Brunnen-Verlegung ?
Im Zuge der Kanalbaumaßnahmen im Bereich des Knallbaches wurde im Bauamt der Stadt Idstein die Überlegung angestellt, den Dorfbrunnen auf den freien Platz vor dem Haus Heilhecker zu verlegen. Die Gründe, warum der Brunnen versetzt werden sollte, liegen darin, daß die derzeitige Zuleitung erneuert werden müßte, um die Funktionsfähigkeit des Brunnens zu gewährleisten. Die Erneuerung der Zuleitung unter Beibehaltung des derzeitigen Standorts würde ca. DM 60.000,- betragen; bei Erneuerung und gleichzeitiger Verlegung entständen Unkosten von etwa DM 20.000,-. Auch könnte das abfließende Wasser unmittelbar dem Bach zugeführt werden, und eine zusätzliche Belastung der Kanalisation entfiele.
Diese Maßnahme bedarf jedoch noch der Zustimmung des Ortsbeirats und der städt. Gremien. Da diese aber unter Umständen sehr schnell erfolgen kann, ist es sinnvoll, wenn sich Walsdorfer Bürger über die Gestaltung des Platzes Gedanken machen.
Deshalb ruft der Bürgerverein zu einem Gestaltungs-Wettbewerb auf, an dem sich jeder Walsdorfer Bürger beteiligen kann. Bei der Gestaltung des Platzes soll berücksichtigt werden:
- Der alte Brunnen soll wieder verwandt werden.
- Die Zufahrt zu den Gärten soll für Anlieger möglich bleiben.
- Die Einfahrten der unmittelbar angrenzenden Hauseigentümer müssen funktionsfähig bleiben.
Die Gestaltungsvorschläge können bis zum 20.8. bei Herrn Buck, Am Borngraben 24, abgegeben worden.
Der „Aktuelle Arbeitskreis“ wird sich am 26. August am 20 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus mit diesem Thema beschäftigen. Wir laden alle Interessierten, vor allem auch die Anlieger, herzlich zu dieser Aussprache ein.
Dieter Heinelt
Spielplatz in Walsdorf
Nach jahrelangem Hin und Her über den Ausbau eines Kinderspielplatzes an der Siebenmeisterbrücke ist der Anfang gemacht. Leider gab es jedoch gleich bei Baubeginn infolge von Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem Ortsbeirat und der Verwaltung eine unangenehme Panne, denn die Arbeiten wurden nach dem alten, vom Regierungspräsidenten genehmigten Plan begonnen. Dieser Plan fand aber weder die Zustimmung des Ortsbeirates noch der interessierten und betroffenen Bürger noch des Bürgervereins, der sich in dieser Angelegenheit auch engagierte, weil der Platz in dieser Form seinen Zweck nicht erfüllt hätte. Er sah lediglich Spielzonen für 2 his 6-jährige und für 6 – l0-jährige vor, aber keine Bolzfläche für ältere Kinder. Die Stadt Idstein hatte den Plan so eingereicht, weil ein Anlieger gegen die ursprüngliche Konzeption, die als wesentlichen Teil eine Freifläche für Ballspiele vorsah, Widerspruch eingelegt und einen Baustopp erwirkt hatte. Darüberhinaus fand auch die beabsichtigte Ausstattung des Platzes nicht die ungeteilte Zustimmung der Betroffenen.
Also griff der Ortsbeirat die Frage erneut auf und erreichte in Verhandlungen mit dem Anlieger einen für beide Seiten annehmbaren Kompromiß. Selbstverständlich war es nun nötig, neu über die Gesta1tung des Spielplatzes nachzudenken. Der Ortsbeirat sprach auch den Bürgerverein an, eigene Vorschläge zu entwickeln, und wollte der Verwaltung bald konkrete Vorschläge unterbreiten.
Der Aktuelle Arbeitskreis des Bürgervereins kam bei seinen Überlegungen zu folgenden Ergebnissen:
Der vorgesehene Spielbereich für die 2 – 6-jährigen braucht nicht vorrangig bedacht zu werden, weil der Standort des Platzes für diese Altersgruppe nicht sehr geeignet ist. Außerdem gibt es für Kinder dieses Altersbereiches einen Spielplatz am Dorfgemeinschaftshaus, der mit etwas „Engagement“ der Verantwortlichen annehmbar hergerichtet werden kann. (Die 2 – bis 6-jährigen sind daher auch aus den weiteren Überlegungen ausgeklammert).
