Trinkwasser – Unser Lebensmittel Nr. 1 (Teil 3)
Schadstoffe im Trinkwasser
Nachdem ich in unseren letzten Bürgerbriefausgaben auf allgemeine Fragen in Zusammenhang mit unserem Trinkwasser eingegangen bin, möchte ich heute wie angekündigt den Schwerpunkt mehr auf Fragen der bedenklichen Beifracht legen.
Nach der DIN-Norm 2000 sollen Trinkwässer farblos, klar, kühl und frei von fremdartigem Geruch und Geschmack sein. Es soll möglichst von Natur aus frei von Krankheitserregern und gesundheitsschädigenden Stoffen sein. Die geforderte Geruchsfreiheit kann aber nicht immer gewährleistet werden, gleichzeitig können farblose und geruchsneutrale Bestandteile sehr wohl gefährlich sein!
So ist das z.T. aus hygienischer Notwendigkeit bestimmte Zudosieren von Chlor aber nicht nur aus Geruchsgründen umstritten- Gewichtige Schadstoffe sind sogar weder von ihrem Geruch noch von evtl. auftretenden Verfärbungen her zu erkennen. Als relativ gefährlich eingestuft werden muß dabei ein für das Pflanzenwachstum unabkömmlicher Stoff: das Nitrat.
In den Körper aufgenommenes Nitrat kann im Magen-/Darmkanal durch Bakterientätigkeit zu giftigem Nitrit verändert werden und so vor allem bei Kleinkindern gefährliche Vergiftungen hervorrufen. Dies ist aber leider nicht alles, um es als gefährlich zu klassifizieren. Nitrit kann seinerseits nun wiederum mit Eiweißbestandteilen zu den nun wirklich extrem unbekömmlichen, weil „Krebs“-erzeugenden Nitrosaminen weiterreagieren. Dies ist u.a. auch der Grund, weshalb man den relativ nitratreichen Spinat nie wieder aufwärmen sollte!
(Bedenken Sie die Verwendung des Wortes: -kann“!!!)
Neben natürlichen Einträgen gelangt der überwiegende Anteil des Nitrats durch Düngung in das Grundwasser. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob es sich dabei um eine mineralische oder eine organische Düngung handelt. D.h., Kunstdünger erhöhen ebenso wie auch z.B. Kompost den Nitratgehalt des Bodens.
Man sollte also darauf verzichten, Gemüse direkt auf dem Komposthaufen im Garten aufzuziehen, denn es reichern sich bei dieser Methode zu hohe Mengen an Nitraten in den Lebensmitteln an. Lassen Sie sich nicht von dem überaus „gesunden“ Größenwachstum fehlleiten! Gülle stellt dabei einen noch konzentrierteren Nitratspender dar.
Der Gesetzgeber hat daher bereits in der Vergangenheit fortlaufend den gesundheitlich vertretbaren Grenzwert für Nitrat im Wasser festgelegt, zum Teil aber widersprüchlich und nicht in Übereinstimmung mit internationalen Regelungen.
Nitrat-Grenzwerte:
1976 wurde durch die Trinkwasserverordnung der seit 1945 gültige Nitratgrenzwert von 40 mg/l auf 90 mg/l hochgesetzt!
1979 empfiehlt die Trinkwasserkommission des Bundesgesundheitsamtes dringend, den Wert auf 50 mg/l aus gesundheitlichen Gründen herabzusetzen.
1980 beschließt die EG, daß die Nitratkonzentration in der Regel nicht 25 mg/l überschreiten sollte. Neben diesem sogenannten „Richtwert“ sollen 50 mg/l die Höchstgrenze darstellen.
1982 war der letzte Termin, bis zu dem alle EG-Mitglieder diese Werte in nationale Gesetze übernehmen müssen.
1986 legt die Bundesrepublik den Grenzwert für Nitrat im Trinkwasser auf 50 mg/l fest. Dieser Wert hat auch heute seine Gültigkeit und zwingt schon Wasserwerke, z.B. in Rheinhessen, ihr eigenproduziertes Trinkwasser mit „sauberem“ Fremdwasser auf diese magische Zahl zu verdünnen.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt dagegen einen Richtwert von nur 10 mg/l.
Soviel zu einem weder sichtbaren noch schmeckbaren, auch in unserem Trinkwasser mit ca. 10 mg/l (nach langfristig wiederholten eigenen Messungen) vorhandenen Stoff.
