Die bauliche Entwicklung Walsdorfs von 1692 bis 1999
Die folgende Darstellung stützt sich auf
- einen undatierten Ortsplan über verkaufte Bauplätze in Walsdorf nach 1692
- eine Gebäudeschätzung vom 21. Juni 1698
- eine Schatzung aller Hofreiten und Bauplätze im Flecken Walsdorf vom 2. März 1767
- Band 1 des Walsdorfer Bannbuchs von 1788
- ein Spezialkataster Walsdorfs von 1806
- ein Ortsgebäudesteuerkataster von 1822
- ein Brandkataster von 1842 mit Fortschreibung bis 1870
- eine Gebäudesteuerrolle von 1867
- eine Gebäudesteuerrolle von 1880
- ein Brandkataster von 1884
- einen Fluchtlinienplan von 1913
- zwei selbstgefertigte Dorfpläne von 1945 und 1999
Die Ergebnisse der Untersuchung werden veranschaulicht durch eine Karte der Bebauung Walsdorfs von 1700 bis heute.
Die Ausgangssituation
Am 11. September 1692 war der Flecken Walsdorf fast vollständig abgebrannt. (Vergl. G. Buck: Der große Brand 1692, Bü-Br. Nr. 50). Die Ursache des Brandunglücks ist nicht bekannt. Noch waren die Schäden aus dem 30jährigen Kriege nicht vollständig beseitigt, da wurde der größte Teil der wieder aufgebauten Gebäude (1681 gab es 48 Häuser und 33 Scheunen ) erneut zerstört. Der Gebäudeschätzung vom 21. Juni 1698 verdanken wir Angaben dazu, ob es sich um neue oder alte Gebäude handelte. Leider sind die Angaben, besonders bei den Scheunen, unvollständig. Insgesamt gab es 1698 wieder 50 Häuser und 37 Scheunen, davon eine vor dem Obertor. 33 Häuser und 10 Scheunen waren neu und 15 Häuser und 10 Scheunen alt. Zu 2 Häusern und 17 Scheunen werden keine Angaben gemacht. Von den 41 Plätzen, die verzeichnet sind, werden 6 als Hausplätze, 18 als Scheunenplätze und 9 als Hofreitplätze bezeichnet. 8 Plätze sich nicht genauer spezifiziert.
Die vom Brand verschonten Gebäude standen in der Mehrzahl im hinteren Teil der heutigen Straße Am Pfarrbogen, 8 auf dem Klostergelände rechts vom Hutturm und 5 am Ende der Untergasse vor dem Obertor.
Charakteristisch für die vorgenommene Neuplanung sind die klare Straßenführung, die noch heute das Bild des alten Ortskerns prägt, und der regelmäßige Zuschnitt der neuen Bauplätze. Ihre Größe mit rund 300 qm wurde so gewählt, dass zukünftig alle erforderlichen Gebäude auf demselben Grundstück gebaut werden konnten. Eine gewisse Großzügigkeit konnte man sich erlauben, weil die Fläche der ehemaligen Klosteranlage den Walsdorfer Bürgern jetzt als Bauland zur Verfügung stand.
Anders sah es im hinteren Teil der heutigen Straße am Pfarrbogen aus. Dort waren die Plätze nicht nur viel kleiner – etwas mehr als 100 qm und auch weniger war die Regel –, sondern sie lagen zum Teil auch eng ineinander verschachtelt. Darüber hinaus waren die bestehenden Gässchen sehr eng. Erst nach einem Brand im Jahre 1853, dem 8 Häuser und 11 Scheunen mit Stallungen zum Opfer fielen, wurde der Teil westlich der Kirche neu geplant. Die Knappe Gasse wurde bis zur Klostergasse verlängert, und an Stelle einer steilen „Rutsche“ hinter der alten Schule wurde etwas weiter westlich die sog. Neugasse als direkte Verbindung zwischen Klostergasse und der Straße Am Pfarrbogen angelegt.