Andererseits waren bereits zum Allgemeingut gewordene Erkenntnisse über die Gestaltung von Spielplätzen in die Überlegungen einzubeziehen, wie z.B., daß Spielräume so gestaltet sein sollen, daß vielfältige Aktivitäten herausgefordert werden und Möglichkeiten zu vielgestaltiger Gruppenbildung vorhanden sind, wobei auf eine funktions- und altersgerechte Zuordnung und Abgrenzung einzelner Spielbereiche zu achten ist, ohne daß das Gefühl der „Abdrängung in Reservate“ vermittelt wird.
Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse und der Bedürfnisse in Walsdorf hat der Bürgerverein den anliegenden Plan als Vorschlag und Diskussionsgrundlage erarbeitet. So sollte die östliche (rechte) Seite der Gesamtfläche Bolzen und Toben vorbehalten sein (Bolzbereich), während die westliche Seite dem Einzel- und Gruppenspiel gewidmet ist (Spielbereich). Der zwischen beiden Bereichen gedachte ca. 80 cm hohe und sehr dicht bepflanzte Erdwall soll Bolzen vom ruhigeren Spiel abgrenzen, ohne dabei völlig zu trennen. Die beiden Palisadentürme im Spielbereich bieten „Sichtkontakt“ zum Bolzbereich (Zuschauen beim Fußballspiel). Im Spielbereich ist durch die Anordnung einer Kletterwand (Mitte) eine weitere, mehr optische Unterteilung in 2 Spielzonen erreicht. Die übrige Bepflanzung und die Sitzgruppen müssen wohl nicht näher erläutert werden.
Wünschenswert erschien auch die Einbeziehung des Knallbachs und des Wäldchens (hinter der Scheune) in das Spielgelände, ohne dies besonders oder ausdrücklich zu betonen, weshalb an der Bachseite des Spielbereiches bewußt auf eine Einfriedigung verzichtet wird.
Der Ortsbeirat hat sich in seiner Sitzung am 19.5.80 mit diesem Vorschlag beschäftigt und ihn in seinen Grundgedanken übernommen. Er hat seine Vorstellungen und Wünsche inzwischen an die Stadt weitergeleitet. Leider sind jedoch durch die recht großzügige Plazierung der Sandkästen bereits wesentliche Vorentscheidungen getroffen.
Doch die Hoffnung, daß nach vierjährigen Überlegungen und Verhandlungen unsere Kinder nun bald zu einem Spielplatz kommen, scheint verfrüht zu sein. Denn neue Verzögerungsmöglichkeiten zeichnen sich bereits ab: so hat man jetzt entdeckt, daß sich neben dem Spielplatz ein Tiefbrunnen befindet, dessen Schutzzone zunächst einmal zu bestimmen ist.
Aktueller Arbeitskreis
Walsdorfer Äpfel
Der Schwerpunkt des Walsdorfer Erwerbsobstbaues lag auf dem Apfel. Ursprünglich waren es die seit Jahrhunderten den örtlichen Boden- und Klimaverhältnissen angepaßten Sorten, die den Sortenspiegel bestimmten. Wohl angepaßt an den menschlichen Bedarf war es Eß-, Koch- und Kelterobst.
Die Eßäpfel begannen mit den Korn- und Haferäpfeln, so benannt, weil ihre Ernte und Genußreife mit der Korn- (Roggen) und Haferernte zusammenfiel, und ihre Genußreife setzte sich über die Grünäpfel, Streiflinge, Schlotteräpfel und schließlich die Bohnäpfel fort bis zum Heumachen.
Zur Haltbarkeit beigetragen haben die zum Teil in den Fels gehauenen Walsdorfer Keller mit ihrem Naturboden.