Daneben dürfen aber auch „harte“ Gifte, jedem Agathe C.-Freund bestens bekannt, wie z.B. Arsen oder Cyanid, ohne polizeiliche Ermittlungsarbeit aufzuwerfen, in jedem Trinkwasser zu finden sein! Es kommt halt nur auf den Grenzwert an!! Dies formulierte mit anderen Worten schon Paracelsus (1494 – 1541), indem er den Begriff der „Dosis“ erkannte und in der Medizin einführte. Demnach kann etwas in geringer Menge aufgenommen für den Körper gesundheitsfördernd oder zumindest -neutral sein, in großer Menge dagegen Giftwirkung haben. „Menge“ bedeutet dabei die Masse des Stoffs, bezogen auf das Körpergewicht und auch auf die Zeitdauer, in dem diese Menge eingenommen wird. Für akute Cyanidvergiftungen wird von einer tödlichen Dosis von 1 mg/kg Körpergewicht ausgegangen!
Grenzwerte für chem. Stoffe laut Trinkwasserverordnung:
Arsen | 0,04 mg/l | 1 mg/l entspricht der Einheit: |
Blei | 0,04 mg/l | ppm = parts per million |
Cadmium | 0,005 mg/l | |
Quecksilber | 0,001 mg/l | |
Chrom | 0,05 mg/l | |
Cyanid | 0,05 mg/l | |
Fluorid | 1,50 mg/l | |
Nitrat | 50,00 mg/l | |
Nitrit | 0,10 mg/l |
Wasserschutzgebiete stellen heute eine Möglichkeit dar, in Bereichen von Trinkwassergewinnungsanlagen negative Einträge weitgehend einzuengen.
Wasserschutzzone I:
Ausschluß jeder anderen Nutzung außer Trinkwassergewinnung. Landfläche im Eigentum des Wasserwerkes.
Schutzzone II:
Keine (neue) Bebauung, insbesondere nicht mit Gewerbebetrieben, Bauernhöfen, Stallungen, Futtersilos, Baustellen, Straßen, Campingplätzen, Friedhöfen, Kiesgruben. Keine sonstigen Eingriffe, die Deckschichten verletzen oder abtragen. Keine Lagerung oder Transport trinkwassergefährdender Stoffe.
Schutzzone III:
Im Bereich von 2 km keine das Grundwasser gefährdenden Deponien, Tankstellen, Rangierbahnhöfe, Chemiebetriebe, Wohnsiedlungen, Einleiten von Abwasser und Kühlwasser.
Die Einschränkungen in Schutzzone III gelten auch in II, diese von Schutzzone II auch in I. Erwerbsmindernde Beschränkungen, z.B. durch Verwendungsverbote von Düngern und Pflanzenschutzmitteln, sind den Grundbesitzern durch die Wassergewinnungsbetriebe zu erstatten. Eine Umverteilung dieser Kosten auf den Endverbraucher mittels Wasserpreisgestaltung ist sicherlich nachzuempfinden.
Um zur Ausgangsüberlegung zurückzukommen: Qualität würdigen wir im allgemeinen mit einem entsprechenden Preis! Dieser Zusammenhang ist uns in allen Bereichen alltäglich, und wir bezahlen den Aufpreis mehr oder weniger gerne, wohlwissend, daß höhere Qualität auch höheren Arbeitsaufwand bedeutet. Neu für manchen wird wohl lediglich der Gedanke sein, daß unser Wasser als Lebensmittel heute schon und erst recht in der nahen Zukunft unter die gleichen Bewertungskriterien zu stellen sein wird, wie sie für alle anderen Nahrungsmittel auch gelten. Nicht daß Sie mich mißverstehen, auch ich wünsche mir einen Wasserpreis, der sich an den Gewinnungs- und Bereitstellungs- und Entsorgungskosten orientiert, ich befürchte aber, daß ein wirklich sparsamer Umgang nur über ein neues „Wert“-Bewußtsein mitgetragen werden kann.
Manfred Wetzel
Bericht über die Sitzung des Ortsbeirats Walsdorf am 16.12.1991
Zuerst gab Herr Forstamtmann Bördner einen ausführlichen Bericht über das Forstwirtschaftsjahr 1990/91 (01.10.90 – 30.09.91).