Das erste Haus außerhalb der Mauer (heute Hainstraße 1) wurde nach Adolf Deißmanns Geschichte des Benediktinerklosters und Freifleckens Walsdorf 1730 gebaut. (s. dort S. 182). Bis 1767 kamen noch zwei weitere dazu, die heutigen Gaststätten Leichtfuß und zum Schausse Rainer. Warum diese Häuser vor dem Obertor errichtet wurden, ist nicht auszumachen, denn 1806 gab es im alten Ort noch 8 große und 4 kleine Bauplätze.
Bis 1800 hatte sich die Zahl der Häuser und Scheunen gegenüber der Schatzung von 1698 verdoppelt. Es gab jetzt 103 Häuser und 74 Scheunen. Der größte Teil der Neubauten wurde in der ersten Hälfte des Jahrhunderts errichtet. Zwischen 1698 und 1767 wurden 43 Häuser gebaut, von 1767 bis 1800 nur noch 9. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens gab es um die Jahrhundertwende und danach noch einen gewissen Nachholbedarf, und zweitens erholte sich die Bevölkerung zunehmend von den Verlusten im großen Krieg. Damit wuchs natürlich der Bedarf an Wohn- und Wirtschaftsgebäuden für Bauern und Handwerker.
Die Erweiterung des Dorfes im 19. Jahrhundert
Wie im Dorfplan zu sehen ist, wurden zwischen 1800 und 1900 die Hainstraße, der Bruderberg, die Bergstraße bis unterhalb der Abzweigung zum Borngraben und die Idsteinerstraße bis zur Wallrabensteinerstraße bebaut.
Die Bautätigkeit in diesem Jahrhundert spiegelt ziemlich genau die Bevölkerungsentwicklung in diesem Zeitraum wider. Wie in ganz Deutschland wuchs auch hier in Walsdorf von etwa 1800 an die Bevölkerung durch Geburtenüberschuss in einem bis dahin nicht gekannten Maße. Die Einwohnerzahl von Walsdorf stieg ohne Zuzug von außen von 572 Personen im Jahre 1817 auf 809 im Jahre 1843, also um 237 Personen in 26 Jahren, das sind rd. 41 %.
Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1945 schwankte die Einwohnerzahl dann immer um 800. Die Stagnation um 1850 macht deutlich, dass die Existenzmöglichkeiten, die unser Dorf in Landwirtschaft und Handwerk bot, ausgeschöpft waren. Die jungen Frauen und Männer, die am Ort keine Zukunftschance mehr sahen, gingen in großer Zahl in die entstehenden Industriegebiete oder nach Übersee. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verließen zum erstenmal in der Geschichte des Dorfes mehr Menschen Walsdorf als hier blieben.
Über die Bauentwicklung in diesem Jahrhundert geben 6 Kataster näheren Aufschluss. Die Auswertung dieser Dokumente ergibt, dass die Zahl der Wohnhäuser von 103 im Jahre 1806 auf 157 im Jahre 1884 und die der Scheunen von 74 auf 110 stieg. Bei einer detaillierten Betrachtung der einzelnen Zeitabschnitte kommt man zu dem Ergebnis, dass über 80 % der 54 neuen Wohnhäuser zwischen 1822 und 1867 – für diese Jahre haben wir konkrete Unterlagen – errichtet wurden, also in der Zeit, in der die Einwohnerschaft so stark gewachsen war. Zwischen 1822 und 1842 wurden 5 neue Häuser im Hain, 6 am Bruderberg und 3 in der Idsteinerstraße errichtet. Bis 1867 kamen dann 1 im Hain, 3 am Bruderberg, 11 in der Bergstraße und 14 in der Idsteinerstraße dazu.
Die Brand- und Steuerkataster geben je nach Erhebungszweck auch Auskunft über den Wert oder die Beschaffenheit der Gebäude, so dass wir uns ein relativ gutes Bild von den Verhältnissen in Walsdorf machen können.