Unter den sogenannten Kochäpfeln möchte ich erststellig den Waldorfer Hochzeitsapfel nennen. Seinen Namen verdankt er dem Umstand, daß er mit Butter und Zucker gefüllt als Schmorapfel und besondere Delikatesse auf keiner Festtafel fehlte. Er war ein mittelgroßer, goldgelber Apfel mit einer festen wachsglänzenden Schale, die ihn bis weit ins Frühjahr hinein im naturfeuchten Keller ohne moderne „Stickstofflagerung“ knackend frisch erhielt. Es gab von ihm, über die ganze Gemarkung verstreut, eine Anzahl großer stattlicher Bäume mit erheblichem Stammumfang und hohem Ertrag (bis 27 Zentner). Und noch eins, er war so hart, daß man ihn, ohne seine Lagerfähigkeit zu beeinträchtigen, schütteln konnte.
Aber das galt auch für viele andere Sorten, besonders für den grünen Hartapfel und den roten Eiserapfel. Sie wurden auch Pfingstäpfel genannt, einmal weil sie sich über Pfingsten hielten, zum anderen aber auch, weil sich ihre Blüte bis über Pfingsten also bis zum Juni hinauszog, wie wir es ja erlebten. Noch eine Qualität ist zu erwähnen, das Back- und Trockenverhalten. Diese Sorten blieben weiß ohne Schwefel, das heißt, sie liefen nach dem Schälen und Schneiden nicht rot an. Deshalb wurden sie gerne von Bäckern und Konditoren aufgekauft. Als Kelterobst dominierten der grüne und rote Matapfel, auch Schafsnase genannt. Die brachten mittelgroße, sehr saftreiche Früchte und waren Massenträger. Ihnen zu gesellte sich mit denselben Eigenschaften der „Rote Trierische Weinapfel“. Noch eine besondere Tugend war diesen Lokalsorten eigen. Sie waren widerstandsfähig gegen die später so lästigen Schädlinge und Krankheiten, seien es Schorf, Mehltau, Blut-, Blatt- oder Schildläuse.
Der Sortenspiegel änderte sich besonders unter dem Einfluß Geisenheims. Dort war man unter dem Begriff Qualitätsobst auf den Tafel- und Edelobstanbau eingestellt. Er wurde von dort aus nicht nur propagiert, sondern jeder, der dort zu einem Lehrgang (seit 1872) hingeschickt wurde, darunter auch viele Walsdorfer männlichen und weiblichen Geschlechts, kehrte mit einem Packen Edelreiser zurück, um seine neu erworbene Kunst an den bewährten alten und jungen Bäumen zu praktizieren. Das erhöhte zwar den vielfältigen eigenen Genuß, aber auch erheblich den Arbeits- und Pflegeaufwand.
Die neuen Sorten waren viel schädlingsanfälliger und druckempfindlicher. Beidem war man so ohne weiteres nicht gewachsen. Die Landwirtschaftskammern versuchten, zum Teil erfolgreich, durch die Ausbildung sogenannter Obstbaumwarte die Probleme zu meistern. Ich selbst war teilweise an solchen Lehrgängen, die eine gründliche Lehre nie ersetzen konnten, beteiligt und kenne ihre ganze persönliche Problematik.
Das andere Problem war der Absatz. Er verschob sich vom Jahr- und Wochenmarkt auf den organisierten Großmarkt. Das Rheinland als der Hauptgroßverbraucher war hier führend. Es war schwer, sich hier in Walsdorf seinen Sortierungs- und Verpackungsvorschriften anzupassen und ein standardisiertes Angebot zu bringen, wie es die geschlossenen Anbaugebiete des Rheinlandes, des Alten Landes der Unterelbe und des Bodenseegebietes unter der Führung einiger meiner Geisenheimer Freunde und auch späterer Schüler geschafft hatten.
Wenn ich einmal hier nach Walsdorf kam, wurde ich dann öfters mit der Frage konfrontiert: „Nun sag‘ emal, worum wir für unser schi Taunusobst kein Geld mehr kriegen?“. Zur Erklärung mußte ich auf folgendes verweisen: Das Auto und die besseren regionalen Verkehrsverbindungen nahmen den Bauern die bisher billigen Familienarbeitskräfte, die Technisierung veränderte die Betriebsstruktur, und so erstarb die Rentabilität des heimischen Obstbaus. Die schönen Obstbäume, die einmal einen Walsdorfer Grüngürtel bildeten, standen der Technik im Wege und verschwanden bis auf einige Restexemplare. Ihre Früchte aber werden kaum noch geerntet, sie bleiben liegen. Wir aber kaufen unseren Obstbedarf in Standardgröße und -aussehen.
