Bericht über die Arbeit des Ortsbeirates
Zur Förderung der Selbstverwaltung in den Städten und Gemeinden werden gemäß § 81 HGO (Hessische Gemeindeordnung) Ortsbeiräte gebildet. Der Ortsbeirat ist zu allen wichtigen Angelegenheiten, welche den Stadtteil angehen, zu hören, insbesondre zu Satzungsentwürfen und zum Entwurf des Haushaltsplanes. Gleichzeitig hat der Ortsbeirat ein Vorschlagsrecht in allen Angelegenheiten, die den Stadtteil betreffen.
Bis Ende November 1979 ist der Ortsbeirat in diesem Jahre zu insgesamt 7 Sitzungen zusammengetreten und hat über die Neubesetzung der Ortsgerichte, den Entwurf des Haushaltsplanes, über diverse Satzungsentwürfe, die Ortskernsanierung und mancherlei Angelegenheiten beraten, welche den Bürger oft ärgern.
Anfang des Jahres hatte sich der Ortsbeirat mit der Neubesetzung der Ortsgerichte zu beschäftigen. Durch Ministererlaß, für den der Ortsbeirat kein Verständnis zeigte, wurde Walsdorf mit Wörsdorf zum Ortsgerichtsbezirk Idstein II zusammengefaßt. Eine Beschwerde des Orstbeirates an den hessischen Justizminister, die über die Stadtverwaltung eingereicht wurde, hatte keinen Erfolg. Mit Walsdorf vergleichbare Ortschaften, wie z.B. Wallrabenstein, konnten nämlich ihren eigenen Ortsgerichtsbezirk behalten. Dem Amtsgericht Idstein wurden auf Anregung des Ortsbeirates Gerhard Heilhecker, Hermann Menzel und Felix Hartmann als Ortsgerichtsmitglieder vorgeschlagen. Diese wurden inzwischen vom Amtsgericht Idstein in ihren Ehrenämtern bestätigt. Im April d. J. wurde der Ortsbeirat zur Stellungnahme wegen Änderung der Gebührensatzung zur. öffentlichen Wasserversorgung und Kanalbenutzungsgebührensatzung; aufgefordert. Unter Würdigung der allgemeinen Wirtschafts- und Konjunkturlage hatte der Ortsbeirat den Magistratsvorschlag (Erhöhung der Wassergebühren von DM 2,- auf DM 2,70/cbm und Kanalgebühren von DM 1 ,60 auf DM 2,30/cbm) für nicht vertretbar gehalten. Der Ortsbeirat hat unter Berücksichtigung der Kosten durch Neuinvestitionen den Vorschlag unterbreitet, die Wassergebühren auf DM 2,30 und die Kanalgebühren auf DM 1,80 zu erhöhen.
Wie bereits erwähnt, ist der Ortsbeirat auch mit dem Haushaltsplan beschäftigt. Er wird zunächst vom Magistrat aufgefordert, Wünsche und Anregungen zum Haushaltsplan einzureichen. Dann wird der Entwurf des Haushaltsplanes vom Magistrat erstellt und den Ortsbeiräten noch einmal ,zur Stellungnahme vorgelegt.
Nach zweimaliger Lesung wird die Haushaltssatzung mit dem dazugehörigen Haushaltsplan von der Stadtverordnetenversammlung verabschiedet.
Über die Anforderungen des Ortsbeirates für den Haushaltsplan 1980 und das Investitionsprogramm 1980 – 84 und die endgültigen Festsetzungen durch die Stadtverordnetenversammlung wird ein ausführlicher Bericht im nächsten Bürgerbrief informieren.
Mit einer positiven Beurteilung und Empfehlungen hinsichtlich der Bauweise wurde der Antrag der Grundstückseigentümer „Auf der Insel“ an die Stadtverwaltung weitergeleitet. Auch wurde der Beschluß gefaßt, in Zusammenarbeit mit den Ortsvereinen die genehmigte Grillhütte auf dem Grillplatz zu bauen. Die erforderlichen Mittel sind inzwischen bei der Stadtverwaltung beantragt worden.