1806 z. B. waren alle Gebäude zu Versicherungszwecken taxiert worden. Insgesamt wurden 103 zusammengehörige Gebäudekomplexe wie Haus, Hof, Scheuer und Stall erfasst. Mit 200 bis 1000 Gulden wurden die Gebäude von rund 2/3 aller Eigentümer relativ niedrig eingeschätzt. Für die übrigen wird ein Wert zwischen 1100 und 2000 Gulden und für 2 über 2000 Gulden angegeben. Dieser Befund wird bestätigt, wenn man die Besitzverhältnisse im Jahre 1822 genauer ansieht. Bei dieser Erhebung besaßen von den 109 Hausbesitzern 53 Haus und Scheune, 28 Haus und eine halbe Scheune, 4 Haus und eine viertel Scheune, 17 lediglich Haus und Stall und 7 nur das Haus. 1867 sind die Verhältnisse ähnlich.
In Bezug auf die Dachdeckung unterschied sich 1842 das Ortsbild im alten Ortskern vom heutigen noch deutlich, denn immerhin war noch ein knappes Viertel aller Gebäude, und zwar 25 Häuser, 14 Scheunen und 40 Ställe mit Stroh gedeckt.
Nach ihrer Qualität werden sowohl 1842 als auch 1884 rund 2/3 aller Gebäude als gut eingeschätzt. Bei den Ställen liegt die Quote etwas niedriger.
Die Entwicklung im 20. Jahrhundert
Im Gegensatz zum 19. Jahrhundert wuchs die Siedlungsfläche Walsdorfs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur langsam, in der zweiten dafür umso stärker, und zwar in einem Ausmaß, wie es das in der 1200jährigen Geschichte des Dorfes noch nicht gab. Wurden 1945 in Walsdorf 181 Häuser gezählt, so sind es 1999 mehr als doppelt soviel, nämlich 442.
Nach der Jahrhundertwende wurde zunächst mit der Bebauung der heutigen Taunusstraße von der Idsteinerstraße her begonnen und parallel dazu die Bebauung der Bergstraße, der Idsteinerstraße und der Wallrabensteinerstraße von der Idsteinerstrasse her fortgeführt. Insgesamt entstanden in der ersten Hälfte des Jahrhunderts 25 neue Häuser.
Für die außerordentlich rege Bautätigkeit in der Zweiten Hälfte des Jahrhunderts gibt es im wesentlichen drei Gründe. Zunächst war die Einwohnerzahl Walsdorfs durch den Zuzug von Evakuierten und Heimatvertriebenen von ca. 800 auf 1162 im Jahre 1948 gestiegen und damit der Bedarf an Wohnraum erheblich gewachsen. 1946 gab es Walsdorf nach den Ergebnissen der Wohnungszählung vom 29. Oktober 1946 182 Wohnungen, aber 306 Wohnparteien, d. h. 124 Wohnparteien waren ohne selbständige Wohnung. Sobald sich die wirtschaftliche Situation etwas gebessert hatte, haben sich eine Reihe von Heimatvertriebenen neuen Hausbesitz geschaffen. Mit dem wachsenden Wohlstand in den 50er und 60er Jahren stiegen aber auch ganz allgemein die Ansprüche an den Wohnkomfort, was verstärkt zu Neubauten führte. Schließlich verstärkte eine starke Nachfrage von auswärts nach Baugelände die Entwicklungstendenzen. Alle drei Faktoren zusammen führten dazu, dass in 50 Jahren 241 neue Häuser gebaut wurden, mehr als in 250 Jahren zuvor, und Walsdorf eine Größe und Ausdehnung hat wie nie vorher.