In meinen gartengestalterischen Seminaren und Vorträgen habe ich oft gesagt : „Meine Damen und Herren, denken Sie daran, daß unsere Obstbäume auch unsere schönsten Blüten- und Zierbäume sind.“ Auch Ihnen, liebe Walsdorfer, möchte ich das sagen. Denken Sie daran, wenn Sie vor der Frage stehen, Ihren Neubau einzugrünen, anstelle eines Exoten einen Birn- oder Kirschbaum zu pflanzen. Vielleicht könnte jeder Bauer auf ein paar Quadratmeter Acker verzichten, um mit einigen Obstbäumen die immer öder werdende Landschaft zu beleben.
Gustav Lehmann
Zeitgenossen berichten über die großen Ereignisse des 19. Jahrhunderts
Bei der Bearbeitung der Protokollbücher des Gesangvereins und des Kriegervereins fiel mir auf, daß sich die ehemaligen Nassauer nach 1866 schnell an ihre preußische Herrschaft gewöhnt hatten. Kaisers Geburtstag und der Sedanstag wurden gleich nach 1871 mit Begeisterung gefeiert, und keine Versammlung oder Veranstaltung des Kriegervereins wurde geschlossen, ohne daß ein Hoch auf den Kaiser ausgebracht wurde. Diese Beobachtungen veranlaßten mich, die in Walsdorf vorhandenen schriftlichen Zeugnisse des 19. Jahrhunderts daraufhin durchzusehen, wie die Zeitgenossen die großen Ereignisse ihrer Tage erlebten und beurteilten. Jeder, der sich um ein eigenes Urteil über politische Tagesereignisse bemüht, weiß, wie schwer es auch heute noch ist, wo wir Informationen in Fülle haben, selbst herausragende Ereignisse richtig einzuschätzen. Das gilt für das 19. Jahrhundert umso mehr, weil Zeitungen erst allmählich aufkamen, Rundfunk und Fernsehen noch gänzlich fehlten. Während des Krieges 1870/71 wurden in Walsdorf jedoch schon Zeitungen gelesen. In der Pfarrchronik heißt es dazu: „Es wurden eine Masse Zeitungen gehalten, und Leute, die sonst kaum ein Blatt in die Hand, nahmen, konnten kaum erwarten, wann der Postbote erschien.“ (Nur nebenbei sei angemerkt, daß die erste Ausgabe der „Idsteiner Zeitung“ 1899 erschien.)
In der Zeit zwischen 1800 und 1899 verzeichnet die deutsche Geschichte vier herausragende Ereignisse: Die Befreiungskriege im Jahre 1813 mit der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress 1815, die Revolution von 1848, den preußisch-österreichischen Krieg von 1866 und den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 mit der Gründung des zweiten deutschen Reiches durch Bismarck in Versailles. Ober alle vier Ereignisse finden sich mehr oder minder ausführliche Aufzeichnungen in der Pfarr- und Schulchronik durch die damaligen Pfarrer und Lehrer.
Die Nachrichten über die Freiheitskriege und den Wiener Kongreß sind spärlich. Außer der Mitteilung, daß ein russisches Korps nach der Völkerschlacht bei Leipzig in Walsdorf „nicht zum besten hauste“ und das sogenannte Lazarettfieber einschleppte, erfahren wir in der Pfarrchronik nichts Wesentliches. Pfarrer August Schramm, von 1811 bis 1827 in Walsdorf, war Augenzeuge. Seine Bewertung des Geschehens kommt lediglich in der Formulierung „glorreiche Völkerschlacht bei Leipzig“ zum Ausdruck, was deutlich macht, daß er den Sieg der verbündeten Truppen Preußens, Österrreichs und Rußlands über das durch den Rußlandfeldzug von 1812 geschwächte Heer Napoleons begrüßte.