Ebenfalls wurde der Antrag der Kyffhäuser – Kameradschaft Walsdorf zur Errichtung eines Schießstandes ohne Bedenken des Ortsbeirates weitergeleitet.
Nicht zugestimmt hat der Ortsbeirat einem eventuellen Verkauf des Geländes, wo der ehemalige Kindergarten stand. Der Stadtverwaltung wurde dringend empfohlen, das Gelände wegen der Unfallgefahr abzusperren. Als weitere Maßnahme sollten die Kellermauern abgebrochen und die dadurch entstehende Mulde verfüllt werden.
Gegenstand einer Diskussion waren auch der Dorferneuerungsplan für den Ortskern sowie der Bebauungsplan. Die Ortskernsanierung wird auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandsteil der Beratungen im Ortsbeirat sein.
Die geforderte Beleuchtung der Treppe „Am Wäldchen“, wurde inzwischen installiert. Die Befestigung des Wendeplatzes „Am Hutturm“, die vom Ortsbeirat schon mehrfach gefordert wurde, ist noch zu realisieren. Auch die Wiedergründung der örtlichen Jagdgenossenschaft war ein Ziel der Arbeit des Ortsbeirates.
Die Weihnachtsfeier für die älteren Einwohner wird 1979 wie in jedem Jahr von den Mitgliedern des Ortsbeirates vorbereitet.
Auch in Zukunft wird es die Aufgabe des Ortsbeirates sein, die örtliche Kommunalpolitik zum Wohle der Walsdorfer Einwohner mitzugestalten.
Felix Hartmann
Die Siedlungsrandmauer
Ergebnisse der Untersuchung – Sanierungsmaßnahmen
In den Nummern 3 und 6 des Bürgerbriefes konnten wir über die Untersuchungen von Walsdorfs ehemaliger Stadtmauer berichten. Jetzt liegen sowohl das statisch-konstruktive Gutachten als auch erste Beschlüsse des Magistrats zu ihrer Sanierung vor.
Die Mauer ist 1 m breit und 2 – 6 m hoch. Sie ist zum Teil mit Scheunenrückfronten überbaut und hat teilweise eine freie Mauerkrone. Sie war ursprünglich freistehend, wurde jedoch im Laufe der Jahre hinterfüllt.
Bei der Oberprüfung und Beurteilung der alten Siedlungsrandmauer und der Mauer an der Kirche zeigte sich, daß nur ein ganz geringer Teil abgetragen und neu aufgemauert werden muß. Das ist dort der Fall, wo die Scheunen hinter der Mauer stehen: gegen über Hainstr. 7 – 13, bei den umgefallenen Scheunen im Westen und bei den Anwesen Untergasse 50 – 52. Hier wird deutlich, was passieren würde, wenn die Dorferneuerung nur durch Abriß der Scheunen ohne einen Wiederaufbau erfolgen sollte. Für die Stadt Idstein ergibt sich daraus der Wunsch, daß die Scheunen auch in den Bereichen, wo sie bis jetzt hinter der Ringmauer stehen, späterhin auf der Ringmauer erstellt werden sollen. Durch eine mögliche Unterkellerung der Scheunen würde ein Teil des Erddrucks im Bereich der Kellertiefe entfallen. Durch die Auflast der Scheune würde die Standsicherheit der Ringmauer erhöht. Somit ergibt sich, daß die beabsichtigte Bebauung der Mauerkrone von Vorteil ist. Der überwiegende Teil der Mauer entspricht nach dem Gutachten zwar nicht mehr den Vorschriften der heutigen Technik, kann aber saniert werden. Dazu sollen im Abstand von ca. 3 m Anker nur Rückverankerung eingebaut werden, die jedoch nach außen unsichtbar bleiben. Über die Behandlung