Dieses Jahr war noch in starkem Maße gekennzeichnet durch die Aufarbeitung der Folgen des Windwurfes vom 28.02. – 01.03.90. Das meiste dadurch angefallene Holz ist inzwischen verkauft und abgefahren. Weitere Einzelheiten über den ausführlichen Bericht des Försters folgen in einem gesonderten Beitrag im nächsten Bürgerbrief.
Weiterer Tagesordnungspunkt war der Bericht des Ortsvorstehers Felix Hartmann:
- Der Große Garten soll aus der Kategorie „Grabegärten“ in diejenige der „Dauerkleingärten“ (Freizeitgärten) überführt werden. Damit ist die Möglichkeit gegeben, „illegale Kleinbauten im Außenbereich“ zu legalisieren.
- Die SPD-Fraktion Idstein hat einen Antrag vorgelegt zur Änderung der Vorfahrtsregelung eingangs Wörsdorf (von Walsdorf aus gesehen). Die SPD schlägt vor, die dort einmündende Landstraße von/nach Wallrabenstein zur Vorfahrtstraße zu erklären. Absicht: Verkehrsberuhigung. Dies ist keine Entscheidung, mit der der Walsdorfer Ortsbeirat befaßt ist. Jedoch werden die Interessen zahlreicher Walsdorfer Mitbürger berührt.
- Der Magistrat der Stadt Idstein teilt mit, daß die Walsdorfer Bücherei bis zum Beginn der Umbaumaßnahmen des Dorfgemeinschaftshauses weiterhin benutzt werden kann.
(Öffnungszeiten: dienstags und donnerstags 17.00 bis 18.00 Uhr.) - Der Ausbau der Zollgasse zum Fahrradweg hat sich bisher verzögert, weil die von der Naturschutzbehörde geforderte Neuanpflanzung von Bäumen – als Ausgleichsmaßnahme für die Befestigung des Weges – mit den verschiedenen Grundstückseigentümern noch nicht geregelt werden konnte. Es wird jetzt angestrebt, die Neuanpflanzung auf einer Ersatzfläche beim Friedhof vorzunehmen. Das Straßenbauamt beantragt die Genehmigung dafür, für 1992 ist damit zu rechnen.
- Den Mitgliedern des Ortsbeirats wurden die Leitlinien für die Verkehrsplanung in Idstein ausgehändigt.
- Der Ortsvorsteher berichtete sehr positiv über die gelungene vorweihnachtliche Seniorenfeier in Walsdorf, kritisierte aber, daß kein Vertreter der Kirche gekommen war.
In weiteren Tagesordnungspunkten wurde die geänderte Satzung über die Erhebung einer Spielapparatesteuer der Stadt Idstein bekanntgegeben (jetzt 200 DM pro Apparat und Monat), und es wurde nochmals über das am Brunnenplatz an der Durchgangsstraße geplante Buswartehäuschen (Erstellung in Naturholz) gesprochen.
Zum wiederholten Male kamen auch die von den Besuchern des Cafés „Chaos“ ausgehenden Störungen und Ärgernisse zur Sprache.
Isolde Buck
Aus dem Gemeindeleben im 17. Jahrhundert (Teil 2)
Ein „Bürgerbrief“ aus dem Jahre 1649
Johannes Ebert Ochs aus Walsdorf wollte im Jahre 1649 „in des H. Reichs hochlöbliche Statt Frankfurth am Main sich begeben und daselbst bürgerliche Wohnung aufrichten.“ Auf Antrag seines Vaters stellten ihm Schultheiß, Bürgermeister und verordnete Schöffen des Gerichts des freien Fleckens Walsdorf ein gesiegeltes Schriftstück über seine Herkunft aus, das für die Übersiedlung in die freie Reichsstadt Frankfurt erforderlich war. Übrigens sind nicht viel später auch seine beiden Schwestern Dorothea und Maria nach Frankfurt verzogen, die in Walsdorf als die Stifterinnen der Kanzel und der Kreuzigungsgruppe bekannt sind.