Lehrer August Wald, der 1831 nach Walsdorf kam und die Schulchronik noch einmal begann, wozu er nach eigenen Angaben den Auftrag von Schulinspektor Büsgen erhalten hatte, weil die Arbeit von Lehrer Kolb „wenig befriedigend ausgefallen war“, kommt in seinem Vorspann auch auf die Ereignisse von 1813 zu sprechen. August Wald war 1801 geboren und hatte die Ereignisse des Jahres 1813 in seinem Heimatort Staffel erlebt. Für seinen Bericht aus Walsdorf stützt er sich zweifellos auf die Pfarrchronik, denn seine Darstellung ist teilweise wortgleich mit der von Pfarrer Schramm. In der Beurteilung geht er aber weit über ihn hinaus und bringt seinen eigenen Standpunkt zum Ausdruck. Für ihn lag die Bedeutung der Begegnung der verbündeten Truppen mit Napoleon darin, daß „in der großen Schlacht bei Leipzig die französische Armee aufs Haupt geschlagen worden war.“
Das ist zweifellos eine Formulierung, die nicht frei von Überheblichkeit ist. Das Verhältnis zwischen Franzosen und Deutschen war während des ganzen 19. Jahrhunderts nicht gut, wie aus dieser Formulierung und auch späteren Belegen deutlich zu erkennen ist. Daß Frankreich Deutschlands Erbfeind sei und nach dem „schönen deutschen Rhein“ strebe, wie es in vielen Liedern und Gedichten des vorigen Jahrhunderts heißt, war offensichtlich die Ansicht breitester Volksschichten.
Daß die Revolution im März des Jahres 1848 in Nassau und in ganz Deutschland ein wichtiges Ereignis war, haben beide Chronisten erkannt. Lehrer Walds Bericht in der Schulchronik ist der ausführlichere. Er beurteilt das Geschehen ohne Einschränkung positiv. In seiner Sicht haben die Deutschen „1848 die Freiheit, welche ihnen von den Fürsten schon seit 1815 versprochen“ war, gefordert und endlich auch „unverkümmert erhalten.“ Er sah wie Millionen Deutscher die Zeit gekommen, daß „für ganz Deutschland .. und auch in unserem Lande (Nassau) eine zeitgemäße Verfassung geschaffen wurde.“ Er begrüßte es auch, daß der Herzog „einen volkstümlichen Mann, nämlich den Prokurator Hergenhahn, zum Minister“ berief. „Volkstümlich“ war ein Schlüsselwort der Revolution. Es brachte zum Ausdruck, daß es sich um Leute handelte, die in erster Linie die Anliegen des Volkes und nicht der Fürsten im Auge hatten. Die erkennbaren politischen Aktivitäten in Nassau und auch in Deutschland fanden ebenso seinen Beifall wie die Arbeit der Frankfurter Paulskirchenversammlung an einer Verfassung für ganz Deutschland. Walds Position kann man als gemäßigt liberal und damit als fortschrittlich bezeichnen. Gegenüber den Fürsten fällt kein hartes Wort, im Gegenteil: „alle Fürsten Deutschlands, der Herzog Adolf zuerst, waren so human und weise, die Forderungen des Volkes feierlich zuzusagen.“ Andererseits drückt er sein Bedauern darüber aus, daß das Jahr nicht vorübergegangen ist, ohne daß in mehreren Teilen des deutschen Vaterlandes der Bürgerkrieg gewütet hat Das macht deutlich, daß er keinesfalls mit den radikalen Republikanern sympathisierte, sondern ein Anhänger der verfassungsmäßigen Monarchie war. Wie er das Scheitern der Revolution und die einsetzenden restaurativen Bestrebungen bewertete, läßt sich nicht feststellen; darüber, gibt es von ihm keine Aufzeichnungen.
Pfarrer Diefenbach weist zwar auch darauf hin, daß 1848/49 Jahre „großer politisch-kirchlicher Ereignisse“ waren, beschränkt sich in seinem Bericht aber ausdrücklich auf das „speziell örtlich Kirchliche.“ Die Beschlüsse der Spezialsynode des Dekanats Idstein, die zur „Herbeiführung einer freien Verfassung der evangelischen Landeskirche“ einberufen worden war, enthielten nach seiner Ansicht „manches höchst Wünschenswerte und Gute, da man sich möglichst in der goldenen Mittelstraße gehalten hatte.“ Hier sieht man, daß die Freiheitsforderungen der 1848iger sich nicht auf den engen politischen Bereich beschränkten, sondern grundlegende Änderungen auch im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich angestrebt wurden.