der Vorder- und wo nötig der Rückseite der Mauer heißt es dann: „Die Wiederherstellung des Mauerwerks in tragender und kosmetischer Hinsicht wird durch sogenannte ’steinsichtige Verfestigung‘ erreicht. Hierbei wird der noch vorhandene Fugenmörtel bis zu einer Tiefe von mindestens 30 mm mit Preßluftwerkzeug entfernt, das Mauerwerk sowie die offenen Fugen mit Sandstrahl- oder Dampfstrahlgebläse und Druckwasser gereinigt und anschließend mit zähfestem, wasserundurchlässigem Traßkalk- Spritzmörtel ergänzt. Durch eine gründliche Reinigung der angrenzenden Mauersteine, noch während des Abbindevorganges, wird eine optisch einwandfreie, voll steinsichtige und voll atmungsfähige Oberfläche erzielt. Der Vorteil des beschriebenen Verfahrens liegt in der gegenüber einer handwerklich durchgeführten Verfugung wesentlich längeren Haltbarkeit und erheblich höheren Festigkeit.“
Auf der Grundlage dieses Gutachtens hat der Magistrat inzwischen die ersten Beschlüsse gefaßt. Da die Kosten nach dem heutigen Kostenindex ca. 1,2 Mill. DM betragen, kommt zunächst nur eine abschnittweise Sanierung in Frage. Begonnen werden soll in der Hainstraße, – wofür der Auftrag jetzt vergeben worden ist. Die Mittel hierfür stehen im Haushaltsplan 1979 zur Verfügung.
Als nächste Sanierungsabschnitte sind die westliche Ringmauer im Bereich der umgefallenen Scheunen sowie im Osten im Bereich des Anwesens Untergasse 50 vorgesehen. Mit Ablauf dieses Jahres entfällt leider die Förderung durch das Amt für Landwirtschaft und Landesentwicklung. Daher versucht die Stadt durch Verhandlungen mit übergeordneten Behörden, vor allem mit dem Bundesministerium für Raumordnung und Wohnungsbau, Zuschüsse für die Sanierung der Ringmauer zu erhalten.
Sollte jemand Bauabsichten haben, so stellt ihm die Stadt Idstein (Abteilungsleiter: Herr Garkisch) das Gesamtgutachten für den statischen Nachweis kostenlos zur Verfügung.
Gerhard Buck
Das Pfannkuchenfest in der Hainstraße
Eine Redewendung einer verstorbenen Walsdorfer Bürgerin, mit der sie viele Gesprächspartner verblüffte, war der Anlaß für das Pfannkuchenfest in der Hainstraße. Frau Auguste Leichtfuß aus der Gastwirtschaft Leichtfuß an der Ecke zur Hainstraße erzählte ihren Gästen oder auf Familienfeiern häufig, in der Hainstraße würden die Pfannkuchen nur auf einer Seite gebacken. Die Nichteingeweihten taten erstaunt und fragten, wie es zu diesem Brauch komme. Rein optisch gesehen, hatte Frau Leichtfuß recht; denn in der Hainstraße stehen nur auf einer Seite Häuser. Also konnte man Pfannkuchen auch nicht auf zwei Seiten backen. So wurde die Sache aufgeklärt, und ein allgemeines Lachen war die Folge.
Auf der Silberhochzeit von Heinz und Eleonore Fritz war es dann soweit: Man kam wieder auf das Thema, daß in der Hainstraße die Pfannkuchen– nur auf einer Seite gebacken würden. Den fremden Gästen wurde die Geschichte erklärt, und in froher Runde wurde beschlossen, die Pfannkuchen doch auch einmal auf zwei Seiten zu backen. Man wurde sich einig, in der Hainstraße ein Pfannkuchenfest zu veranstalten.