Der Brief ist, wie es für den Barock üblich ist, in einem arabesken Stil abgefaßt und lautet (in moderner Rechtschreibung) wie folgt: „Wir, Schultheiß, Bürgermeister und verordnete Schöffen des Gerichts des freien Fleckens Walsdorf in der Herrschaft Idstein, … bekennen mit diesem Brief gegen jedermann, … daß dieser Johannes Ebert Ochs von aufrichtigen, ehrlichen, frommen und redlichen Eltern … geboren und daß Johannes Ochs und Katharina, seine ehrliche Mutter, aber in Gott ruhende Hausfrau, als zwei ledige Personen sich christlichem Brauch nach aufrichtiger Weise ehrlich zusammen verlobt, hernach er, Johannes Ochs als ein lediger Gesell, und sie, Katharina seine eheliche Hausfrau als eine tugendsame züchtige Jungfrau in unserer christlichen Versammlung in löblicher Zierde des Kranzes und der Bänder öffentlich … und ehrlich vertrauen lassen, welche beide Eheleute ihre bürgerliche Wohnung alsbald in unserem freien Flecken Walsdorf aufgerichtet und in solcher ihrer ehelichen Beisammenwohnung diesen ihren Sohn Johannes Ebert Ochsen aus rechtem unbefleckten Ehebett ehrlich erzeugt und in der Furcht Gottes von Jugend auf mit besonderem Fleiß auferzogen und zu allen Tugenden angewiesen, welcher Sohn dann die Zeit sich allhier aufgehalten wie gleichfalls seine beiden Eltern vor und in ihrem währenden Ehestand sich gegen uns und sonst jedermann in ihrem Leben und Wandel also verhalten, daß wir und jedermann denselben nichts Vorweißliches, viel mehr aber alle Ehre und Gutes mit Wahrheit wohl nachsagen und schreiben können. Neben diesem allem, so zeugen wir auch ferner, daß dieses Briefes Vorzeiger Johannes Ebert Ochs, weil er in unserem freien Flecken Walsdorf geboren, eine freizügige Person sei, und in Kraft deswegen habender gräflicher Privilegien seiner Leibeigenschaft befreit, und deswegen außer seinem Vaterland unter gemeldeter Obrigkeit seines Gefallens …sich häuslich niederzulassen durchaus befugt ist …
Gegeben in dem freien Flecken Walsdorf den 29 Januar im Jahr nach Christi Geburt Tausend sechshundert vierzig und neun.“
Auch von Johann Caspar Hirtes, dem ältesten Sohn des Schultheißen Johann Andreas Hirtes, wissen wir, daß ihm ein sog. Dimissionsbrief von der Gemeinde ausgestellt worden war, als er Wormser Bürger werden wollte.
Hehnuth Leichtfuß
Aus der Fotosammlung
Konfirmation 1919
Ist es nicht köstlich, das Bild des Jahrgangs 1905 – auch als Kostprobe aus unserer Fotosammlung?
Die festlich bekränzten Konfirmandinnen und die festlich „behüteten“ Konfirmanden lassen erkennen, wie bedeutend der Tag der Einsegnung war.
Die Namen der Konfirmanden sind v.l.:
Gustav Scheurer (vorn), dahinter (Name unbekannt), Emil Lehmann, Eugen Scheid, Emil Wissig, Willi Hankammer, Otto Schauß, Otto Baum II., Robert Menzel, dann (Name unbekannt), Theodor Lehmann, Emil Schwarz, August Heinelt.
Die Namen der Konfirmandinnen sind v.l.:
Lina Ries, Hermine Thiel, Elise Baum, Elise Zeiger, Emmi Zeiger (Bruderbergstraße), Minna Schmidt, Emma Bind, Anni Jacob, Henriette Lehmann, Elise Hohl, Emma Seyberth, Emmi Zeiger (Untergasse), Elise Gros.
Zwei davon leben noch heute.
Ein Jahr intensiven Konfirmandenunterrichts mit Bibel/Testament, Katechismus und Gesangbuch war absolviert, die Prüfung durch den Pfarrer vor der Gemeinde, wie üblich etwa 2 Wochen vorher, abgenommen worden, und nun präsentieren sich die jungen Leute als neue Mitglieder der christlichen Erwachsenen-Gemeinde.