Helmuth Leichtfuss
Der Bau einer Hochdruck – Wasserleitung 1907/08
Die Vorgeschichte
Seit 1836 versorgten 3 Brunnen den alten Flecken mit frischem Quellwasser aus der Laubach. (S. Bü.-.Br. Nr. 12 – 14). Für die seit 1842 in relativ kurzer Zeit entstandenen zahlreichen Neubauten vor dem Obertor ließ die Gemeinde 1860 in der Idsteiner Straße neben dem Färberbach einen Pumpenbrunnen bauen. (Näheres dazu in den Bürgerbriefen 17 und 18). Dieser stellte die Bewohner dieses Teils des Dorfes jedoch keineswegs zufrieden, denn die Pumpe ließ sich wegen der großen Tiefe des Brunnens von 62 Fuß, d. s. ca. 18,60 m, nur mit großem Kraftaufwand bedienen und war überdies sehr reparaturanfällig. Es dauerte nur wenige Jahre, bis mehrjährige Auseinandersetzungen zwischen den betroffenen Einwohnern und der Gemeinde begannen; es handelte sich 1867 immerhin um 47 Haushaltungen, die betroffen waren. Da das Wasser aus der Laubacher Leitung zur Speisung eines weiteren Brunnens nicht ausreichte, wie ein Bauinspektor in einem Gutachten feststellte, und die Gemeinde es ablehnte, eine Quelle in der Bauerwiese für einen neuen Brunnen zu nutzen, weil „das Wasser allgemein als ungesund angesehen würde und auch nicht hinreichend“ sei, wurde beschlossen, zwei Brunnen aufzustellen, die ihr Wasser aus dem Färberbach bekommen sollten. Das beruhigte die Betroffenen wiederum nur vorübergehend, denn das Brunnenwasser war nicht nur nach jedem Regen verunreinigt, sondern der Pumpenbrunnen, der reines Wasser lieferte, war seit den 70er Jahren wegen der hohen Reparaturkosten wieder stillgelegt worden. So verwundert es nicht, dass in den 90er Jahren erneut Streit zwischen den sog. „Vordergässern“ und „ Läusköppelern“ einerseits und dem Bürgermeister und der Gemeindevertretung andererseits ausbrach, der diesmal mit harten Bandagen ausgetragen wurde.
Beschwerdeführer Hofmann und der Bürgermeister verdächtigten sich gegenseitig unredlicher Machenschaften. Der Landrat, der in dieser Angelegenheit ebenfalls reichlich beschäftigt worden war, äußerte sich verärgert gegenüber dem Bürgermeister: „Ich wiederhole, dass ich endlich von diesen Dorfzänkereien verschont sein will, die – soweit ich höre – darauf zurückzuführen sind, dass sie mit den Leuten nicht recht auskommen.“
Auch dieses Mal wählte man wieder die billigste Lösung, nämlich die Erneuerung des Pumpenbrunnens, mit dem beide Parteien bisher so schlechte Erfahrungen gemacht hatten, an Stelle der Quellfassung in der Bauerwiese. Damit hatte man zwar für den Augenblick den dringlichsten Beschwerden abgeholfen, aber wieder keine dauerhafte Lösung geschaffen.
Der Antrag zum Bau einer Hochdruck – Wasserleitung.
Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass Gustav Ochs, der als Bürgermeister in den Auseinandersetzungen der 90er Jahre so wenig wie die Gemeindevertretung die ernsthafte Bereitschaft erkennen ließ, den Bewohnern im vorderen Teil des Dorfes grundlegend zu helfen, im März 1906 als Bürgermeister a. D. folgende Eingabe an Bürgermeister Roth unterzeichnete: “Anliegend übersende ich ein von hiesigen Einwohnern unterzeichnetes Gesuch um Genehmigung der Erbauung einer Hochdruck – Wasserleitung zur Vorlage an die Gemeindevertretung. “Offensichtlich war die Beseitigung der Unzuträglichkeiten bei der Wasserversorgung der inzwischen auf 53 gewachsenen Zahl der Neubauten im vorderen Dorf so dringlich, dass die Gemeindevertretung bereits 8 Tage später mit acht gegen drei Stimmen beschloss, „das Gutachten eines Sachverständigen darüber einzufordern, ob es möglich sei, eine Hochdruck – Wasserleitung anzulegen, entweder aus dem Gemeindedistrikt Laubach oder aus der Bauerwiese.“ Es gab aber auch skeptische Stimmen, ob das Experiment gelänge, habe man doch noch nie erlebt, dass „Wasser den Berg hinauf“ laufe.