Frau Helle Hohl organisierte das Fest, das am 7. September abends in der Scheune von Familie Hohl abgehalten wurde. Es waren Tische und Bänke aufgestellt, und die Pfannkuchen wurden serviert. Helle hatte sie so gut gebacken, daß nichts übrig blieb. Bis spät in die Nacht hinein wurde bei Bier und Wein gefeiert und noch manch schöne Geschichte erzählt.
Erich Roth
Fest zur feierlichen Enthüllung des Kriegerdenkmals am 5. und 6.8.1894
Der Verein bereitete sich lange und intensiv auf dieses wichtige Ereignis in seiner Geschichte vor. 80 Vereine wurden eingeladen, von denen dann 27 zum Fest erschienen. Als Festplatz waren die Äcker zwischen der Walkmühle, der B,8 und der Zufahrtsstrasse von Walsdorf nach der B 8 vorgesehen. Es wurden 3000 Festkarten bestellt . „Auf dem linken Rand der Karte steht das Kriegerdenkmal, etwas darunter der Spruch: Gott war mit uns, ihm sei die Ehre. Auf den grösseren Raum kommt Walsdorf im Jahre 1763, gezeichnet von Pfarrer Deissmann.“ 48 Festdamen wollten an dem Festzug teilnehmen. Im Gespräch mit ihnen war verabredet worden, „dass ihre Kleidung eine helle und ziemlich gleichmässige sein sollte. Weiterhin sollen sämtliche Festdamen eine grüne Schleife tragen.“ Für die Mitglieder des Vereins war bestimmt worden, dass „jeder Kamerad bei dem Feste im schwarzen Anzug mit Zylinderhut, weisser Binde und weissen Handschuhen zu erscheinen hatte. Orden und Ehrenzeichen mussten angelegt werden.“ Das Anfertigen der Kränze und Girlanden und das Nähen von Fähnchen zum Schmuck des Platzes am Denkmal und des Festplatzes war von den Festdamen übernommen worden. Die Ehrenpforten wurden von den Mitgliedern erstellt.
Das Fest sollte nach folgendem Programm ablaufen: Samstag, 4. August abends 9 Uhr Glockengeläute, Böllerschiessen, Zapfenstreich Sonntag, 5. August
- morgens 5 Uhr Wecken, Glockengeläute, Böllerschiessen
- morgens 8 1/2 Uhr Festgottesdienst
- vormittags 10 3/4 Uhr Empfang der Vereine mit der Musikkapelle
- mittags Punkt 1 Uhr Aufstellung des Festzuges in der Wiesbadener Strasse (wohl die heutige Idsteiner Strasse) sodann
- Festzug durch die Strassen Walsdorfs zum Denkmal
- Am Denkmal Begrüssungsworte, Weihelied, gesungen vom Gesangverein Walsdorf: Grüss Gott viel tausendmal, Festrede und Hoch auf Seine Majestät den Kaiser Wilhelm II., 1. Vers von dem Lied: Heil Dir im Siegerkranz , von allen Festteilnehmern gesungen. Enthüllung des Denkmals durch eine der Festjungfrauen, Übergabe des Denkmals. Gesang: Treue Liebe bis zum Grabe (Gesangverein Walsdorf), Böllerschiessen.
