christen aus dem Goldenen Grund teil.

Erwähnenswert erscheinen mir noch zwei Einträge. Unterm zweiten Sonntag nach Trinitatis 1650 ist verzeichnet: „Sind von den Schwedischen im Camberger Grund logierenden Soldaten, darunter Cornet, Quartiermeister, Feldscherer und gemeine Soldaten, an der Zahl 57 Personen, zum Heiligen Abendmahl gangen.“ 1650 war immerhin schon das zweite Jahr nach dem Frieden von Münster und Osnabrück, und Schweden waren noch Im Land.

Ostern 1654 berichtet der Pfarrer von einem von auswärts stammenden Bürger: „Ist dieses das erste mahl, nachdem er zuvor in 20 Jahren nicht zum Heiligen Abendmahl gangen. Habe beides mitt guten und ernsten Wortten ihn dazu bewegt.“ Danach wird der Betreffende noch mehrfach unter den Abendmahlsgästen erwähnt. Im allgemeinen gingen die Erwachsenen zwei- bis dreimal im Jahr zum Abendmahl.

Beerdigungen

Verstorbene wurden nach einem oder zwei Tagen auf dem Friedhof bei der Kirche beerdigt. Erfolgte die Beerdigung an einem Mittwoch oder Sonntag, wurde das ordentliche Evangelium für die Leichenpredigt gewählt und, wie der Parrer anläßlich der Beerdigung einer Tochterdes Schultheißen Hirtes vermerkt, der Situation „sovill appliciert (angepaßt), als man gekönnt.“ Sonst wird der Leichentext häufig in bezug auf die Person oder die Umstände ausgewählt. Charakteristische Beispiele sind die Texte bei der Beerdigung des alten Schultheißen Mey und von 2 Bürgern, die nach dem Genuß von Branntwein unter nicht ganz geklärten Umständen gestorben waren: 4. Buch Mose, Kap. 27, V.16 bzw. Luk. 13, V.2 und 3 und Matth. 24, V. 42 -44.

Von zwei Fällen wird berichtet, daß vornehme Personen in den Jahren 1648 und 1649 in der Klosterkirche beerdigt wurden. Es handelte sich um die Witwe des Nassauisch-Katzenellenbogischen Amtmanns zu Camberg und den Cornet Ulrich Deniken, der auf dem Rückweg von Koblenz, wo er bei seinem früheren Quartierwirt Pate gestanden hatte, so unglücklich vom Pferde stürzte, daß er kurz darauf verstarb.

Zwei Einträge sollen noch wiedergegeben werden, weil sie, obwohl in ihrer Art sehr verschieden, dennoch charakteristisch sind für ihre Zeit. „Anno 1649 … ist … ein Söhnlein, weiches todt zur Weft kommen, begraben worden, doch ohne zuthun des Pfarrers, welches wir dann dem Herrn befohlen haben, weil es auch von christlichen Eltern mit ernstlichem gläubigem Gebet Gott fürgetragen und befohlen worden, wollen wir an seiner Seligkeit keinen zweifel tragen.“

„Anno 1670, den 28. April ein fremder Mann …, bürtig von Büdingen aus der Grafschaft Isenburg zu Würges im Herrn entschlafen, weil er aber unserer Evangelischen Religion zugetahn und dabey selig verschieden, haben ihn Würgeser nicht begraben wollen, sondern uns naher Walsdorf geliefert, worauf er den 29. April christlich und ehrlich zur Erden bestattet und ein christlich Leichensermon e suggestu (von der Kanzel) gehalten.“

Die religiösen Verhältnisse Im Dorf

Walsdorf war überwiegend evangelisch. Es war aber nicht, wie man sich das vielleicht so relativ kurz nach der Einführung der Reformation in der Grafschaft Nassau-Idstein vorstellt, rein evangelisch. Es gab in der gesamten Zeit immer einige Katholiken, Papisten, wie sie der Pfarrer in seinen Einträgen bezeichnet. Das Zusammenleben scheint im allgemeinen ziemlich reibungslos erfolgt zu sein. Ein Fall, in dem jedoch etwas von den latent vorhandenen Spannungen spürbar wird, soll dokumentiert werden. Im Oktober 1694 heiratet eine katholische Oberselterserin einen Walsdorfer Bürger, mit dem sie in der Betstunde evangelisch getraut wird. Sie bleibt allem Anschein nach katholisch, denn der Pfarrer vermerkt beim Sterbeeintrag ausdrücklich: „Sie war zwar der römisch-katholischen Religion zugethan, hat aber in ihrer Krankeit keinen papistischen Priestersehen noch hören wollen; ist auch als eine christliche evangelische Christin auf ihren gekreuzigten Jesum lediglich und allein verstorben, nachdem ich sie in zwei Tagen viermal besucht und nur auf Jesum geführt und gewiesen.“

Quelle: 1. Walsdorfer Kirchenbuch

Helmuth Leichtfuß

Verantwortlich:
G. Buck