Die Durchführung der Baumaßnahme
Prof. Nabenhauer von Idstein wurde die Planung und Bauleitung für die neue Wasserleitung übertragen. Im November 1906 billigte die Gemeindevertretung den vorgelegten Plan und genehmigte die veranschlagten Kosten von 51000 Mark. Den Auftrag zur Quellfassung, zum Bau der Quellkammer und der Rohrleitung bis zum neu geplanten Hochbehälter auf der Bergstraße erhielt der Bauunternehmer Paul Niesen aus Höhr. Für diese Arbeiten waren Kosten in Höhe von 10528,90 Mark veranschlagt. Abgerechnet wurden nach der Revision der Rechnung durch den Bauleiter 13105,62 Mark. Für die Zuleitung von der Quellkammer zum Hochbehälter wurden 1757 lfdm Mannesmannröhren mit einem Durchmesser von 10 mm verlegt. Als Termin für den Abschluss der Arbeiten war der 1. März 1907 festgelegt worden.
Der Bau des Hochbehälters und die Verlegung der Rohre im Dorf wurden an den Bauunternehmer Heinrich Schlebusch aus Leun vergeben. Die Rechnung für diese Arbeiten belief sich auf 35979,96 Mark. Bis zum 1. November 1907 sollten die Arbeiten abgeschlossen sein. Die Fa. Schlebusch hielt den Termin aber nicht ein. Wie einem Beschluss der Gemeindevertretung zu entnehmen ist, wurde die Leitung erst am 1. April 1908 fertiggestellt. „Wegen ungünstigen Frostwetters können 7 Wochen an der Zeit der Überschreitung abgezogen werden“, hieß es. Für die übrigen 12 Wochen musste Schlebusch 50 Mark Konventionalstrafe pro Woche zahlen, insgesamt also 600 Mark.. Wie es scheint, ist es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinde und dem Unternehmer gekommen.
Eine Eintragung im Beschlussbuch der Gemeindevertretung vom 8. 12. 1910 lässt darauf schließen. Dort heißt es: „Der Ablauf und Vergleich des Wasserleitungsprozesses liegt vor. Der Vergleich mit sämtlichen Kosten ist angenommen.“.
Genaueres ist aber nicht auszumachen.
Für die Anlage des Hochbehälters, des sog. Reservoirs, hatte die Gemeinde ein Grundstück von Karl Stubig an der Bergstraße für 300 Mark erworben und ihm die Zusage gegeben, dass er den Brandweiher, die Wed, neben seiner Gaststätte ebenfalls für 300 Mark erwerben könne, wenn dieser verkauft würde. Im Sommer 1908 wurde „an der Brück“ – gemeint ist wohl die ehemalige Brücke über den Färberbach in der Idsteinerstraße – ein neuer Brandweiher für 124,60 Mark im Taglohn hergestellt.
Das Ortsstatut für die Benutzung der Wasserleitung für die Gemeinde Walsdorf vom 7. April 1908 bestimmte im § 2, dass die Abgabe des Wassers durch Wassermesser erfolgen sollte. Bis zu einem Verbrauch von 40 cbm Wasser hatte jede Familie jährlich 12 Mark zu zahlen. Jeder weitere cbm kostete dann 30 Pfg. 160 Wasseruhren, das Stück zu 20 Mark, hatte die Gemeinde von einer Stuttgarter Wassermesserfabrik bezogen. 1908 nahm die Gemeinde 2754,80 M an Wassergeld ein, d. h. dass noch etwa 2750 cbm für 30 Pfg. abgerechnet wurden. Das erklärt vielleicht auch, dass wohl vielfach versucht wurde, durch lockeres Zudrehen der Wasserhähne etwas Wasser zu gewinnen, das von der Uhr nicht angezeigt wurde. Deshalb wurden im Dezember 1911 der Ortsdiener und eine weitere Person beauftragt, „die Wasserleitung wegen Langsam-laufen-lassens“ zu kontrollieren.