Wie lange schon hatte man den Tag als Festereignis vorbereitet. Nun wurde in den Elternhäusern zusammen mit Paten, Verwandten und Bekannten gefeiert. Bis 1938 schmückte jeweils ein Tannenbäumchen den Hauseingang. Viele Kuchen hatte man gebacken. Man brauchte sie nicht allein für die Festgesellschaft, sondern zusätzlich zum Verschicken an Nachbarn und Freunde. Die nicht geladen waren, freuten sich auf den guten Streusel- und Schüsselkuchen, der von den Kindern ausgetragen wurde. Um den Festbraten und die Würstchen sicherzustellen, hatte man meist frisch geschlachtet. Als Vorsuppe gab es oft – das weiß ich von meiner eigenen Konfirmation – Lammbrühe von Ziegenlämmchen bereitet. Das war eine fein abgeschmeckte Brühe mit Lammfleischeinlage, abgezogen mit Eigelb und Wein.
Während die Erwachsenen Wein tranken, bekamen die Kinder „Maiwein“, ein Kindergetränk mit Waldmeistergeschmack. Den Waldmeister nennt man hier Maikraut. Es wurde im Mühlwald und im Helkober Wald gepflückt, wo es auch heute noch an vielen Stellen anzutreffen ist. Am Abend des Festtages kam dann meist sehr heitere Stimmung auf. Viele Volkslieder, eins schöner als das andere, wurden angestimmt und gemeinsam gesungen.
Zu der Kleidung der Konfirmanden wäre zu sagen, daß die Mädchen zur Vorstellung ein farbiges Kleid trugen, ansonsten war die Kleidung festlich schwarz.
Den Konfirmandenspruch (ein Bibelwort), den der Pfarrer für jeden ausgesucht hatte und den er bei der Einsegnung unter Glockenläuten verlas, hat man sein Leben lang nicht vergessen.
Auch das Konfirmandenlied sollten wir noch erwähnen, das alljährlich fleißig einstudiert wurde. Ein besonders bekanntes und oft verwendetes Lied begann wie folgt:
„In Gottes Namen fang‘ ich an, was mir zu tun gebühret,
mit Gott wird alles wohlgetan und glücklich ausgeführet ……..“
Amanda Grabosch
Was sonst noch Im 17. Jahrhundert geschah
Einwohnerlisten und rechtliche Regelungen zeigten in den letzten Bürgerbriefen eine Seite des Lebens – Gerichtsprotokolle mit Übertretungen und Streit sollen eine andere verdeutlichen. Viele andere Seiten bleiben uns leider unbekannt. Gute Taten wurden selten notiert, Streitfälle und ihre Schlichtung oder Bestrafung dagegen sehr häufig. Die Protokolle des Oberamts Idstein, das auch als Gericht fungierte, bieten dazu reichhaltigen Stoff.
150 Stück Rindvieh und ein kleines Mädchen
So unglaublich es klingt: Walsdorfs Bauern hatten im Sommer des Jahres 1653 schon wieder 150 Kühe und damit zuviel Arbeit für Bernhard, den Kuhhirten. So wurde er mit Schultheiß und Bürgermeister einig übereinen Nebenhirten. Falls aber jemand käme, der nicht stark genug wäre, dürfe er ihn abweisen.
Bernhard staunte nicht schlecht, als bald darauf der Schäfer sein Mädchen schickte, „welches gar klein gewesen“ (wie Bernhard sich beklagte). Mit ihm wagte er seine Verantwortung nicht zu teilen, weshalb er es wieder heimschickte. Doch das Mädchen wollte sich den Verdienst nicht entgehen lassen und weigerte sich. Als es aber nach einigem Wortwechsel schließlich doch ging, hat es zum Abschied „den Rock ufgehoben und ihm – salv. honor. (Entschuldigung) den Hindern gewiesen“. Der erboste Kuhhirte hatte gerade eine kleine Rute in der Hand und schlug ihm auf den Arm.
Das Mädchen rannte zu seinem Vater, der sofort zum Kuhhirten lief, ihn „blutrünstig“ schlug und ihn auf die Erde warf, so daß er anschließend den Arm nicht mehr bewegen konnte. Zum Abschied trat er ihn noch. – Die Strafe: 4 1/2 Gulden für den Kuhhirten (allerdings ermäßigt nach Bitten auf 3) und 3 für den Schäfer.
Unklare Lokalmaße: Der Sester
Das rechte Maß zu finden, ist nicht nur bei Streitfällen schwierig. Auch der Historiker tut sich dabei schwer, jetzt aber im Sinne von „messen“. Aber auch unseren Vorfahren fiel der Umgang mit den außerordentlich zahlreichen Lokalmaßen nicht leicht.