Sodann ordnet sich der Zug und zieht nach dem Festplatze. Daselbst Tanz, Konzert, Liedervorträge und Volksbelustigung. An beiden Festtagen war schönes Wetter, und so verlief das Fest programmässig in schönster glänzendster Weise. Sämtliche Herren, die zugeschrieben hatten, erschienen. Die Herren Offiziere Major Leo v. Windisch, Rittmeister Ostermann, Hauptmann Schäfer und Herr Oberförster Giese erschienen in Uniform. …
In den Strassen Walsdorfs bewegten sich ca. 2000 bis 2400 Menschen, die alle herbeigeeilt waren, um uns bei unserer Enthüllungsfeier die Ehre zu geben. Der stattliche Festzug bewegte sich durch die Strassen Walsdorfs und wurde an den Herrn Offizieren Parademarsch gemacht. Am Denkmal angelangt, begann der Festaktus. Derselbe verlief in schönster Weise. Hierauf nahm der 2. Vorsitzende des Nassauischen Kriegerverbandes, Herr Kempf zu Wiesbaden, das Wort. Derselbe hob die Zwecke der Kriegervereine hervor und speziell die Leistungen des Kriegervereins Walsdorf und die Leistungen der Gemeinde Walsdorf, denn alte Männer von 70 Jahren haben sich nicht erinnert, dass Walsdorf so geschmückt mit Kränzen und Fahnen war wie bei der Einweihung des Denkmals. Obwohl er als Vorstandsmitglied des Nassauischen Kriegerverbandes schon auf vielen Kriegerfesten als Delegierter gewesen sei, so hätte er noch kein solches schönes geordnetes Fest nach militärischer Ordnung und Disziplin zu verzeichnen gehabt wie das Fest der Enthüllungsfeier des Kriegerdenkmals zu Walsdorf.
Während dem Festakte liefen Telegramme von Herrn Oberstleutnant Wilhelmi, Herrn Prem.-Leutnant v. Carnap und S.Ex. Generalleutnant v. Gebauer ein. Telegramme wurden an Sr. M. Kaiserin Friedrich, Protektorin des Nassauischen Kriegerverbandes und Sr. M. des Deutschen Kaisers abgesandt. Von Sr. M. Kaiserin Friedrich kam die Antwort schon am zweiten Festtag zurück. Die Herren Offiziere sprachen dem Verein den herzlichsten Dank aus für das prachtvolle, schöne patriotische Fest. Von dem Denkmal bewegte sich der Festzug nach dem Festplatz. Obwohl die Spitze des Festzuges dort schon angelangt war, …, war das Ende des Zuges noch am Denkmal. Auf dem Festplatz war ein lustiges Treiben. Jedoch mussten sich die Festteilnehmer durch die eingetretene Frische am Abend nach den Sälen bei Gros, Schauss und Weygand begeben. Um 9 Uhr abends bewegte sich der Zug nach dem Flecken. Die Gastvereine rückten von 5 Uhr ab weg. …
Am zweiten Festtage … nahmen die Festteilnehmer um 2 1/2 Uhr an der Schule Aufstellung. An der Spitze des Zuges bewegten sich die Lehrer mit der Schuljugend, dann die Festdamen, der Gesangverein, der Kriegerverein und die Festteilnehmer. Auf dem Festplatz war es vergnügt. Die Schuljungen hatten folgende Spiele: Sackhüpfen, Wurstschnappen pp. Die alten Kriegsveteranen von 1870/71 machten Parademarsch vor den jüngeren Mitgliedern des Kriegervereins und dann umgekehrt. Die Veteranen machten einen Wettlauf. So ging es denn lustig zu auf dem Festplatz bis zur anbrechenden Dunkelheit. Der Festzug bewegte sich gegen 9 Uhr von dem Festplatz nach der Schule. Hier wurde von dem Vorsitzenden in einer Ansprache dem Herrn Bürgermeister, den Herren Lehrern, den Festdamen sowie dem Gesangverein und sämtlichen Bürgern Walsdorfs, welche zu der schönen Festlichkeit beigetragen haben, im Namen des Vereins bestens gedankt. Der Festzug löste sich vor der Wohnung des Vorsitzenden auf, bevor Herr Kamerad Thiel ein dreifaches Hoch auf denselben ausbrachte. …“
Viel hat sich in Deutschland und auch in Walsdorf seit den Tagen geändert, als die Errichtung des Denkmals festlich begangen wurde. Zwei verlorene Kriege liegen zwischen 1894 und unseren Tagen, und anstatt Siegesmälern wurden Ehren- und Mahnmäler gebaut. Die vielen leidvollen Erfahrungen führten zweifellos zu einem anderen Verständnis von Vaterland, Krieg und Militär.