Für viele Jahre war mit dem Bau der neuen Leitung Ruhe an der Wasserfront eingekehrt.
Helmuth Leichtfuß
Aus Walsdorfs Chroniken
Die Besatzungszeit nach dem Ersten Weltkrieg
Das hier abgebildete Foto wurde von Lehrer Jacob in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg gemacht. Es zeigt seine Töchter Anna und Lili sowie Willi Schauß mit einem Militärposten der französischen Besatzungstruppen, die über den Brückenkopf Mainz auch das Idsteiner Land besetzt hatten. Das kam so: Nachdem die deutsche Regierung den Ersten Weltkrieg als verloren ansah, bat sie am 3.10. 1918 um Frieden. Der Waffenstillstand wurde am 11.11.1918 beschlossen. Zu den vielen harten Bedingungen gehörte auch die Besetzung des Rheinlandes auf 15 Jahre durch die Truppen des Völkerbundes. Deutschland musste für die Besatzungskosten aufkommen.
In der Schulchronik, die Lehrer Jacob führte, heißt es: ,,Am Sonntag vor Weihnachten1918 rückten französische Besatzungstruppen in Walsdorf ein, obwohl im bekanntgegebenen Vertrag Walsdorf als nicht zu besetzen angegeben war.“
Neben anderen Häusern erhielten auch das Pfarrhaus und die Schule Einquartierung. Der dritte Schulsaal wurde belegt und im Schulhof eine Feldküche aufgestellt. Angeblich wurde der Schulbetrieb dadurch nicht gestört.
Das änderte sich jedoch im Juni 1919, als sich Deutschland zunächst weigerte, den Versailler Vertrag zu unterzeichnen. Da wurde Walsdorf als Grenzort gegen die neutrale Zone ,,übernacht zum Waffenplatz“.
Es kamen über 2000 Mann mit aller militärischen Ausrüstung sowie Reit- und Zugtieren. Es waren vorwiegend Regimenter aus Nordafrika, meist Algerier, auch Marokkaner und sogar Neger.
,,Nordafrikas Söhne zum ersten Mal in der Geschichte in Walsdorf!“
Fast jedes Haus hatte Einquartierungen. So wurde auch die gesamte Schule belegt. Der Unterricht fiel 14 Tage aus. Die Truppen rückten schon zum Vormarsch auf Würges aus, um die Drohung der Siegermächte wahr zu machen, ganz Deutschland zu besetzen. Da kam die Nachricht, dass die deutsche Regierung den Versailler Vertrag am 28.6.1919 unterzeichnet hat. Daraufhin zogen sich die Truppen ,,im Tal zusammen, die Marseillaise erklang und sie marschierten durchs Dorf, worauf eine festliche Feier erfolgte.“
Nach der Unterzeichnung des Vertrages verblieb nur noch eine Besatzungsstärke von einer Kompanie Franzosen in Walsdorf.
Bei diesem Regiment war eine gute Kapelle. Sieben Musiker musizierten mit ihrem ,,chef de musique“ öfter im Pfarrhaus und in der Kirche. Der Pfarrer berichtet: ,,Mit den südlichen und liebenswürdigen Menschen kam man gut aus und die Musik war eine schöne Abwechslung in meinem einsamen Landpfarrhaus.“ Einen französischen Calvinisten, der regelmäßig den Gottesdienst besuchte, beschreibt er: ,, Ich fand einen edlen Menschen…..ohne allen Haß und Feindschaft, obgleich er sein Vaterland Frankreich und sein Volk liebte.“
Andere Erfahrungen machte wohl die Bevölkerung mit der Besatzungsverwaltung. Es mussten alle Fahrräder und Wagengespanne zwecks „Requisition“ verzeichnet werden. Entschädigungsforderungen der Bürger wurden abgelehnt. Die Gemeindevertretung konnte nicht mehr selbständig über den Holzeinschlag und das Gemeindevermögen entscheiden. Dem Dienstantritt eines Lehrers musste die hohe Besatzungsbehörde zustimmen.