Um ganz sicher zu gehen, hatte der Pächter des Walsdorfer Klosterhofes Franz Kaleborn zum Messen des Getreides in Frankfurt einen Sester gekauft. 2mal gefüllt ergab er einen Simmer, 24mal einen Malter. Mehrmals hatte er mit seinem alten Simmer nachgeprüft, ob alter und neuer Inhalt übereinstimmten; das Gewicht spielte keine Rolle. Da er den Eindruck hatte, der Sester sei eher zu klein als zu groß, benutzte er ihn viele 100mal, weil das für die Berechnung von Abgaben für die anliefernden Bauern günstig war.
Doch 1651 gab es großen Ärger. Das Gerät wurde vom Walsdorfer Schultheißen Philipp Mey ausgeliehen, als er in Würges und Erbach eine besondere Abgabe, den Hubweizen, für seine idsteinische Herrschaft einsammeln mußte. Die zur Lieferung verpflichteten Bauern hielten das Maß aus dem Ausland, das Walsdorf für sie war, für zu groß, gerieten darüber mit ihren eigenen Schultheißen in Streit und wurden von ihrer Obrigkeit in Camberg bestraft.
Darauf baten die Würgeser und Erbacher Schultheiß Mey um Hife. Aber die Verhandlung bei dessen Obrigkeit in Idstein kam 1653 zu keinem Ergebnis, da inzwischen die Pferde dem Franz Kaleborn im Stall den Sester zertreten hatten. Aber auch wenn er noch heil gewesen wäre, hätte das wenig gebracht: Einheitlichkeit kam erst im Laufe des 19. Jahrhunderts.
Die Teufelbraut
Nur etwas mehr als 20 Familien wohnten 1651 in Walsdorf, von denen viele verwandt waren, was aber friedliches Zusammenleben keineswegs garantierte. Wilhelm Weyland war schon des öfteren etwas entwendet worden. Als er eines Tages in seiner Scheune die Frau von Adam Rübenstein antraf, hielt er sie für die gesuchte Diebin, obwohl es die Schwester seiner Frau war. Der angestaute Ärger entlud sich in dem Satz: „Du Teufelsbraut, schere dich heim!“ Hinterher tat es ihm leid, da er ihr keine Unehrlichkeiten nachsagen konnte. Als sie diese Beleidigung ihren Verwandten erzählte, forderten diese sofort den Schultheißen auf, bei der Obrigkeit gegen Weyland Klage zu erheben. Ihre Kinder erzählten diesen Vorfall im Flecken weiter, und der Pfarrer sah sich veranlaßt, zwischen Schwager und Schwägerin zu vermitteln. Nun mußte der Schultheiß nach anfänglichem Zögern in Idstein wegen des Ausdrucks „Teufelsbraut“ doch Anzeige erstatten, was dem Weyland eine Geldstrafe von 3 Gulden einbrachte. Rübensteins Frau wurde auferlegt, nicht mehr „unbegrüßt“ in Schwager Wilhelms Scheune zu gehen. Eine höhere Strafe war nicht möglich, nannte doch sogar Idsteins Pfarrer Gleyperger diejenigen, die bei ihm während der Predigt einschliefen, „Hexen und Teufelsbraut“.
Das Wort „Hexe“ war beim Schimpfen damals sehr beliebt. Aber die Anzeige folgte auf dem Fuße. Doch zu dieser Zeit wurden diese Ausdrückenur als Beleidigung ohne reellen Hintergrund betrachtet und führten noch nicht zur Todesstrafe für die Angegriffene wie im übernächsten Jahrzehnt.
Rätselhaftes Viehsterben
Adam Rübenstein lebte auch mit seinem Schwiegersohn Philipp Weißweck im Unfrieden. Als dem Philipp mehrere Stück Vieh starben, bezichtigte er seinen Schwiegervater, der Urheber des Sterbens gewesen zu sein und erzählte das im Flecken weiter. Möglicherweise konterte Adam und rief Philipp zu: „Der Stall soll dir leer genug werden.“
Daß an Vergiften nicht gedacht wurde, ist durch ähnliche Geschichten aus Nachbardörfern bekannt. Der Teufel sollte in solchen Fällen seine Hand im Spiel haben. Anderthalb Jahre dauerte das Gezänk. Dann stufte das Gericht Idstein 1651 auch dieses als „Schmähworte“ ein. Es hob die Beleidigungen auf, hieß Philipp dem Adam „eine christliche Abbitte tun und um Verzeihung bitten“ und forderte 3 Gulden Strafe. Da Philipp arm war, baten Pfarrer und Schultheiß erfolgreich, „daß er möchte der Strafe erlassen werden; sei sonst ein guter, frommer Tropf‘.