Und trotzdem haben wir es bei dem Denkmal mit einem lebendigen Stück Geschichte unseres Dorfes zu tun, und ich glaube, es war richtig, daß ich mich bisher allen Versuchen, es zu versetzen oder abzubrechen widersetzt habe. Ich hoffe, daß alle diejenigen, die es als überflüssiges Zeugnis einer überlebten Vergangenheit angesehen haben, nach der Lektüre der Äußerungen der Zeitgenossen erkennen, daß es Ausdruck der Denkweise der Generation unserer Groß- und Urgroßväter war und ist.
Helmuth Leichtfuß
Die exkommunizierten Walsdorfer
Walsdorfs kirchliche Verhältnisse im Mittelalter
Im Jahre 1447 befahl der Vertreter des Erzbischofs von Trier in Koblenz den Walsdorf benachbarten Gemeinden, sie sollten „die Glocken läuten, die Kerzen anzünden und dann auslöschen und zu Boden werfen, das Kreuz aufrichten, das geistliche Gewand anlegen, das Weihwasser aussprengen, um die Dämonen in die Flucht zu schlagen, welche offenbar jene gebunden halten, und bitten, daß Jesus Christus die Exkommunizierten zum rechten Glauben und zur Mutterkirche zurückführe und sie nicht in solcher Verstocktheit ihre Tage beschließen lasse, auch dabei 3 Steine ihrer Wohnung umwerfen zum Zeichen der ewigen Verwünschung.“ Dabei sollten die Namen der exkommunizierten Walsdorfer von den Kanzeln verkündet und alle aufgefordert werden, sie streng zu meiden. Da das die Walsdorfer nicht weiter anfocht, traten zwei Wochen später auch die anderen Verbote in Kraft, fast keinerlei kirchliche Amtshandlungen, keine Gewalt ihres Gerichts, Rechtlosigkeit.
Mit diesem Verlust aller kirchlichen und weltlichen Rechte, mit dieser Ausstoßung aus der menschlichen Gemeinschaft war für die Walsdorfer am 17.2.1447 der Höhepunkt ihres jahrelangen Streites mit dem St. Georgsstift in Limburg erreicht. Ihm gehörte damals die Camberger Kirche, von der wiederum Walsdorf eine Tochtergemeinde war. Der Streit war ausgebrochen, als die Walsdorfer forderten, daß man ihnen dreimal in der Woche sowie sonn- und feiertags die Messe lesen und alle Sakramente außer der Taufe in ihrer Kirche spenden sollte. Dazu sollte der von Limburg in Camberg bestellte Pfarrer einen Priester schicken. Das Georgenstift sah in diesem Wunsch nicht das Zeichen einer besonderen Religiosität, sondern das Streben, sich von der Mutterkirche Camberg zu lösen. Für einen eigenen Priester hatten die Walsdorfer schon einen neuen Altar gebaut; doch das Stift weigerte sich, ihn zu weihen und einen Priester zu bestellen.