Pfarrer Dieffenbachs Einstellung gegenüber der Freiheitsbewegung war bestimmt reservierter als die des Lehrers Wald, urteilt er doch zusammenfassend: „Auf das kirchliche Leben im allgemeinen hatten die berührten Ereignisse, wie fast überall, gerade nicht den vorteilhaftesten Einfluß; doch zeichnete sich die hiesige Gemeinde, im Vergleich zu den benachbarten, noch immer musterhaft aus.“
Fortsetzung folgt
Helmuth Leichtfuß
Ein Pfarrerehepaar des 18. Jahrhunderts
Von Adolf Deißmann
Vorbemerkung: Adolf Deißmann, von 1855 bis 1859 Pfarrer in Walsdorf, untersuchte als erster Walsdorfs historische Quellen. Die Ergebnisse liegen gedruckt in seiner“ Geschichte des Benediktinerklosters…“ (1863, .Neuauflage 1978) vor. Dieses Buch ist die gekürzte Fassung seiner viel ausführlicheren „Geschichte des Klosters, der Kirche und des Fleckens Walsdorf von den ältesten Tagen bis zum Jahre 1862 auf Grund urkundlicher Quellen.“ Von dieser Chronik existiert nur ein einziges, handgeschriebenes Exemplar im Folioformat mit XXIV + 527 Seiten. Auszüge daraus sollen in zukünftigen Bürgerbriefen veröffentlicht werden. Wir beginnen mit einem Kapitel (S.296 – 299), das zeigt, mit welchem Engagement Deißmann Walsdorfs Geschichte erforscht und beschrieben hat.
Einige nähere Notizen über Nikolaus David Schwind (1767 – 1807 Pfarrer) verdanke ich dem verstorbenen Oberschultheis Ochs, welchen Schwind aus der Taufe gehoben hatte und der mir manches Interessante über seinen Paten erzählte. Auch lebt im Gedächtnis der übrigen alten Walsdorfer das Bild dieses interessanten und oft sehr sonderbaren Mannes fort.
Er war 1725 geboren und heiratete gegen 1768 eine Christine Marie geb. Stahl aus Gießen, eine ebenfalls höchst interessante merkwürdige Frau. Sie soll körperlich sehr schön, dabei sehr geistreich und fein gebildet gewesen sein und war auf ganz merkwürdige Weise nach Walsdorf gekommen. Sie hatte in Gießen eine Liebschaft mit dem Studenten der Theologie Seyberth aus Walsdorf und begleitete denselben – so wurde mir auf das zuverlässigste versichert – bei seinem Abzug von der Universität in Studentenkleidung in das Elternhaus seines heimatlichen Dörfchens, wo sie derselbe anfangs für einen Freund ausgab und später heiratete, als er die Pfarrei Wörsdorf erhielt.
Als Seyberth bald darauf kinderlos starb, heiratete Schwind dessen Witwe. Sie stand als „Geisterseherin“ in großem Respekt bei den Walsdorfern und namentlich erzählt man sich von ihr, daß sie es jedesmal angegeben habe, wenn jemand in Walsdorf gestorben sei. Es habe dann jedesmal in der Nacht vorher dreimal an ihr Fenster geklopft, und das Bild des Betreffenden sei ihr im Traum erschienen. (0 tempora! 0 mores) Ich hoffe, daß die geliebten Amtsschwestern im Pfarrhaus zu Walsdorf es mir nicht übel. nehmen, daß ich dies von ihrer älteren Schwester hier niederschrieb. Meine Aufgabe fordert es. Eine Chronik hat nur dann Wert, wenn sie Wahrheit und zwar volle Wahrheit berichtet.)