(Anm.: 1660 wurde Matthes Lehmann, der erste Träger dieses Namens in Walsdorf, Schwiegersohn von Adam Rübenstein)
Daniel Seyberth, der Lehrling des Teufels
Am 1. Mai 1658 traf sich die Zunft der Zimmerleute, Schreiner, Leiendecker (Schieferdecker) und Glaser zum ordentlichen Zunfttag beim Wirt Henrich Münster in Idstein neben dem Gasthaus „Zum Löwen“. Dabei ging es aber so unordentlich zu, daß allen Beteiligten der Abend noch lange in Erinnerung blieb.
Als das Essen beendet war und Philipp Straubelburger aus Idstein schon etwas getrunken hatte, kam bei diesem Schreiner einiger Ärger zum Ausbruch, der sich gegenüber dem Glaser Daniel Seyberth aus Walsdorf und dem Zimmermann Hans Michael Schmidt aus Steinfischbach angestaut hatte. Ihn ärgerte es, daß der Glaser sich in sein Schreinergeschäft mischte und durch qualitätsvolle Arbeit ihm Kunden fortnahm und „das Brot vorm Maul abschnitt“. Als er angeregt vom Wein Seyberth aufforderte, das Schreinern zu lassen, entgegnete dieser: „Ich habe mir nur einen Tisch gemacht, und alles andere war nur Flickwerk:“
Das war für Schreiner Straubelburger das Stichwort für erhebliche Beschuldigungen: „Dem Keller Hirtes hast du einen solchen Tisch gemacht, daß ein guter Meister lange daran zu tun gehabt hätte. Wer weiß, wer dir dabei geholfen hat? Ich habe gehört, daß du anderen gesagt haben sollst, der Teufel helfe dir. Du Hexenmeister, du arbeitest bestimmt mit dem Bösen. Der Teufel hat es dich gelehrt, und der Teufel wird dich auch noch holen.“ Bevor Daniel Seyberth auf diese Vorwürfe reagieren konnte, brach der nächste Streit aus, obwohl eigentlich eine Versöhnung zwischen Straubelburger und dem Zimmermann Schmidt aus Steinfischbach geplant war. Der Schreiner lieferte nicht den auferlegten Versöhnungstrunk, sondern stieß die Kanne mit dem seines Zunftgenossen um. Der schlug darauf dem Straubelburger diese Weinkanne auf den Kopf. Die übrige Zunft stand Schmidt bei und drosch, von ihm angestachelt, mit Stühlen und Bänken auf Straubelburger ein, der für drei Wochen gehunfähig war.
Für die Beschuldigungen wäre Daniel Seyberth (den alle Seyberths als Ahnherren haben) 18 Jahre später vor dem Hexentribunal in Idstein gelandet. 1658 jedoch wurde er von allen Beteiligten am mildesten bestraft: er mußte, weil er „sich fremden Handwerks angemaßt, gnädigster Herrschaft 1 Gulden und der Zunft 1 Gulden zur Straf erlegen“. Jetzt wurden Straubelburgers Behauptungen nur als „harte und ehrrührige Worte“ angesehen. Die Strafe für ihn: 17 1/2 Gulden. „Nach Publikation dieses Bescheids haben allerseits anwesende Parten (Parteien) einander die Händ gegeben und einander verziehen.“
Das viele Seiten lange Protokoll des mehrere Tage währenden Verhörs mutet uns im nachhinein wegen einiger beteiligter Personen etwas eigenartig an. Der Nachbar und Zeuge Balthasar Moses mit einer Tochter sowie die Witwen des anwesenden Glasers Johann Zahn und des Zeugen Joh. Paul Weiland (beide Idstein) wurden Opfer der Hexenverfolgung.
Quelle:
HStAW 133 IX Amtsprotokolle
Gerhard Buck
Übrigens… Wer kennt noch mi su Ausdrick?
Motze
Bedeutung: Ein kurzes Kleidungsstück, eine Art Bluse, das von Frauen auf dem Lande zu einem Rock getragen wurde.