Walsdorfs Rechtsgrundlage war ein Vergleich aus dem Jahre 1396, in dem die Messen in der genannten Weise geregelt worden waren. Doch das Stift hielt sich nicht daran. Bereits nach wenigen Jahren gab es wieder Ärger. In regelmäßigen Abständen drangen die Walsdorfer auf die Erfüllung ihres Rechtes, aber das Stift leugnete das Abkommen und wies seine Pfarrer an, wie überall nur wochentags in der Filialgemeinde die Messe zu lesen. Aber nicht nur Walsdorf, sondern auch die zum Kirchspiel gehörenden Gemeinden Würgess Erbach und Schwickershausen waren mit dem Georgenstift aus ähnlichen Gründen unzufrieden. 1441 hatte sich soviel Unmut angesammelt, daß alle Filialgemeinden eine Klageschrift mit fünf Punkten verfaßten und sich weigerten, länger den Zehnten an das Stift abzuführen. Nach verschiedenen Vorverhandlungen kam es 1443 zu einer Einigung, in der aber in Bezug auf Walsdorf keine klare Aussage gemacht wurde. Es wurde nur festgelegt: „Das Stift soll den Pfarrer zu Camberg veranlassen, einen Kaplan zu halten, mit dem er zu Camberg und in dem Kirchspiel allen Gottesdienst mit Messen und sonst, wie gebührlich, nach Vermögen versehen soll.“ Die Ausdrücke wie „gebührlich“ und „nach Vermögen“ waren keineswegs das, was Walsdorf erreichen wollte. Limburg konnte also weiter nach eigenem Gutdünken die kirchliche Versorgung gestalten.
So wundert es nicht, daß Walsdorfs Streit mit dem Stift bald weiterging, diesmal aber in viel härterer Form; denn die nächste Nachricht, die wir haben, besagt, daß Walsdorf 1445 oder schon früher exkommuniziert wurde. Der Kaplan des Klosters, ein Benediktinermönch, fand sich jedoch bereit, trotz des Verbotes den Gottesdienst weiter zu halten. Auch er wurde exkommuniziert (16.12.1446). Da auch das die Limburger nicht weiterbrachte, kam es zu der anfangs erwähnten verschärften Exkommunikation (Februar, März 1447).
Doch die Walsdorfer ließen sich nicht erschüttern. Sie erhielten Unterstützung von Heinrich Il. von Nassau-Dillenburg, dem ein Teil Cambergs gehörte und der mit dem Erzbischof von Trier im Streit lag. Er hielt nun zusätzlich den ganzen Camberger Zehnten zurück und wurde daraufhin auch exkommuniziert (1449). Heinrich ließ sich dadurch nicht schrecken, sondern schrieb einen Fehdebrief: „Wir … lassen euch … wissen, daß wir euer und eures Kapitels Personen sämtlich und insbesondere Feind sein wollen wegen des ungerechten Bannes.“ Eine verschärfte Exkommunikation in der schon beschriebenen Form war die kirchliche Antwort. Hiervon waren auch alle seine Untertanen betroffen; denn auch ihnen wurden fast alle kirchlichen Verrichtungen verweigert. Walsdorfs Einstehen für alte Rechte hatte also weite Kreise gezogen.
Mit Heinrichs Tod (1451) verlor Walsdorf seinen Verbündeten. Sein Bruder und Nachfolger wollte Frieden und einigte sich 1454 mit dem Stift. Die Exkommunikation wurde zurückgenommen, das Stift verzichtete auf alle Früchte und Gelder, die ihm an seinem Zehnten zu Camberg entzogen wurden und erhielt von Graf Johann 150 Malter Korn (435 Zentner). Damit war der Streit mit dem Grafenhaus beendet. Über Walsdorf haben wir keine Unterlagen. Aber man kann wohl davon ausgehen, daß Walsdorfs hochfliegende Ziele nach dem Verlust des Bundesgenossen nicht zu verwirklichen waren und es nachgeben mußte.
Dieser 13jährige Kampf der Walsdorfer um eine Kirche, die fast ganz unabhängig von der alten Mutterkirche in Camberg sein sollte, hatte, wie wir sahen, seine Vorläufer in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Keine der umliegenden Gemeinden hat so ausdauernd mit dem St. Georgenstift zu Limburg wegen des Gottesdienstes in Streit gelegen.