Walsdorf war zur Sperrzone (vgl. Zonengrenze) geworden. Am Beispiel des Lehrers Wiegand aus Wörsdorf wird das deutlich. Er konnte seinen Dienst als Vertretungslehrer in Walsdorf nicht fristgerecht antreten, weil er noch keine Passbescheinigung besaß. Diese brauchte er für seinen Weg von Wörsdorf nach Walsdorf.
1921 erhielt Walsdorf sogar ein französisches Zollamt. Es befand sich zunächst im Pfarrhaus, später im Haus Seyberth gegenüber dem Kriegerdenkmal. Zwei deutsche Zollbeamte unterstützten die französischen Zöllner. Während dieser Zeit wurden ,,die zahlreichen Automobile“, die sonst auf der Talstraße (B8) fuhren, durch Walsdorf geleitet, ,,ohne dass bis jetzt ein Unfall zu verzeichnen gewesen wäre. Sie mussten zuerst nur etwa 500 Mark, später 1000 Mark hinterlegen, die bei Rückkehr, abgesehen von dem Zoll für etwa mitgeführte zollpflichtige Gegenstände, wieder abgeholt werden konnten. Möbel wurden seltsamerweise nach dem Gewicht verzollt“. So berichtet die Pfarrchronik.
Am 1. Oktober 1921 wurde dieses Zollamt allerdings wieder geschlossen.
Öffentliche Veranstaltungen unterlagen der Überwachung durch die Besatzungsverwaltung.
Am 24./ 25. Juli 1924 fand in Walsdorf das Gauturnfest des Untertaunusgaues statt. Es kamen über 500 Teilnehmer. Ein Festzug durfte nicht durch das Dorf ziehen. Fahnenschmuck in den Landesfarben war verboten. Am zweiten Veranstaltungstag war französische Gendarmerie auf dem Festplatz und überwachte das Geschehen.
1930 setzte sich die deutsche Regierung für die Befreiung der besetzten Gebiete ein. Die hohen Entschädigungskosten, die von Deutschland geleistet werden sollten, verursachten auch bei den Einwohnern von Walsdorf „eine dumpfe Stimmung.“ Bis zum 1. Juli 1930 sollten die Besatzungstruppen abgezogen sein. Lehrer Jacob schreibt dazu:
,,Der 1. Juli soll für uns ein Fest der Freiheit sein. Möge er für unser Dorf und Land ein Tag des inneren Friedens werden.“
Als dann an diesem Tag die Besatzungstruppen tatsächlich abgezogen waren, wurde das entsprechend gefeiert. In der Schulchronik ist folgender Bericht darüber zu lesen:
,,Zur Feier am 1. Juli versammelten sich am Abend, nachdem bereits am Morgen eine Feier stattgefunden hatte, die Einwohnerschaft Walsdorfs am oberen Zimmerplatz. Hier hatte die Schuljugend im Verein mit Erwachsenen einen großen Holzstoß errichtet, der nach Eintritt der Dunkelheit angezündet wurde.
Mächtige Flammen schlugen zum Himmel empor. Die Männerchöre der beiden Vereine, die Schulkinder und die ganze Versammlung stimmten Lieder an.
Herr Pfarrer Fries hielt nach einigen einleitenden Worten des Bürgermeister Lehmann die Festrede. Ich selbst suchte in wenigen Worten die Tage des Krieges und der Besatzungszeit noch einmal in Erinnerung zu bringen. Die Feier schloß mit dem gemeinsamen Lied: Deutschland über alles. Rundum erstrahlten die Berge vom Feuerschein, denn jedes Städtchen, jedes Dörfchen feierte heute. Möge der Schein das Morgenrot einer besseren Zeit werden.“
Wir wissen, was sich wenige Jahre danach in Deutschland ereignete.
Monika Kiesau
Redaktion:Monika Kiesau, Helmuth Leichtfuß, Manfred Wetzel