In der Generation meiner Großmutter wurden Rock und Motze noch regelmäßig getragen. In dem Maße, in dem sich die Mode änderte und anstelle von Rock und Motze Kleider getragen wurden, verlor sich, wie immer, mit der Sache auch das Wort.
(Grimmsches Wörterbuch Bd. 12, Spalte 2603 bzw. 2837)
Selwin, Selbin, Selbenn
Mit dem Wort wird eine natürliche Stoffkante bezeichnet, die nicht ausfranst und deshalb nicht gesäumt werden muß. Das Wort war bereits im Mittelhochdeutschen bekannt. Im Grimmschen Wörterbuch wird angegeben, in Nassau sei Selbenn gebräuchlich. Ich habe es von meiner Mutter aber nur als Selwin kennengelernt und bin nur über den Schluß, daß es sich bei dem w in der Wortmitte vielleicht um ein ursprünglich stimmhaftes b gehandelt habe, zu Selbende gekommen, wie das Stichwort im Grimm heißt. Es handelt sich wohl um die gleiche Erscheinung wie bei Nebel, mundartlich Newel, oder dem früheren Walsdorfer Familienname Hedwig, der auch als Hebig, später als Hewig und erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Hedwig erscheint.
(Grimmsches Wörterbuch Bd. 16, Spalte 430)
Wamschen, verwamschen, wamsen
Möglicherweise geht das Wort auf die Redensart zurück: jemanden den Wams ausklopfen.
(Grimmsches Wörterbuch Bd. 27, Spalte 1467)
Minsekalb
Im Sommer vorigen Jahres wurde ich von einem Walsdorfer Bauern gefragt, ob ich wisse, wo das Wort Minsekalb = weibliches Kalb herkomme. Seine Frau hatte in einem Telefongespräch mit einem Verkäufer aus dem Hochtaunus das Wort gebraucht und war nicht verstanden worden. Da stutzte sie zum erstenmal über ein hier in Walsdorf durchaus geläufiges Wort und fragte nach seiner Herkunft.
Die Erklärung ist einfach. In der Dialektform „Minse“ steckt das Wort Munze, eines von zahlreichen Wörtern zur Bezeichnung des weiblichen Geschlechtsteils.
(Grimmsches Wörterbuch Bd. 12, Spalte 2706)
Helmuth Leichtfuß
Aktivitäten mit dem Bürgerverein
30.04.92 19.30 Uhr | „Schlemmerabend“ | Altes Pfarrhaus |
16.05.92 20.00 Uhr | Gemütl. Abend für | Dorfgemein |
Mitglieder | schaftshaus | |
14.06.92 | Gassenfest |
Unser 2. Vorlesenachmittag: „Feurige Kohlen“
So richtig gemütlich sei es wieder gewesen, so hieß es aus dem Kreise der Zuhörer nach dem zweiten Walsdorfer Lesenachmittag, den der Bürgerverein am 18.1.1992 im Büchereiraum des Dorfgemeinschaftshauses im Rahmen einer Teestunde veranstaltet hatte. Vorgelesen wurde aus dem Buch von O. Schupp „Feurige Kohlen“, das u.a. den großen Brand von Walsdorf im Jahre 1692 zum Thema hat. Die Situation Walsdorfs vor und nach dem Brand erläuterten Helmuth Leichtfuß und Gerhard Buck. Interessant war vor allem die Feststellung, daß der Neuaufbau Walsdorfs nach dem Brande einem neuen Ortsplan folgte, der die heute noch vorhandene Struktur des alten Ortskerns brachte. Hierüber soll im Verlaufe des Jahres in einem der folgenden Bürgerbriefe mehr zu lesen sein.
An die Erläuterungen schlossen sich lebhafte Gespräche zum Thema an, die schließlich in die Schlußfolgerung mündeten, der Bürgerverein solle auch im nächsten Winterhalbjahr weitere interessante Lesenachmittage veranstalten.
Isolde Buck
DIE BÜCHEREI
im Dorfgemeinschaftshaus ist geöffnet dienstags und donnerstags 17.00 -18.00 Uhr
Ein eifriger Besuch dient dem eigenen Vergnügen und wendet vielleicht die drohende Schließung ab.
Redaktion:
Gerhard Buck, Am Borngraben 24, Idstein-Walsdorf (verantwortlich)
Monika Kiesau (Verein)
Helmuth Leichtfuß (Geschichte)
Manfred Wetzel (Aktuelles)