Die Auseinandersetzungen begannen, als Walsdorf Stadt geworden war und Mauern und Türme auf dem Hügel erbaute. Wahrscheinlich wurde dabei auch eine neue Kirche gebaut. Ein neues Selbstgefühl kam auf, und dazu paßte es wohl nicht, daß man kirchlich von dem etwa gleichzeitig befestigten und wieder mit Stadtrechten versehenen Camberg abhängig war. Aber auch wegen Gebühren, die für kirchliche Amtshandlungen zu entrichten waren, war es wichtig, wo man sonntags zum Gottesdienst ging und wo die Sakramente gespendet wurden. Nach der neuen Regelung blieb viel Geld in eigenen Ort. Dazu kam, daß beide Städte verschiedenen Herren gehörten und man in Fehdezeiten nicht nach Camberg konnte. Es wurde auch vorgebracht, daß zwischen Camberg und Walsdorf „das Wasser fließt, über das nur an drei Enden der Weg geht, der für Alte, Junge und Kranke, insbesondere schwangere Frauen zu vielen Zeiten unbequem zu benutzen ist.“ Aber alle Argumente wurden zurückgewiesen, und so blieb Walsdorf bis zur Reformation bei Camberg.
Literatur: W. H. Struck, Quellen zur Geschichte der Klöster und Stifte… Bd. 1. 1956
L. Götze, Beiträge zur Geschichte der Georgenkirche und des Georgenstifts zu Limburg; Nass-. Annalen 13 (1874), 285-296.
Gerhard Buck
Was sonst noch im Ort passierte ‚….
Der Walsdorfer Pfarrer zu einem Kerbebrauch 1892 „Es muß von einer Ungebührlichkeit erzählt werden, die sieh am Dienstag nach Kirchweihe zutrug. Ich hatte am Kirchweihtag gepredigt nach 2. Korinther 6, 14 – 18 über das Thema: Der Christ und die Kirchweihe. Die Antwort hierauf war, daß am oben genannten Tage nachmittags 4 Uhr, an welchem man die Kirchweihe begrub, eine Schar heulender und jammernder Menschen am Pfarrhause vorbei einem Wagen folgten, auf welchem sich vornehmlich drei hervortaten, vor allem der sog. Ch. Nachdem der Zug mit dem Wagen vor dem Pfarrhause Halt gemacht hatte, führte Ch. das Wort. Es schien, als wollte er den Prediger machen und das Predigtamt verhöhnen. Am Sonntag darauf sagte ich nach Schluß der Predigt: „Ich könnte die, welche Gottes Wort verhöhnt, bei dem Staatsanwalt anzeigen, aber ich wolle es nicht tun; wenn es sich jedoch wiederhole, würde ich die Sache zur Anzeige bringen. Möge Gott denen, welche sich versündigt – auch durch ihr Lachen sich versündigt haben – Buße geben, damit in den Häusern und Gassen nicht ein anderes Wehklagen gehört werde.“
Im Herbst des Jahres darauf (1893) am Totenfest machte ich folgendes bekannt: „Seit vorigem Totenfest bis jetzt sind kirchlich beerdigt 39 getaufte Glieder unserer Gemeinde, darunter sind 12 Erwachsene. Die übrigen sind solche, die im Kindesalter gestorben sind. Der Herr hat eine ernste Sprache mit uns geführt… Auch Erwachsene, wie z.B. einer von den drei obenErwähnten, wurde von der Krankheit (Diphterie) befallen.
Erwähnen muß ich noch, daß am 12. Januar 1893 die Frau des G., der mit bei den Dreien war, plötzlich im Wochenbett starb. Wer sieht hier nicht Gottes Finger! Als ich bei derBeerdigung sagte, es habe mich durchschaudert, als ich die Nachricht von diesem plötzlichen Sterbefall gehört und mir die Vorkommnisse am Kirchweihdienstag vergegenwärtigt hätte, verließen etwa die Hälfte derer, welche mitgegangen waren, samt dem G. den Kirchhof und machten noch vor dem Kirchhofe, während ich redete, durch laute Worte ihrer Unzufriedenheit Luft.“
Text: Pfarrchronik, Bd. I, S. 80
Zeichnung: Herbert Teige