Frau Pfarrer Schwind starb am 19. Juni 1788 und hatte, da sie kinderlos war, bereits unter dem 22. Juni 1784 ihr Testament gemacht, worin sie einen freundlichen Abschied von uns nimmt und sich ein schönes Gedächtnis in unserer Geschichte stiftet. In Nr. 5 ihres Testamentes heißt es:
„Auch soll von der sämtlichen Verlassenschaft nach der Letztlebenden Tode 20 Gulden an das Wiesbadische Waisenhaus und 50 Gulden zur Errichtung einer Freischule (l.) in Walsdorf, wenn diese 50 fl. nicht bereits beim Leben gegeben worden, ausgezahlt werden.“
Nach den vielen gelegentlichen Äußerungen, die mir von zuverlässigen Augenzeugen über Schwind gemacht wurden, war es ein lebhafter, hitziger, dabei bei groß gewachsener Mann, der mit seinem langen Rohrstab manche bösen Buben mores lehrte und ihnen schon von weitem Furcht und Respekt einflößte. Er hatte in seinen Predigten nur einen Jahrgang – wenigstens sagten ihm das seine Zuhörer nach -, und bei der langen Anwesenheit des Predigers wußten viele am Sonntagmorgen schon, was sie heute in der Kirche hören würden, und zwei Predigten namentlich prägten sich so tief in ihr Herz, daß mir noch Stellen aus denselben referiert wurden. So seine Osterpredigt, die jedesmal mit den Worten begonnen habe: „Feget den alten Sauerteig“ und wo er dann mit einem furchtbaren „Quos ego!“ (2.) die Walsdorfer vornahm. Auch seine Brandpredigt (3.), die jedesmal am 16. Sonntag nach Trinitatis gehalten wurde, ist auch noch vielen im Gedächtnis.
„Wo waren eure Väter,“ habe er dann jedesmal gefragt, „als dieser Brand ausbrach? In den Haselnüssen, im Wald sind sie herumgestrichen…„.
Seine Predigten dauerten jedesmal zwei volle Stunden, in der Mitte der Predigt wurde die Sanduhr auf der Kanzel umgedreht.
Während seines langen Hierseins erlebte unser Schwind manchen Sturm. In den Schreckensjahren des französischen Revolutionskrieges zogen Freund und Feind durch unser Walsdorf und nahmen mit, was zu bekommen war. Ein mal sogar hatte ein Regiment Franzosen unten von der Chaussee aus seine Kanonen auf den Flecken gerichtet, durch den die Österreicher vorrückten. Die Gefahr ging glücklich vorüber, aber bald darauf ward der Flecken von den Franzosen geplündert, Vieh und Pferde mit fortgeführt und seine Bewohner furchtbar mißhandelt. Auch Schwind wurde arg geschlagen, und ein gottvergessener Franzos schoß sogar nach ihm und würde ihn auch erschossen haben, hätte Schwind nicht schnell die Haustür zugemacht. Die Kugel fuhr durch die Tür, und das Loch in derselben war noch in den Tagen des Pfarrers Schramm ( 1811-28) zu sehen.
Schwind starb kinderlos den 14. März 1807, 82 Jahre alt. Mit seinem Nachlaß wurden leider auch alte Briefschaften und Kirchenakten, unter denen gewiß manches wichtige gewesen ist, in eine Krambude nach Idstein versteigt und mit großer Not nur noch das älteste Kirchenbuch mit Verlust einiger Blätter an Ende gerettet. Wie manches wertvolle Schreiben mag auf diese Weise elend verkommen sein.
Anmerkungen:
- Ein Freiplatz in der schon bestehenden Schule.
- Euch will ich!
- Zur Erinnerung an den 11.9.1692, als das ganze Dorf abbrannte
Was sonst noch im Ort passiert ist
„Geboren wurden hier (1867) 41 Kinder, unter denen 2 uneheliche waren, und zwar das eine von diesen zweien von einem Mädchen aus Schwickershausen, die ihren Verführer aus auswärts hatte, geboren wurde. Dieses Mädchen kam auf Weihnachten, schon nahe ihrer Niederkunft, von der man hier nichts wußte, in den Dienst zu Eduard Ochs hierher. Nach wenigen Wochen gebar sie mitten im schneebedeckten kalten Winter ihr Kind auf dem Abtritt im Hofe ihres Dienstherrn und das Kind lag auf dem Misthaufen noch lebendig bis Eduard Ochs hinauseilte, als er die Sache bemerkte und das Kind holte. Es lebte noch 18 Stunden. Das Dienstmädchen wurde, sowie ihre ersten Tage vorbei waren, von Gendarmen geholt und nach Wiesbaden vors Gericht gebracht.“
Pfarrchronik S. 57